Multimodale zerstörungsfreie Prüfung im Aerospace-Bereich

Multimodale zerstörungsfreie Prüfung im Aerospace-Bereich

NDT für die Cloud(s)

GKN Aerospace ist spezialisiert auf die Herstellung von Composite-Flugzeugteilen. Als sicherheitsrelevante Komponenten werden diese umfangreichen zerstörungsfreien Prüfungen unterzogen. Mit einer multimodalen Anlage konnte die Produktivität und Zuverlässigkeit der zerstörungsfreien Bauteileprüfung deutlich erhöht werden.

Mit zwei Knickarmrobotern auf parallel verlaufenden Linearachsen kann die Anlage in drei getrennten Zonen Composite-Bauteile zerstörungsfrei prüfen. (Bild: ©raumpixel)

Mit zwei Knickarmrobotern auf parallel verlaufenden Linearachsen kann die Anlage in drei getrennten Zonen Composite-Bauteile zerstörungsfrei prüfen. (Bild: ©raumpixel)

Flugzeugbestandteile sind immer auch sicherheitsrelevant. Material- oder Verarbeitungsfehler können zum Verlust der Flugfähigkeit führen – mit möglicherweise fatalen Folgen für die Menschen an Bord. Deshalb unterliegen die Composite-Flugzeugteile strengsten Qualitätsanforderungen, deren Einhaltung regelmäßig überprüft wird. „Die Qualitätssicherungsmaßnahmen gehen weit über die Überprüfung der Maßhaltigkeit hinaus, auch die inneren Werte zählen“, sagt GKN-Qualitätsmanager Jakov ?ekelja. „Neben einer Sichtprüfung unterziehen wir 100 Prozent unserer Teile unter anderem einer Ultraschallprüfung, um Unregelmäßigkeiten wie Fremdkörpereinschlüsse, Delamination oder durch Materialfehler verursachte Porositäten aufzudecken.“

Anforderungen an die NDT-Prüfanlage

Als ?ekelja 2016 zu GKN kam, ortete er im Bereich der zerstörungsfreien Bauteilprüfung (non-destructive testing; NDT) einen erheblichen Modernisierungsbedarf, den auch das GKN-Management erkannte. Die vorhandene Portalanlage für die automatisierte Ultraschallprüfung stammte aus dem Jahr 1986. „Der einkanaligen Anlage fehlte es nicht nur an Flexibilität, sondern auch an der nötigen Dynamik, um die gestiegenen Anforderungen an die Prüfleistung zu erfüllen“, erklärt er. „Bei unseren typischerweise recht großflächigen Bauteilen betrugen die Prüfzeiten bis zu hundert Minuten.“ Angesichts der 100-Prozent-Prüfung stellte die Prüfanlage eine Hürde für den Ausbau der Produktionskapazitäten im GKN-Werk München dar. Das Anforderungsprofil an die NDT-Prüfanlage forderte nicht weniger als einen Methodenwechsel in der automatisierten zerstörungsfreien Bauteilprüfung. Wichtigstes Ausschreibungskriterium war naheliegender Weise eine substanzielle Reduktion der Prüfzeiten. Dazu kam die Forderung nach ausreichender Flexibilität, um neben der eigentlichen Ultraschallprüfung auch noch andere Mess- und Prüfverfahren auf der Anlage durchführen zu können, etwa eine Maßhaltigkeitsüberprüfung per Laser Tracker. „Mir war klar, dass vor allem die Ultraschalluntersuchungen an größeren Teilen eine Zusammenarbeit von zwei Türmen oder Robotern erfordern würde“, erinnert sich ?ekelja. „Diese sollten andere Tests auch einzeln und parallel zueinander ausführen können und so zugleich den Durchsatz und die Ausfallssicherheit wesentlich erhöhen.“

