Produktion von mehreren Millionen Steckern pro Jahr

Intelligent verkettet

Was tun bei permanent steigender Nachfrage nach Kunststoff-Hybridbauteilen unter Platz und Personalrestriktionen? Ein Automobilzulieferer setzt hier auf eine intelligent verkettete Anlage mit zwei Spritzgießmaschinen und sechs Robotern - und fährt gut damit.
Die Linie ist in vier Module gegliedert, um die Taktzeitvorgaben von unter 10s pro Stecker zu garantieren.
Die Linie ist in vier Module gegliedert, um die Taktzeitvorgaben von unter 10s pro Stecker zu garantieren. Bild: EGS Automation GmbH

Die Amphenol-Tochter KE Elektronik produziert unter anderem Motorlüfterstecker für den Automobilbau – sogenannte Kunststoff-Hybridbauteile, bei denen vier Metallkontakte mit drei unterschiedlichen Kunststoffen umspritzt werden. „Die Herstellung dieser Stecker ist ein relativ komplexer Prozess, der an eine Vielzahl von Prüfschritten gekoppelt ist“, erklärt Jens Gradenegger, Teamleiter Spritzgießautomation bei KE Elektronik. Mit der Maßgabe, zwei Stanz/Biege-Einheiten und zwei Arburg-Spritzgießmaschinen automatisiert so zu verketten, dass die resultierende Fertigungsinsel einen Output von mehreren Millionen Stecker pro Jahr erreichen kann, wandte sich KE Elektronik an die Firma EGS Automation. „In Zusammenarbeit haben wir auf 15x6m eine Fertigungsinsel konzipiert, die mit sechs Yaskawa-Robotern, einem Palettiersystem vom Typ Sumo Ecoplex2 und jeder Menge Handhabungs- und Prüftechnik sämtlichen Anforderungen entspricht“, so EGS-Projektleiter Hartmut Pfalzgraf. Um die Taktzeitvorgaben von unter 10s pro Stecker sowie eine möglichst hohe Verfügbarkeit zu garantieren, ist die komplette Linie in vier Module gegliedert.

In der Anlage wurden mit sechs Robotern zwei Stanz/BiegeEinheiten sowie zwei Arburg-Spritzgießmaschinen verkettet.
In der Anlage wurden mit sechs Robotern zwei Stanz/BiegeEinheiten sowie zwei Arburg-Spritzgießmaschinen verkettet. Bild: EGS Automation GmbH

Modul I: Bereitstellung der Stecker-Pins

Die Stanz/Biege-Einheiten sorgen für eine kontinuierliche Bereitstellung der Steckerkontakte. Während auf der einen Linie Signal-Pins hergestellt werden, produziert die andere Power-Pins. An jeder Stanz/Biege-Einheit ist ein GP7-Roboter mit mechanischem Greifer installiert, ausgestattet mit integrierter Sensorik und um 25° geneigt. „Mit der Schrägstellung des Roboters ist es uns gelungen, die benötigte Drehung von der Entnahme- zur Einlegeposition komplett über die S-Achse zu realisieren, um so die Taktzeit zu reduzieren“, betont Pfalzgraf. Die beiden Sechsachser entnehmen an ihrer Linie jeweils zwei Kontakte und positionieren sie in einem Werkstückträger mit vier Aufnahmen, von der jede wiederum mit vier Kontakten bestückt werden muss. Anschließend erreichen die Werkstückträger ihre Entladeposition, an der sie an Modul II ein GP50-Yaskawa-Roboter in Empfang nimmt.

