Mobile Roboter in der Lebensmittelfertigung

Backzutatenproduktion mit AGVs

Die Gläserne Manufaktur von Stamag in Wien ermöglicht eine hygienische Zusammenstellung der Backmischungen nach rund 400 Rezepturen. Das Rückgrat der Produktionsstätte bilden fahrerlose Transportsysteme von DS Automotion. Ein frei navigierendes System mit modellprädiktiver Routenberechnung in der Produktion sorgt für hohe Flexibilität und Prozesssicherheit, ein weiteres für die rasche Verfügbarkeit frisch gereinigter Chargenbehälter.
In der Produktion bringen drei mobile Roboter die Chargenbehälter zu den Dosierstationen und zur Mischstation.
In der Produktion bringen drei mobile Roboter die Chargenbehälter zu den Dosierstationen und zur Mischstation.Bild: DS Automotion/Nik Fleischmann

Stamag beliefert zahlreiche mitteleuropäische Brauereien mit Malz und erzeugt verschiedene Malzderivate. Mit der Erfindung des diastatischen Malzextraktes Diamalt zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelang die Schaffung eines weltweit für die Weißbrotherstellung verwendeten Backmittels und somit der Einstieg ins Backzutatengeschäft. Ihm folgten Quellmehle und Teigsäuerungsmittel, die bis heute zu den Trägerprodukten des Produktportfolios zählen. In Summe stellt das Unternehmen rund 800 verschiedene Produkte für Back- und Konditoreibetriebe her, aber auch für Gastronomie und Gemeinschaftsverpflegung.

Die im Jahr 2023 eröffnete Gläserne Backzutatenmanufaktur ist für eine besonders flexible Herstellung von Backzutaten ausgelegt. Diese mischt Stamag nach rund 400 Rezepturen aus vorwiegend trockenen und rieselfähigen Zutaten. Nicht zuletzt wegen einer breiten und dynamisch wachsenden Palette an glutenfreien Trendprodukten erfolgt die Produktion nicht auf fix installierten Mischstraßen im Batch-Verfahren, das während des Prozesses wenig Flexibilität bietet.

Auf Ebene 2 werden die Container ebenfalls von kundenspezifischen mobilen Robotern transportiert und zu den Entleerungsplätzen gebracht.
Auf Ebene 2 werden die Container ebenfalls von kundenspezifischen mobilen Robotern transportiert und zu den Entleerungsplätzen gebracht.Bild: DS Automotion/Nik Fleischmann

Flexibilität und Hygiene

Beim bayerischen Mutterunternehmen Ireks ermöglicht bereits seit 1998 ein fahrerloses Transportsystem (FTS) von DS Automotion flexible Prozesse für die Backzutatenherstellung. Dessen mobile Roboter befördern die Behälter in der jeweils korrekten Reihenfolge zu mehr als 220 Entnahmestellen, wo die Zutaten per Schwerkraft direkt aus den Silos in die Behälter gelangen und anschließend weiter zur Mischstation. So erfolgt die gesamte Herstellung jeder Produktcharge von der Dosierung der einzelnen Komponenten über das Mischen bis zur Abgabe an die Absackanlage innerhalb eines Behälters.

„Mit diesem System lassen sich neue oder veränderte Rezepturen rasch und einfach durch Programmieren einer neuen Route umsetzen“, sagt Gerhard Gregor Podertschnig, Leitung Backzutatenfertigung bei Stamag. „Außerdem erfolgt die Routenplanung automatisiert auf Basis der Auftragsdaten aus dem MES-System und unter Berücksichtigung der unterschiedlich langen Beladedauer der einzelnen Zutaten.“ Es war daher naheliegend, beim Bau der Wiener Manufaktur auf ein ähnliches System zu setzen. „Auch wenn das Grundprinzip übernommen wurde, ist die Anlage in Wien keine Kopie“, erklärt Podertschnig. „Im Zuge des Neubaus entstand ein komplexes System.“ Bei diesem greifen mehrere Teilsysteme ineinander. Über drei Stockwerke erstreckt sich das Hochregallager für bis zu 130 Chargencontainer aus Edelstahl mit je 1,5t Fassungsvermögen. Auf der Ebene 0 erfolgen das Dosieren und Mischen der Zutaten. Auf Ebene 2 werden die Behälter entleert und gründlich gereinigt, bevor sie erneut in das Hochregallager gelangen.

