Ist da jemand?

Kolumne von Michael Lind

„Ist da jemand?“

Diese Frage eines Nachtwächters auf seinem Rundgang bleibt in der witzigen Sponti-Sprüchereihe „Berühmte letzte Worte“ natürlich unbeantwortet. Man kann die gleiche Frage auch als Nicht-Nachtwächter stellen und in einem anderen Kontext. Beispielsweise, ob da jemand ist, der den oft genug staatsfinanzierten Einkaufstouren chinesischer Investoren und Unternehmen auf dem deutschen Markt Einhalt gebieten könnte? Hierauf gäbe es sogar eine Antwort, doch die lautet eher „Nein. Da ist niemand.“

Bild: Michael Lind

Es gibt das Bundeskartellamt, das Firmenübernahmen oder Beteiligungen an ihnen reglementieren oder gänzlich unterbinden kann. Und jenseits des großen Teiches haben bei signifikanten Eigentumsverschiebungen in börsennotierten Unternehmen noch ganz andere Kontrollinstitutionen das eine oder andere Wort mitzureden. Auch die Bundesregierung könnte ihr Veto einlegen. Doch spätestens seit der liberale Ex-Wirtschaftsminister Günter Rexrodt in den 1990er-Jahren verkündete „Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt“ ist klar, dass man hierzulande derartige staatliche Regularien eigentlich nicht anwenden möchte.

Das gilt heute mehr denn je: China ist der wichtigste Handelspartner Deutschlands in Asien und bezog im vergangenen Jahr Waren im Wert von etwa 76,11Mrd.€. Ein so schönes Geschäft macht man sich doch nicht kaputt, indem man kaufwilligen chinesischen Investoren sagt „Ihr dürft das nicht!“ Stattdessen Bühne frei für den Ausverkauf von Hightech, Know-how, Marktpositionen und -zugängen. Hier ein paar prominente Beispiele – aus den etwa 70 bekannten (!) chinesischen Direktinvestitionen in Deutschland.

2012 erkauft sich der chinesische Baumaschinenhersteller Sany mit der Übernahme des Betonpumpenbauers Putzmeister die Weltmarktführerschaft in diesem Bereich. Ebenfalls 2012 sichert sich der chinesische Automobilzulieferer Hebei Lingyun die Aktienmehrheit am weltgrößten Schließsystemehersteller Kiekert, um seine eigenen Produkte – Türkomponenten und Zierteile – auch an Kiekert-Kunden zu bringen. Im gleichen Jahr lässt sich der chinesische Motorenbauer Weichai Power den Einstieg bei Europas größtem Gabelstaplerhersteller Kion insgesamt 1,1Mrd.€€ kosten. 2014 übernimmt TMT den Automobilzulieferer Boge Elastmetall mit dem Ziel, in der internationalen Automobilindustrie zur Nummer eins im Bereich Gummi/Metallkomponenten und Kunststoffmodule zu werden.

Anfang 2016 kauft der Staatskonzern Chemchina gemeinsam mit einigen Kleinanlegern den Kunststoffmaschinenbauer Kraussmaffei Group, der neben dem Engel-Konzern aus Österreich als Weltmarktführer in diesem Metier gilt. Wenige Monate später wird der chinesische Klimaanlagen- und Hausgerätebauer Midea Hauptaktionär bei Kuka. Kurz darauf verkauft die Deutsche Beteiligungs AG den Luft- und Raumfahrtzulieferer Broetje-Automation an Shanghai Electric, die damit direkten Zugang zu den weltweit tätigen Flugzeugbauern erhält. Und ganz aktuell: Der Automobilzulieferer ZMJ und der Investor CRCI – beide aus dem Reich der Mitte – kaufen Bosch die Anlassersparte ab und dürfen dadurch viele renommierte Automobilbauer weltweit zu ihren Kunden zählen.

Spätestens hier merkt selbst der Unbedarfteste, dass diese Einkaufstouren System haben. Chinas Unternehmen sind nicht sonderlich innovativ, spielen auf den Weltmärkten eher keine Rolle, die dortige Wirtschaft ist extrem abhängig von Schlüsseltechnologien aus dem Ausland. Dies nachhaltig zu ändern, auch durch Firmenübernahmen, hat die Regierung in Peking quasi befohlen. Geld spielt keine Rolle. Also kauft man; vor allem im Industrie- und im Energiesektor, in der Automobilindustrie, der Logistik, in der Medizintechnik.

Freilich haben alle Investoren Garantien abgegeben, etwa für den Erhalt der angestammten Standorte der übernommenen Unternehmen und der dortigen Arbeitsplätze, für weitere Investitionen, auch dafür, den ’neuen Familienmitgliedern‘ den Weg zu neuen Märkten in Asien zu bahnen. Doch was von alldem in fünf oder zehn Jahren noch Bestand hat, bleibt offen.

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