Prüfstand für Abgasturbolader

Prüfstand für Abgasturbolader

Überkopf auf engstem Raum

Drei Roboter überkopf in einem Prüfstand für Turbolader: So lässt sich der Testablauf für die Inline-Prüfung von KFZ-Komponenten halbieren. Zum Einsatz kommen dabei drei Knickarmroboter, die im Prüfstand das vollautomatische Handling der Komponenten übernehmen sowie deren sichere Kontaktierung an den Teststationen.

Der Prüfstand für den Funktionstest von Abgasturboladern ist so offen konzipiert, dass Anwender ihre eigenen Prüfprogramme anpassen können. Zudem lässt sich die Lösung leicht umrüsten - z.B. für den Test von E-Boostern für künftige Brennstoffzellen. (Bild: Mitsubishi Electric Europe B.V. / Sienk)

Der Prüfstand für den Funktionstest von Abgasturboladern ist so offen konzipiert, dass Anwender ihre eigenen Prüfprogramme anpassen können. Zudem läst sich die Lösung leicht umrüsten – z.B. für den Test von E-Boostern für künftige Brennstoffzellen. (Bild: Mitsubishi Electric Europe B.V. / Sienk)

Was ist besser als Hubraum? Noch mehr Hubraum. Was in Zeiten der guten alten Saugmotoren als Aussage durchaus seine Berechtigung hatte, gilt spätestens mit der Serienverfügbarkeit von Turboladern nicht mehr zwingend. Und gerade das weite Feld der Nicht-Fachleute reibt sich verwundert die Augen, welche Leistung kleine Motoren entfesseln, wenn sie ein Abgasturbolader ordentlich auflädt. Diese drehen dabei übrigens gehörig am Rad, je kleiner, je schneller. Vor allem in Motoren mit geringem Hubraum bringen es die beiden Turbinenräder des Laders durchaus auf 300.000 Umdrehungen/min.

Mit dem neuen Prüfstand halbiert Hahn Automation die Testroutinen von üblicherweise 1min auf 30s. (Bild: Mitsubishi Electric Europe B.V. / Sienk)

Mit dem neuen Prüfstand halbiert Hahn Automation die Testroutinen von üblicherweise 1min auf 30s. (Bild: Mitsubishi Electric Europe B.V. / Sienk)

Drei Roboter für die Turbolader

Diese kaum vorstellbare Drehzahl lässt sich nur dann auf Langstrecke durchhalten, wenn die Fertigungstoleranzen aller Bauteile gegen Null gehen. Für die Überwachung hat Hahn einen Prüfstand entwickelt, der die bis dato üblichen Testroutinen von 1min auf 30s halbiert. Drei Melfa-Roboter von Mitsubishi Electric übernehmen im Prüfstand das vollautomatische Handling der Komponenten sowie deren sichere Kontaktierung an den Teststationen mit ihrer aufwendigen Sensorik. Das Ziel des neuen Teststands von Hahn Automation: Prüfung eines komplett montierten Turboladers in puncto Funktion und Leistungsfähigkeit. Dafür sind eine Reihe von Einzelprüfungen notwendig: Drehzahl des Turbinenrades, anliegender Ladedruck in Richtung Motor, Staudruck vor dem Turbinenrad, Temperatur des Laders, Position des Stellantriebs, Schallentwicklung sowie der anliegende Öldruck und Schmiermitteldurchfluss. Im Gegensatz zum späteren Betrieb auf der Straße werden die Turbolader im Prüfstand nicht vom Abgasstrom eines Verbrennungsmotors angetrieben, sondern von kalter Luft. Druck und Volumenstrom sind regelbar, um auf diese Weise variierende Betriebszustände so praxisnah wie möglich abbilden zu können.

Die Melfa-Roboter von Mitsubishi Electric sind überkopf eingebaut. (Bild: Mitsubishi Electric Europe B.V. / Sienk)

Die Melfa-Roboter von Mitsubishi Electric sind überkopf eingebaut. (Bild: Mitsubishi Electric Europe B.V. / Sienk)