Navigation in der Produktion

Die leeren Behälter aus dem Hochregallager werden auf Ebene 0 über mehrere Kettenförderer an drei fahrerlose Einheiten übergeben. Dazu kommuniziert der Flottenmanager Navios per OPC UA mit der Förderanlage. Eingesetzt werden aufgabenspezifisch entwickelte mobile Roboter von DS Automotion mit einem höhenverstellbaren Rollenförderer, einer digitalen Wiegezelle und einem Mechanismus für das Öffnen und Schließen des Containerdeckels. Sie fahren frei navigierend mittels Koppelnavigation mit Magnetpunkten die Entnahmestellen an der Decke an. Dort nehmen sie den Deckel des Behälters ab und heben diesen an, sodass er am Entnahmepunkt staubdicht andockt. Der Flottenmanager meldet an den Steuerungsrechner die Bereitschaft zum Dosieren und das Erreichen des erwarteten Komponentengewichtes. Die Fahrzeuge sind mit einer eigenen Visualisierung samt Anzeige der integrierten Verwiegung ausgerüstet und am Leitstand erfolgt in einem grafischen Systemlayout eine Anzeige der tatsächlichen Fahrzeugpositionen und -zustände in Echtzeit. Diese Visualisierung ist web-basiert aufgebaut und kann daher auch auf anderen Rechnern oder Handgeräten angezeigt werden.

Ihr Differenzialantrieb ermöglicht den mobilen Robotern, auf der Stelle zu drehen und sich wie der Turm auf einem Schachbrett zu bewegen. Die Aufladung ihrer Dünnplatten-Reinblei-Batterien erfolgt beim Verweilen an den Handdosierpositionen mittels seitlich angebrachter Kontakte. Anhand der Auftragsdaten aus dem MES-System und bekannter Parameter wie dem mit 5 bis 40 Minuten stark unterschiedlichen Zeitbedarf für die einzelnen Dosiervorgänge und deren Reihenfolge errechnet Navios ein Modell der zukünftigen Fahrzeugpositionen. „Aufgrund häufiger Anpassungen der Rezepturen muss dieses Modell und damit die Routenplanung ständig aktualisiert werden“, betont Vladimir Segal, tätig im technischen Vertrieb bei DS Automotion. „So lassen sich Staus vermeiden oder umfahren und die Roboter lassen sich bei ungeplanter Belegung eines Dosierpunktes zu einem anderen umleiten.“ Abschließend übergeben die mobilen Einheiten die gefüllten Behälter an eine von zwei Mischstationen, von wo sie durch ortsfest installierte Förderanlagen zur Absackanlage gelangen.

Behälterreinigung auf Ebene 2

Anschließend bringt das Regalbediengerät des Hochregallagers die Chargenbehälter zur Ebene 2, wo sie von mobilen Robotern abgeholt werden. Sie unterfahren dabei die Behälter, heben sie an und bringen sie zu einem von vier Entleerungsplätzen. Nach der Entleerung der Restmengen erfolgt der Transport zur Trockenreinigung und abschließend zurück zum Hochregallager. Die ebenfalls kundenspezifischen Fahrzeuge unterscheiden sich von denen auf Ebene 0. Sie sind mit einem Dreipunkt-Fahrwerk und mit einem Hubtisch zum direkten Unterfahren der Container ausgeführt. Sie haben eine Tragfähigkeit von 2.500kg und befördern sowohl leere als auch volle Container. Wie die Fahrzeuge auf Ebene 0 sind auch sie mit TPPL-Batterien ausgestattet, die in Pausen über Kontakte nachgeladen werden. Die Inhalte der direkt am Fahrzeug angebrachten Visualisierung lassen sich auch auf das Terminal oder ein Smartphone übertragen.

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