Effizienz durch Multimodalität

Von ursprünglich fünf Bewerbern kamen drei in die engere Auswahl, einer davon war Fill. Das Unternehmen bot ein Lösungskonzept mit zwei gemeinsam, aber auch einzeln arbeitenden Knickarmrobotern auf parallel verlaufenden Linearachsen an. Diese können Werkstücke in drei getrennten Zonen prüfen und durch automatischen Werkzeugwechsel Prüfungen mit unterschiedlichen Methoden durchführen, und das ohne Umspannung des Prüflings. Als zuverlässigen Partner hatte der Qualitätsmanager das Unternehmen bereits im Rahmen seiner Vortätigkeit bei einem österreichischen Aerospace-Zulieferer kennen gelernt. Für diesen hatte Fill 2009 eine Ultraschall-Prüfanlage für Kohlefaser-Flugzeugkomponenten konstruiert. „Wir waren der erste Maschinenbauer, der solche Anlagen herstellte und die Prüftechnik als intelligentes Werkzeug integrierte“, berichtet Dipl.-Ing. Wolfgang Haase, verantwortlich für den Vertrieb von NDT Aerospace Manufacturing Systems bei Fill. „Bis dahin hatten die Prüftechnologie-Hersteller als Generalunternehmer den Maschinenbau untervergeben.“ Diese Praxis war natürlich einer Flexibilisierung der NDT-Anlagen nicht förderlich gewesen. Mit der umgekehrten Logik machen die NDT-Spezialisten bei Fill ihren Kunden die Angebote führender Prüftechnologieanbieter aller Modalitäten in einer einzigen Anlage nutzbar. Diese Multimodalität spart schon dadurch enorm Zeit, dass man ein Bauteil zunächst per Ultraschall in Through Transmission Technik prüfen und anschließend flächige Puls-Echo Prüfungen per Phased Array durchführen kann. Zusätzlich lassen sich natürlich auch Röntgen, Tomographie und Thermographie sowie verschiedene berührungslose Messverfahren zur Geometrievermessung integrieren und weitere zeitraubende Manipulationen vermeiden. „Richtig effizient wird das durch den von Fill auf Basis einer Standardkupplung geschaffenen Werkzeugwechsler FlexChange“, ergänzt Haase. „Dessen zahlreiche Anschlüsse beinhalten 196 elektrische Kontakte, die ein Einwechseln aller heute denkbaren Prüfköpfe mit voller Kompatibilität erlauben.“

Roboter-Flexibilität mit Präzision

Den entscheidenden Gewinn an Flexibilität gegenüber Portal- oder Turmanlagen bringt die Verwendung von Sechsachs-Roboterkinematiken. Auf zwei parallelen Linearachsen fahrend, können diese weite Arbeitsbereiche mit vielen Freiheitsgraden anfahren. Dadurch kann die Anlage Bauteile mit unterschiedlichen Geometrien in drei nebeneinander liegenden Arbeitsbereichen prüfen, in der mittleren davon auch durch eine Echtzeitkopplung beider Roboter. Während Industrieroboter und die von ihren Herstellern angebotenen Linearachsen mit deren Wiederholgenauigkeit für klassische Pick&Place Aufgaben dimensioniert sind, würde ihre Absolut-Positioniergenauigkeit für die hoch performante Ultraschallprüfung im Durchschallungsprinzip sowie die berührungslose Bauteilvermessung nicht ausreichen. Die erforderliche Präzision erhielt die Anlage durch hochpräzise Linearachsen und zusätzliche abtriebsseitig eingebaute Drehgeber an den Bewegungsachsen der Roboter des schweizer Herstellers Stäubli.

Zeitgewinn auf allen Ebenen

Dem Gewinn und Erhalt dieser hohen Präzision dient die Lasertracker-basierte Roboterkalibrierung. Diese hat beim Münchner Flugzeug-Komponentenhersteller den Zeitbedarf für die jährliche Geometrieüberprüfung von elf auf eine halbe Stunde verringert. Bedeutende Effizienzgewinne bringt die neu entwickelte Anlagensoftware. Die Anlage wird – einschließlich der Roboterkinematiken – komplett von einer Sinumerik 840D sl gesteuert. Ihre technischen Details verbergen sich dem Anwender hinter der Oberfläche der Programmier- und Bedienumgebung Fill Studio. Diese Anwendersoftware ist wie die gesamte Anlage applikationsunabhängig. Sie ermöglicht die hauptzeitparallele Offline-Programmierung der Roboter einschließlich Simulation zur Kollisionsvermeidung. Dazu ist der digitale Zwilling der gesamten Anlage hinterlegt. Das ermöglicht auch die Anwendung von Augmented Reality. „Bei erstmaliger Aufspannung neuer Teile verifizieren die Prüfenden mittels händischem Teach-In die Offlineprogrammierung, danach genügt das Einscannen des Barcodes auf dem Laufzettel“, erklärt ?ekelja. „Die früher erforderlichen zehn Minuten zum Initialisieren jedes zu prüfenden Bauteils entfallen komplett.“ Der erheblichste Effizienzgewinn ergibt sich jedoch aus den deutlich schnelleren Prüfvorgängen in der Anlage sowie deren Fähigkeiten, diese zu kombinieren. „Allein bei der Puls-Echo-Prüfung mittels Phased Array reduzierte sich die Prüfdauer der rund 10m² großen unteren Abdeckung einer Landeklappe für einen Interkontinental-Airliner um 93 Prozent von bisher 100 auf nunmehr sieben Minuten“, freut sich ?ekelja. „Zudem entfällt nun die früher anschließend durchgeführte, mehrstündige taktile Messung der Wanddicke, da diese nun automatisch als Abfallprodukt der Ultraschallprüfung anfällt.“

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