Modul II: Komplexes Handling

Herzstück von Modul II ist eine 2K-Spritzgießmaschine, auf der zwei Kunststoffe gleichzeitig verarbeitet werden. Im ersten Schuss erfolgt eine Formumspritzung, die die Kontakte exakt in der gewünschten Lage fixiert. Die entstandenen Kontaktträger werden dann im zweiten Schuss zu einem Anschlussstecker umspritzt. Sämtliche Be- und Entladeprozesse dieses Moduls fallen in den Aufgabenbereich des GP50-Sechsachsers, an dem ein 36kg schweres Dreifach-Greifsystem montiert ist. Der Roboter ist mit 2.061mm Reichweite und einer Traglast von 50kg gut für diese Aufgabe geeignet. Zunächst muss er die Maschine entladen, ehe er sie mit neuen Kontakten bestücken kann. Dazu muss der Sechsachser die fertig umspritzten Anschlussstecker entnehmen, die Vorspritzlinge umsetzen und abschließend das leere Werkzeug mit den 4×4-Stanzbiegekontakten aus Modul 1 bestücken.

Um die geforderte Präzision beim Greifen zu erreichen, dockt der Roboter vor dem eigentlichen Handhaben über einen Zentriergreifer an den Werkzeugen an. Um dennoch die Offenzeit des Werkzeugs möglichst kurz zu halten, wird die Dynamik des GP50 komplett ausgereitzt. Abschließend erfolgt das Ablegen der umspritzten Stecker auf einem weiteren Werkstückträger. Über ein Transfersystem gelangt der Werkstückträger mit insgesamt acht Steckern zu Modul III.

Modul III: Spezielle Umspritzung

Der wesentliche Prozessschritt im Modul drei besteht aus einer LSR-Umspritzung (Liquid Silicone Rubber) der Stecker auf der zweiten Arburg-Maschine. Der Vorteil dabei: Dadurch kann eine separate Dichtung entfallen. Hierbei kommt ebenfalls ein GP50-Roboter zum Einsatz, dessen Tätigkeit aber nicht ganz so komplex ist wie der seines Kollegen. Der Roboter entnimmt die 2×4 Stecker aus dem Werkstückträger und prüft deren Temperatur vor einer Wärmebildkamera. Nur wenn die Temperatur im definierten Fenster liegt, sind die Teile für den nächsten Prozessschritt geeignet und der Roboter legt sie in das Werkzeug ein. Auch hier steht vor der Bestückung zunächst die Entnahme der acht Fertigteile. Damit bestückt der GP50 ein 2-fachShuttle, das dann insgesamt 16 Teile zum letzten Modul bringt.

Modul IV: Prüfen, prüfen, prüfen

An Modul IV kommt wieder ein GP7-Roboter zum Einsatz, der die Fertigteile aufnimmt und an einen Rundschalttisch übergibt. Dort befinden sich diverse Prüfstationen sowie eine Montagestation, die mit einem Yaskawa-Scararoboter SG650 ausgestattet ist. „Hier ist es uns gelungen, auf äußerst kompakten Raum wirklich viele Prozesse zu integrieren“, führt Gradenegger weiter aus. Tatsächlich dreht sich in diesem Modul alles um die Qualitätssicherung: von der Durchgangs- und Hochspannungs-Prüfung, über eine Pin-Positionskontrolle per Triangulationslaser bis zur Kamerainspektion der LSR-Umspritzung. Danach wird das Bauteil über einen Kennzeichnungslaser mit einem Data Matrix Code versehen, der die Rückverfolgbarkeit sicherstellt. Hat das Bauteil den Prüfungsmarathon als Gutteil bestanden, erfolgt abschließend die Kraft/Moment-geregelte Montage einer Schutzkappe, die der Scara übernimmt.

Der Sechsachser ist im letzten Modul der taktzeitkritische Roboter. Denn er bestückt nicht nur den Rundschalttisch, sondern legt die Fertigteile abschließend in einem SUMO Ecoplex2, dem Topseller unter den EGS Palettiersystemen, in Trays ab. „Hier mussten wir sämtliche Register ziehen, um unsere Taktzeitvorgaben nicht zu gefährden“, erzählt Pfalzgraf. Deshalb wurde der Roboter unter anderem mit einem 2+2-fach Greifsystem ausgestattet, um die Anzahl der Fahrbewegungen zu reduzieren.

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