Solide Flexibilität

Fertigungsauftrag mit langfristiger Bindung

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Bild:©raumpixel/Oliver Hallwirthl

Fertigungsaufträge für solche Teile werden von den Automobilherstellern oder Tier1-Zulieferern immer dann neu vergeben, wenn eine neue Baukastenplattform die vorherige ablösen soll. Ihre Laufzeiten erstrecken sich typischerweise über neun Jahre. Das rechtfertigt die Investition in auf die Anforderungen des Kunden bzw. des Projektes angepasste Maschinen und Anlagen. Die dem Angebot zugrunde gelegten Fertigungsstrategien und -techniken sowie die Investition in den Maschinenpark bestimmen gemeinsam mit den Kosten der Werkzeuge die Stückkosten der fertigen Teile. Diesen gegenüber stehen die Prozessstabilität und Verfügbarkeit der Produktionsmittel und die langjährige, zuverlässige Einhaltung der Qualitätsvorgaben. Beides gemeinsam entscheidet darüber, wer den Fertigungsauftrag erhält. So war es auch beim Auftrag für Längs- und Querträger für die neue Plattform eines deutschen Automobilherstellers. „Um ihr Risiko zu reduzieren, prüfen unsere Kunden nicht nur die angebotenen Konzepte sehr genau auf Plausibilität, sondern führen auch eine Abnahme der Maschinen und Anlagen durch“, erklärt Hassan Lahchaychi, Gruppenleiter Fertigungstechnologie bei HAI. Der Maschinenbauingenieur mit Spezialisierung auf Qualitätsmanagement hat als Projektmanager vom Lastenheft des Kunden weg den Fertigungsauftrag vorbereitet.

Herausforderung Profilbearbeitung

Innerhalb dieses Auftrags fertigt HAI eine Anzahl unterschiedlicher Träger. Dazu werden die ca. 1.000 bis 2.300mm langen Profilstücke in zahlreichen Bearbeitungsschritten abgelängt, in Form gefräst und mit mehreren, zum Teil komplexen, Bohrungen versehen, gespindelt und entgratet. Je nach Ausführung sind dafür 30 bis 60s Taktzeit vorgesehen. Das entspricht einem Ausstoß von 400 bis 800 Stück pro Schicht. Die Stückzahlprognosen für die einzelnen Ausführungen variieren sehr stark. Deshalb war eine Anforderung an die Maschine oder Anlage die Möglichkeit der Umrüstung auf einen anderen Träger innerhalb von 30min. „Diese Anforderungen waren mit den damals bestehenden Maschinenkonzepten nicht ohne einen extrem hohen Aufwand zu erfüllen“, erinnert sich Lahchaychi. „Ich musste daher einen Hersteller mit der Fähigkeit und Bereitschaft suchen, sowohl bei der Maschine selbst als auch bei der Automatisierungslösung dazu neue Wege zu gehen.“

Nach beendetem Bearbeitungszyklus werden die Werkstücke einzeln robotergeführt mithilfe der flexiblen Bürststation entgratet. (Bild: P. Kemptner)
Nach beendetem Bearbeitungszyklus werden die Werkstücke einzeln robotergeführt mithilfe der flexiblen Bürststation entgratet. (Bild: P. Kemptner)

Hatte er zunächst mehrere Anbieter ins Auge gefasst, konzentrierte er sich bereits nach wenigen Runden auf Fill. Das 1966 gegründete Maschinenbauunternehmen mit Sitz in Gurten, Österreich, ist ein langjähriger Partner der Automobilindustrie. In diesem Industriezweig zählt es zu den führenden Herstellern von Maschinen und Anlagen für die Metallzerspanungstechnik. Auch bei HAI waren bereits einige Fill-Maschinen im Einsatz.

Maschinenkonzept mit Parallelverarbeitung

Im Jahr 2011 stellte Fill mit Syncromill erstmals ein Bearbeitungszentrum für die Bearbeitung von großvolumigen Werkstücken, wie Längsträger, Vorder- und Hinterachsträger, Fahrwerksteile, Fahrzeugstrukturbauteile und Batteriewannen, vor. Mittlerweile ist die Produktfamilie auf zehn verschiedene Typen angewachsen. Die jüngste Entwicklung aus dieser erfolgreichen Serie ist die Syncromill Q42-63/600. Das modular aufgebaute Bearbeitungszentrum wurde speziell für die Zerspanung von länglichen Werkstücken entwickelt, bei denen hohe Produktivität gefordert ist. Die Syncromill Q ist als Einzelmaschine (Q21/Q31) oder als Doppelmaschine (Q42/Q62) verfügbar. In jedem Maschinenraum sind zwei (Q21/Q42) oder drei (Q31/Q62) horizontale Bearbeitungsspindeln angeordnet. Diese bearbeiten parallel die auf vierten Achsen aufgespannten Werkstücke. So kann die Maschine eine Vielzahl unterschiedlicher Bearbeitungen abdecken. Ein seitlich neben jedem Maschinenraum angeordnetes Werkzeugmagazin ermöglicht Span-zu-Span-Zeiten unter 3,9s und bietet eine gute Zugänglichkeit.

„Durch die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Werkstücke bietet die Maschine bei geringem Platzbedarf eine hohe Wirtschaftlichkeit“, erklärt Bernhard Stieglmayr, Projektmanager bei Fill. „Zudem eignet sie sich für die Automatisierung, die bei uns mit der Maschine und dem Prozess aus einer Hand verfügbar ist.“

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