Serviceroboter für die Essensausgabe

Serviceroboter für die Essensausgabe

Kantinenbestellung 4.0

Seit September 2021 stellt der Roboter Semblr für die Belegschaft des Online-Lebensmittelhändlers Ocado frische Reisgerichte zusammen. Dabei handelt es sich um einen Kuka-Roboter, der auf eine digitale Bestellung hin aus 17 möglichen Zutaten wählen und diese zum gewünschten Gericht zusammenfügen kann.

In der Semblr-Lösung sorgt ein KR Aglius von Kuka für gefüllte Schüsseln. (Bild: Kuka Group)

Am 23. September letzten Jahres war es so weit: Der Roboter Semblr nahm in Tim’s Diner seinen Dienst auf. Er bietet jetzt in der Betriebskantine des Online-Lebensmittelhändlers Ocado eine Alternative zu den klassischen Mittagsmenüs. Wer Hunger hat, kann wählen: Wie üblich den Teller von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter an der Theke befüllen lassen? Oder die 2,50m breite und 2m hohe zylindrische Kabine ansteuern, in der ein KR Agilus von Kuka Reisgerichte zusammenstellt und ausgibt?

Die Köpfe hinter Semblr sitzen beim Integrator Karakuri, einem Startup mit derzeit 36 Mitarbeitenden in London. Seit 2019 entwickelt Karakuri roboterbasierte Lösungen für die Lebensmittelindustrie. Auch Ocado hat sich auf Lebensmittel, aber auch Hard- und Software sowie Logistik spezialisiert. So lag es nahe, den ersten Kantinenserviceroboter dem Ocado-Hauptsitz mit 4.000 Mitarbeitenden zur Verfügung zu stellen.

Hygienische Essensausgabe

Aufgrund der kühl- und aufheizbaren Servierkammern des Semblr haben alle Zutaten die ideale Temperatur zwischen 3 und 80°C. Eine Person bleibt während der Servicezeiten von derzeit 12 bis 14 Uhr vor Ort und kontrolliert die Ausgabe. Das Besondere am Zubereitungsprozess: Die Gäste treffen ihre Auswahl vorab und erhalten mit 17 angebotenen Zutaten 2.700 Kombinationsmöglichkeiten. Sie wählen die Zutaten und deren Menge über eine App und bestellen so ihr individuelles Reisgericht vor. Weil der Semblr jedes Essen in vereinbartem Umfang zum vereinbarten Zeitpunkt liefert und auch der Zahlungsvorgang digital läuft, ergibt sich ein für Großbritanniens Kantinen ungewöhnliches Bild: keine Menschenschlange weit und breit. „Dass weniger Interaktion mit anderen ein Vorteil ist, mag unsozial klingen“, räumt Liam Rogers, Marketing and Communications Manager von Karakuri, ein, „aber die Welt hat sich in den letzten eineinhalb Jahren durch Covid-19 einfach verändert.“ Auf dem Weg zur Mahlzeit nur noch einer Person zu begegnen – dem Mitarbeiter, der den Semblr überwacht und den Gästen assistiert, wo nötig – reduziert das Infektionsrisiko.

17 Zutaten, 2.700 Kombinationen, bis zu 110 Mahlzeiten pro Stunde: Der Kantinenroboter Semblr versorgt die Ocado-Mitarbeiter mit individualisierbaren Reisgerichten.(Bild: Kuka Group)

Intelligentes Spendersystem

Der Roboter nimmt sich nach der digitalen Bestellung, kurz vor dem anvisierten Abholzeitpunkt, eine Schüssel. Mit dieser steuert er nacheinander jene Servierkammer an, die die gewünschten Zutaten enthält. Ein von Karakuri entwickeltes intelligentes, hygienisches Spendersystem sorgt dafür, dass alles in der bestellten Menge in der Schüssel landet. In gleichmäßigen Bewegungen, ohne Kleckern, geben die Spender von oben Reis, Huhn, Rind, Tofu und/oder Gemüse nach Wahl aus. Dazu kommt Sauce, zuletzt Toppings wie Kräuter oder Nüsse. Das fertige Schüsselchen sowie ein Beleg, der die Mahlzeit klar einem Besteller zuordnet, sind nun abholbereit. Küchen- und Kantinenteams entlasten, das Hygienemanagement erleichtern, eine hohe Qualität und Individualisierbarkeit von Speisen – das stand im Zentrum der Semblr-Entwicklung. Joe Muller, Product Development Manager bei Karakuri, verrät Details aus der zweijährigen Entwicklungsarbeit: „Die Roboterarme, die wir vorher ausprobierten, erreichten einfach nicht die Geschwindigkeit, die wir brauchten. Als wir zu Kuka Kontakt aufnahmen, unterstützte uns das Team bei der Auswahl. Es war elementar wichtig für uns, einen flexiblen und platzsparenden Roboter zu haben, der dennoch viel Reichweite mitbringt.“ Denn um in bestehenden Betriebskantinen Platz zu finden, kam nur eine kleine Kabine infrage. Dennoch musste der Roboterarm eine hohe Reichweite haben, um möglichst viele um ihn herum platzierte Servierkammern zu erreichen. Der sechsachsige Roboter mit geringem Platzbedarf erwies sich als den Herausforderungen gewachsen. Er zeichnet sich durch eine Reichweite bis 900mm, Schnelligkeit und Präzision aus.

Robuste Lösung

Sobald der passende Roboter gefunden war, ging es an das Design der Maschine drum herum. Dazu brauchte es keine zusätzliche Softwarelösung, wohl aber Zubehör wie Greifarm, Fülltrichter und Schüsseln, die leicht zu reinigen sind. Zuerst entstand ein Prototyp namens DK-One, der ab Anfang 2020 Frühstücksangebote machen sollte. Dann kam die Pandemie und das Karakuri-Team disponierte um. Semblr ist die Weiterentwicklung, die warme und kalte Mahlzeiten sowie sechs unterschiedliche Menülinien, z.B. unterschiedliche Länderküchen, zubereiten kann.

Der Semblr in Aktion sieht elegant und makellos aus, doch der Weg hin zu diesem Ergebnis war teilweise holprig, räumt das Karakuri-Team ein. „Essen ist ein sehr schwierig zu verarbeitender Rohstoff“, meint Liam Rogers, „es ist mal klebrig, mal flüssig, mal klumpt es. Und weil Küchen meist nicht sehr automatisiert sind und unterschiedliche Köche am Herd stehen, bekommt man jeden Tag etwas anders vorbereitete Zutaten. Daher brauchten wir eine sehr robuste Lösung für unser Spendersystem.“ Aktuell kann Semblr mit 56 Zutaten umgehen, künftig sollen es noch mehr werden. Er wird im Betrieb weiterhin angepasst, informiert Muller. „Momentan ist die Geschwindigkeit gedrosselt auf maximal 30 Schüsseln pro Stunde. Wir möchten das System einem Stresstest unterziehen und erhöhen langsam die Geschwindigkeit.“ Maximal, schätzt er, sind bis zu 110 Mahlzeiten pro Stunde realistisch, „doch das hängt von der Komplexität der Rezepte und der Menge der Zutaten ab.“

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