Hauptsache leicht bedienbar

Investor Summit und Messe R-22 in Odense

Hauptsache leicht bedienbar

Wer in der Robotik von Dänemark spricht, meint damit Odense. Der ehemalige Werftstandort hat sich über die letzten Jahre komplett neu aufgestellt und bildet heute das Zentrum der dänischen Roboterbranche. Jährlicher Treffpunkt ist der Investor Summit, der dieses Jahr um die Messe R-22 ergänzt.

Um 20 Prozent auf 1,1Mrd.€ soll der Umsatz der Robotik in Dänemark 2022 steigen. Da sprechen die Macher gerne – und zu Recht – vom ‚Powerhaus der Robotik und Automation.‘ Dass sich Odense zu einem Hotspot der internationalen, mindestens aber der europäischen Roboterindustrie entwickelt hat, mag viele Gründe haben. Einen aber hebt Anders B. Beck hervor, im Vorstand von Universal Robots für Strategie und Innovation zuständig: „Der Erfolg von Odense hat etwas mit unserem Mindset zu tun. Bei uns stehen die Fragen der Kunden und nicht die Technik im Vordergrund. Wer nicht über das Problem des Kunden nachdenkt, geht einen steinigen Weg.“

Welches Potenzial junge Startups im Bereich der modernen Robotik bieten, ist das große Thema auf dem Investor Summit in Odense. (Bild: Hans Kristian Hannibal-Bach)
Welches Potenzial junge Startups im Bereich der modernen Robotik bieten, ist das große Thema auf dem Investor Summit in Odense. (Bild: Hans Kristian Hannibal-Bach)


Zudem pflegt man offenbar in der Entwicklung eine andere Vorgehensweise. Thomas Visti sprach ebenso wie Niels Jul Jacobsen, beide Roboterexperten der ersten Stunde, davon, dass man mit einer Idee möglichst schnell an den Markt gehe und nicht erst dann wenn das Produkt perfekt sei. Beide waren Gründer des FTS-Herstellers MIR und beide sind mittlerweile erfolgreiche Investoren. Jacobsen, heute CEO von Capra Robotics, gehört zu den Initiatoren des Odense-Robotik-Clusters. Wie er die mobile Robotik weiterentwickelt hat, lässt sich auf der Automatica 2022 in Augenschein nehmen.

 (Bild: Bernhard Foitzik)
(Bild: Bernhard Foitzik)

Startups stehen nicht am Rand

Lokale Business Angels haben im Laufe der Jahre mehr als 83Mio.? in Startups des Ökosystems investiert. Greg Smith, Präsident der Industrial Automation Gruppe von Teradyne, sprach in seiner Keynote zum Investor Summit den präsentierenden Startups Mut zu: „Ich bin sicher, einige von Ihnen sitzen auf einer Rakete. Ich bin nur nicht sicher, wer das sein wird.“

Überhaupt gibt es eine Reihe von Angeboten für Unternehmen, die sich für Roboterautomatisierung interessieren – weit vor einer konkreten Projektaufgabe. So hat das Dänische Technologie-Institut (DTI) das Projekt Cobot-Pilot ins Leben gerufen. Hier können im Cobot-Labor für rund 6.700? versuchsweise bestimmte Aufgaben auf Machbarkeit hin untersucht werden inklusive einfacher Roboterprogrammierung oder dem 3D-Druck von Greiferfingern.

Mads Mathiesen, Sektionsleiter am DTI erläutert die Chancen für Einsteiger: „Mit dem Cobot-Piloten geben wir einen Überblick darüber, was auf dem Markt ist, wie man das Risiko kollaborativer Lösungen bewertet, um Hilfe beim Business Case zu erhalten.“ Der Deutsche Robotik Verband lässt grüßen.

Aber in Odense fängt man noch viel früher an, die Begeisterung für die Robotik zu wecken. 3,3Mio.? wurden 2021 als Teil des Gemeindebudgets für die Errichtung einer Roboterschule bereitgestellt. Und weil man in Odense hinsichtlich Robotik keine kleinen Brötchen backt, heißt es dazu in einer Broschüre: „Die weltbeste Roboterschule muss sich natürlich in der weltbesten Roboterstadt befinden.“ Das geschieht planvoll durch alle neun Klassenstufen mit Micro-bit, Lego Wedo oder Bluebots.

