Statische, abstrakte Gefahr
Die MRK begründet zweifellos eine statistische, abstrakte Gefahr für die Beteiligten. Zugleich sind die konkreten Situationen und Handlungen des Roboters unvorhersehbar, die Entscheidungen der Maschine nicht umfassend kontrollierbar, und die menschlichen Akteure haben bisher nur wenig Erfahrung im Umgang mit Robotern. Es stellt sich deshalb die Frage, wie spezifisch die Vorhersehbarkeit sein muss: Fordert man Vorhersehbarkeit der konkreten Situation, wird es nur selten zu einer strafrechtlichen Haftung kommen; reicht die Vorhersehbarkeit in einem statistischen Sinn, könnte sehr häufig eine Strafbarkeit zu bejahen sein – und im Ergebnis auch die Weiterentwicklung dieser Maschinen unangemessen behindert werden. Deshalb scheint dieses Kriterium im Kontext der MRK keine relevante Hürde für die Bestimmung der Fahrlässigkeit darzustellen. Vielmehr sollte der Fokus auf dem erlaubten Risiko liegen. Auch darauf, welches Risiko in diesem Bereich erlaubt ist, hat sich die Gesellschaft derzeit noch nicht einigen können. Sobald es gesetzliche Regelungen gibt, spiegeln diese die Einigung weitgehend. Erlaubt wird ein gewisses Risiko typischerweise deshalb, weil eine Technologie erhebliche Vorteile birgt – für die Gesellschaft, im Fall der MRK aber auch für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der gegebenenfalls weniger stark körperlich beansprucht wird. Die Ermittlung des erlaubten Risikos erfordert eine Auseinandersetzung mit ebendiesen Vorteilen, aber auch den möglichen Nachteilen. Das heißt also, es müsste abgewogen werden, in welchen Lebensbereichen eine voranschreitende Automatisierung wünschenswert erscheint und in welchen nicht; ob bestimmte Menschen von einer (verpflichtenden) Interaktion mit gefährlichen Robotern auszunehmen sind, zum Beispiel Kinder oder einwilligungsunfähige Patienten, sowie über die konkreten Bedingungen für einen möglichst sicheren Einsatz derartiger Maschinen. Ebenfalls relevant für die Überlegungen zum erlaubten Risiko ist, wer eigentlich vom Einsatz der Maschine profitiert, wer die optimalen Steuerungsmöglichkeiten hat und wer in welchem Maß auf das Verhalten der Maschine Einfluss nehmen kann. Solange ausdrückliche gesetzliche Regelungen fehlen, muss der Rechtsanwender diese Überlegungen selbst anstellen und so festlegen, ob sich das Verhalten der Akteure im Rahmen des erlaubten Risikos bewegt. Ein Sonderproblem stellt die Anwendung des so genannten Vertrauensgrundsatzes dar. Während man bei Kooperationen üblicherweise auf die Sorgfalt der anderen Beteiligten vertrauen darf, steht dem in der Robotik gerade die Unbekanntheit des Verhaltens der Maschine und die Unvorhersehbarkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen entgegen. Die Möglichkeit des Vertrauens auf die Maschine ist daher derzeit abzulehnen, solange Roboter nicht dauerhaft als Akteure in der Gesellschaft etabliert, bekannt und berechenbar sind. Bei der Zusammenarbeit mit Maschinen ist deshalb jedenfalls derzeit noch deutlich erhöhte Vorsicht im Vergleich mit der Zusammenarbeit mit Menschen anzuwenden.
Zusammenfassung
Durch die Entwicklungen in der Robotik wird das Recht vor neue Herausforderungen gestellt. Erforderlich werden unter anderem Anpassung der Verhaltensstandards und Umverteilung der Verantwortung, neue Gesetze und neue außerrechtliche Standards. Für die Fahrlässigkeit bedeutet das konkret: Mangels eindeutiger Verhaltenserwartungen ist beim Umgang mit Robotern derzeit grundsätzlich besonders hohe Sorgfalt anzuwenden. Der Vertrauensgrundsatz ist derzeit auf Maschinen nicht anwendbar. Außerrechtliche und unternehmensinterne Standards sind auf ihre Übereinstimmung mit rechtlichen Wertungen intensiv zu überprüfen und nicht direkt in das (Straf-)Recht zu übertragen. Bei der Erarbeitung außerrechtlicher Normen ist ein transparenter, demokratischer Prozess erforderlich; Ethiker und Juristen sind in die Entwicklung einzubeziehen. Letztlich muss die Gesellschaft entscheiden, wer mit Robotern interagieren darf und in welchen Lebensbereichen unter welchen Bedingungen die Kollaboration von Mensch und Maschine hinreichend sicher und sozialadäquat ist.