Kolumne von Michael Lind: Unangenehme Wahrheiten

Kolumne von Michael Lind: Unangenehme Wahrheiten

Die alles dominierenden Themen in diesen Tagen und Wochen sind der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlene Angriffskrieg auf die Ukraine, seine Auswirkungen auf das politische und wirtschaftliche Weltgeschehen sowie die Mittel und Möglichkeiten, diesen Krieg schnellstens zu beenden.

Michael Lind schreibt seit 30 Jahren für und über die nationale und internationale Roboter- und Automatisierungsbranche. Er war knapp zwei Jahrzehnte lang Chefredakteur (später auch Herausgeber) einer Zeitschrift zu diesen Themen. (Bild: Michael Lind)

Der britische Musiker Gordon M. T. Sumner (aka Sting) hat 1985 die sehr persönlich gehaltene Ballade Russians veröffentlicht. Sie thematisiert den Kalten Krieg und die allgegenwärtige Angst vor einer atomaren Auseinandersetzung zwischen den USA auf der einen Seite und der Sowjetunion auf der anderen. Jede Strophe des Liedes endet mit der Textzeile „…the russians love their children, too“.

Es ist wohl unstrittig, dass auch Russ:innen ihre Kinder lieben. Gut fünf Jahre nach Stings Ballade läutete der damalige Kreml-Chef Michail Gorbatschow mit Glasnost und Perestrojka das Ende des Wettrüstens, des Kalten Krieges und zugleich das Ende der UdSSR ein. Das gefiel einigen Hardlinern im sowjetischen Machtapparat überhaupt nicht. Sie putschten im August 1991 gegen den (ihrer Meinung nach) allzu europafreundlichen Präsidenten Gorbatschow. Glücklicherweise scheiterte dieses Vorhaben, doch in den sogenannten GUS-Staaten, den Restrepubliken der einstigen Sowjetunion, war die Saat für einen erstarkenden Nationalismus mit hegemonialem Anspruch gelegt. Gorbatschow musste abdanken, Boris Jelzin übernahm – als Wegbereiter für Wladimir Putin.

Dem ehemaligen KGB-Agenten haben in den letzten 20 Jahren nicht nur Despoten aus aller Welt gehuldigt, sondern auch Parteien, Organisationen und Verbände jedweder Couleur und natürlich Unternehmer aus westlichen Demokratien; getreu dem Prinzip ‚Wandel durch Annäherung‘ beziehungsweise ‚Wandel durch Handel‘. Das gibt es übrigens nicht erst seit Kanzler Willy Brandt, sondern bereits seit der Antike. Seitdem weiß man auch, dass dieses Prinzip nur so lange funktioniert, wie ein Partner den anderen dominieren und in einseitiger Abhängigkeit halten kann.

Wegen dieser Abhängigkeit schaut der vermeintlich schwächere Partner schon mal weg, wenn der Stärkere mit Waffengewalt in andere Länder einfällt, totalitäre Potentaten im Kampf gegen Aufständische unterstützt oder unliebsame Oppositionelle umbringen lässt, so wie es Russland in Afghanistan, Tschetschenien und der Ukraine getan hat, in Syrien, der Türkei und in Mali, in England, Deutschland und den USA. In derartigen Fällen überreicht der schwächere Partner dem anderen eine ‚besonders scharf‘ formulierte Note, um anschließend wieder gemeinsam zur Normalität überzugehen, die da heißt: Geschäft und Gewinnmaximierung. So funktionierte das bis zum 24. Februar, als russische Truppen die Ukraine völkerrechtswidrig überfielen.

Die Sanktionen, welche die EU-Staaten daraufhin gegen Russland beschlossen haben, treffen allerdings nicht nur die dortige Wirtschaft. In Deutschland etwa strebt die Inflationsrate gegen zehn Prozent. Das Statistische Bundesamt hat seine Prognose zum diesjährigen Wirtschaftswachstum von ursprünglich 4,6 Prozent auf aktuell 1,8 Prozent gesenkt. Damit würden dem Haushalt zig Milliarden Euro verlorengehen, die zur Finanzierung wichtiger Projekte in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Bildung, Forschung, Inneres oder Kultur dringend nötig sind. Das Fazit von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck „Wir werden ärmer werden“ ist so unangenehm wie wahr.

Solange Putin oder einer seiner Unterteufel in Russland regiert, werden deutsche Unternehmen fossile Energieträger, Rohstoffe oder Getreide aus anderen Quellen beziehen müssen. Andererseits sind vor allem Maschinen- und Fahrzeugbauer, deren Zulieferer und Chemieunternehmen gezwungen, für ihre Produkte neue Absatzmärkte zu erschließen. Und das alles vor dem Hintergrund ohnehin schon fragiler Lieferketten und permanent steigender Preise…

Auch haben – das weiß ich aus verschiedenen Gesprächen – einige namhafte deutsche Unternehmen die Auswirkungen von Putins Krieg zum Anlass genommen, ihr Engagement in China zu verifizieren. So sagte mir kürzlich der Vertriebsleiter eines Unternehmens aus der Medizintechnik: „Wir werden einen Großteil unserer Produktion von China nach Deutschland und in angrenzende europäische Länder zurückverlagern. Gründe sind zum einen die Erfahrungen aus der noch andauernden Corona-Pandemie mit Produktionsstopps, fehlenden Transportkapazitäten oder daraus resultierenden Lieferengpässen. Zum anderen sind es unkalkulierbare wirtschafts- und geopolitische Entwicklungen in China.“

Zugegeben: Es fällt schwer, einen Krieg als Chance für ein grundlegendes Umdenken und das Begehen neuer Wege zu begreifen. Doch wie sähen die Alternativen aus?

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