 (Bild: Bernhard Foitzik)
(Bild: Bernhard Foitzik)

Potenzielles Marktvolumen

Greg Smith: „Für gute Ideen ist der Markt da.“ Bei seinem Ausblick auf die Zukunft der Robotik konnte einem ob der Zahlen schnell schwindlig werden. Smith kommt auf ein potenzielles Marktvolumen von mehr als 200Mrd.US$ für Cobots und etwa die gleiche Größenordnung für mobile Roboterlösungen. 2021 wuchsen sowohl Universal Robots als auch MIR um rund 40 Prozent. Smith: „Wenn unsere Analyse richtig ist, haben unsere und alle anderen Roboter zusammen erst etwa 2 Prozent des gesamten potenziellen Cobot-Marktes bedient.“ Und weiter „Wir sollten uns nicht darauf fokussieren, von zwei auf drei Prozent zu steigern, sondern sollten uns auf die fehlenden 98 Prozent konzentrieren.“

Bild: Bernhard Foitzik

Geld, das verdient und bei Übernahmen bezahlt wurde, bleibt im System: Das Geld, das Teradyne für Universal Robots und MIR an die damaligen Eigner gezahlt hat, ist zum größten Teil reinvestiert worden und hat neugegründeten Firmen zu einer guten Startbasis verholfen. Durchschnittlich über 90 Prozent des investierten Kapitals kommen aus Dänemark selbst. Hinzu kommen über 50Mio.?, die jährlich in R&D-Projekte am Dänischen Technologie Institut gesteckt werden.

Esben Østergaard, eine weitere graue Eminenz der dänischen Roboterszene, erklärt den Erfolg auch damit, dass im Ökosystem der Robotik in Odense eben neue Ideen besonders gut gedeihen: „Viele disruptive Lösungen stammen aus Startups.“ Früher hätte man vielleicht ‚revolutionäre Lösungen‘ gesagt, aber disruptiv klingt nicht so aggressiv. Die Fachmesse R-22 resümierte Østergaard so: „Odense ist der richtige Platz, um die Entwicklung der Robotik zu studieren.“ Von daher gehören nicht nur die klassischen dänischen Roboter von UR zum Messeportfolio, sondern auch Drohnen oder Serviceroboter etwa aus dem medizinisch-technischen Bereich zum Desinfizieren von Krankenzimmern. Man fasst den Begriff der Robotik in Odense sehr weit und lässt einem autonomen 3D-Drucker zum Drucken ganzer Häuser ebenso Raum wie einem fahrbaren Serviceroboter, der bei der Gemeinde Odense eingesetzt wird und Auskunft über die Stadt gibt.

 (Bild: Bernhard Foitzik)
(Bild: Bernhard Foitzik)

Neues auf der Messe

Und was gab es Neues? Viel Greiftechnik und viele mobile Plattformen, darin unterschieden sich die R-22 nicht von anderen Robotermessen und der Investor Summit nicht von einschlägigen Startup-Pitches. Neun Startups präsentierten ihre Ideen vor Investoren, drei davon hatten neue Greifer entwickelt, darunter mit der Firma Formhand auch ein deutsches Unternehmen. Bei dessen Greifersystem handelt es sich im Prinzip um ein mit Granulat gefülltes Kissen, das sich flexibel an unterschiedliche Werkstücke anpasst. Geschäftsführer Christian Löchte zur Technik: „Die Werkstücke werden mittels elektrisch erzeugtem Unterdruck fixiert.“ Funktioniert schonend, sicher und ist sehr flexibel.

Logistik lautet das Stichwort, mit dem sich das dänische Unternehmen Cestek auf der R-22 präsentierte. CEO Morten Bodilsen nannte Gepäck-Handling am Flughafen von Kopenhagen als das derzeit herausforderndste Projekt. Man habe die automatisierte Handhabung aufgrund eigener Greifertechnik realisiert. Man darf dem Unternehmen viel Erfolg wünschen, jedenfalls mehr als den teilweise lange zurückliegenden Projekten zum Thema in Deutschland.

Übrigens reicht der Arm der Dänen weit – bis zur Automatica in München. Der dann erneut ausgerichtete Odense Investor Summit am 21. Juni 2022 soll Investoren ansprechen, die tiefer in den Markt einsteigen möchten und dafür den richtigen Partner suchen. Das rund 2,5-stündige Programm als Teil der Startup Arena bietet mit Pitches von 15 vorausgewählten Startups Einblicke in die möglichen Investitionen. Hinzu kommt die Startup-Arena in Halle B4, in der sich rund 50 internationale, junge Unternehmen aus den Bereichen Robotik, Automatisierung, Digitalisierung und KI präsentieren. Traditionell treffen sich hier Innovatoren, Industrie und Investoren mit dem Ziel, wegweisenden Ideen zum Durchbruch zu verhelfen.

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