Doppelt so schnell testen

Alle 30s verlässt ein auf Herz und Nieren getesteter Turbolader die Anlage. Damit ist Hahn Automation fast doppelt so schnell wie die bis dato bei Automobilzulieferern eingesetzten Prüfstände. „Die Anlage ist auf Abgasturbolader ausgelegt. Sie lässt sich mit Rüstsätzen aber auch umstellen für die Prüfung von E-Boostern, also den Turboladern für Brennstoffzellen“, erklärt Martin Sulzbacher, Projektleiter in der Entwicklung von Hahn Automation. Diese Vielseitigkeit im Einsatz trägt der Entwicklung Rechnung, dass alternative Antriebe mit Wasserstoff als Energiequelle künftig an Bedeutung zunehmen. Die Umrüstungsfähigkeit heutiger Prüfstände schafft also Zukunftssicherheit, später auch E-Booster testen zu können, wenn die Brennstoffzellenantriebe in Großserie gehen. Zentrale Einheiten für das komplette Handling sind Knickarmroboter aus der Melfa-RV-Serie von Mitsubishi Electric. Dahinter stehen dynamische Sechsachskinematiken. Die Einheiten sind in der Baugröße RV-20FM-D1-S15 ausgelegt auf Lasten am Handgelenk bis 20kg. Die Radiusreichweite beträgt rund 1,1m. Drei dieser Sechsachsroboter sind auf engstem Raum in der Prüfzelle überkopf installiert. Bei der Konzeption der Zelle hat der Maschinenbauer auch darauf geachtet, Platz zu sparen. Die komplexen Abläufe sind so verdichtet, dass die gesamte Zelle für den Transport anschlussfertig in einen Überseecontainer passt. „Mal abgesehen von den Logistikvorteilen: Wir haben einfach keinen Platz in der industriellen Produktion. Großzügige Flächen gibt es nicht“, sagt Sulzbacher. Die Praxis sehe so aus, dass sich vor allem End-of-Line-Anlagen wie die Prüfstandtechnik mit dem begnügen müssen, was an Fläche noch zur Verfügung steht.

Platzmangel in der Prüfzelle

Dieser Mangel führt dazu, dass sich Prüfabläufe in der Testzelle aus Platz- und Zeitgründen zwangsläufig stetig überlappen. Die drei Roboter müssen sich also ihren Arbeitsraum teilen und entsprechend kooperativ miteinander umgehen. Der Blick in den Prüfstand macht schnell klar, warum sich die unter der Decke montierten Knickarmroboter von Mitsubishi Electric immer wieder klein machen müssen. Die Kompaktheit setzt sich fort bei den Controller-Einheiten für die Roboter. Sie sind so kompakt, dass Hahn Automation sie übereinander platziert direkt in die äußere Hülle des Prüfstands integrieren konnte. Damit stehen keine Stand-alone-Controller neben der Anwendung mehr im Weg herum.

Alle 30s ein Turbolader

Die Anwendung verfügt über eine Testzeit von 28s. Damit bleiben gerade einmal 2s für das Handling übrig. „Wir haben uns dazu ein geschicktes System überlegt“, merkt der Projektleiter an und spricht im Weiteren von der Zusammenarbeit mit Mitsubishi Electric, „die uns bei der Konzeption der Handling-Abläufe mit ihren Robotern geholfen haben“. Es habe keinen anderen Hersteller gegeben, „der auf so platzsparende Weise in unseren Prüfstand reinpasst“. Für die Montage hat Hahn Automation im Deckenbereich eine Zugangsöffnung definiert, durch die die Roboter hinein- und herausgehoben werden können. Der Bodenbereich ist voll mit Aktorik, Werkstückträgern und Sensorik bestückt, weshalb die drei Roboter nach oben ausweichen mussten.

Digitaler Zwilling für die Inbetriebnahme

Angesichts dieser anspruchsvollen Rahmenbedingungen nutzt Hahn Automation bei der Konzeption von Prüfständen oder anderen Montagezellen ausgiebig die Vorteile der Simulation. Dafür arbeitet die Entwicklung mit der RT ToolBox3, der zentralen Programmierumgebung für alle Roboter von Mitsubishi Electric. Das Engineeringtool sei leicht zu bedienen und führe mit wenigen Parametereingaben schnell zum Ziel. „Damit kann auch ein Projektleiter einen Roboter teachen“, so der Projektleiter mit gewisser Selbstironie. Die mit der Kinematik versehenen Daten aus der 3D-Simulation fließen als digitaler Zwilling bei der Inbetriebnahme direkt in die Robotersteuerung ein. „Die virtuelle Maschine und der reale Roboter sind schon sehr dicht beieinander. Das senkt spürbar die Entwicklungszeit, da vor Ort an der Hardware gearbeiteten werden kann, während woanders das Programm für die Roboter virtuell in Betrieb geht“, fasst Key Account Manager Wolfram Zielke, über drei Jahrzehnte Roboterexperte bei Mitsubishi Electric, die Vorteile zusammen.

Mitsubishi Electric Europe B.V.
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