Technologiepartnerschaft von Siemens und Comau
Der druckende Roboter
In einigen Fällen kann es sehr vorteilhaft sein, einen Roboter nicht über den klassischen Controller, sondern direkt aus einer CNC anzusteuern. Weil ein sehr vielversprechender Anwendungsbereich für diese Kombination die additive Fertigung ist, arbeitet Siemens hier mit dem Roboteranbieter Comau eng zusammen. Welche Möglichkeiten für Maschinen- und Anlagenbauer aus dieser Technologiepartnerschaft resultieren, zeigt ein Demonstrator im 3D-Druck-Showroom am Siemens-Standort Erlangen. ROBOTIK UND PRODUKTION hat die Anlage bei einem Besuch vor Ort in Augenschein genommen.
Das interaktive Additive Manufacturing Experience Center (AMEC) von Siemens ist eine Mischung aus Kunden- und Applikationszentrum, Entwicklungslabor sowie Showroom. Mit dem Kompetenz-Center für 3D-Druck will der Konzern sein passendes Portfolio entlang des gesamten Wertschöpfungsprozesses präsentieren. Zudem wird ein Überblick über die verschiedenen industriellen 3D-Druck-Technologien geliefert und der Bogen zwischen Engineering und Produktion gespannt, also zwischen dem digitalen Zwilling und der echten Maschine. Das AMEC wurde 2018 am Standort Erlangen ins Lebens gerufen. „Seitdem haben wir viel Aufklärungsarbeit geleistet“, erzählt Markus Obermeier, Business Development Manager bei Siemens. „Wir zeigen, was im 3D-Druck bereits möglich ist.“ So will man Integratoren und Maschinenbauer unterstützen, die moderne Technik voll auszuschöpfen. Kein Wunder, dass man im AMEC auch am Thema Robotik nicht vorbei kommt. Mit einem eindrucksvollen System des Anlagenbauers Cead können live vor Ort große Kunststoffteile gedruckt werden – auf Basis einer Roboterkinematik aus dem Hause Comau, die direkt in eine CNC integriert ist.
Anwendungen im Highend-Bereich
„Comau-Roboterarme kommen schon recht häufig mit Sinumerik-Steuerungen zum Einsatz“, sagt Obermeier. Anwendungsbereiche gebe es viele, „vor allem in Highend-Branchen wie der Luft- und Raumfahrt.“ Der Demonstrator am AMEC greift ein Prozessbeispiel aus dem Rennsport auf, genauer gesagt aus dem Formenbau für CFK-Komponenten. „Mit klassischen Methoden ist dieser Prozess, wie in vielen anderen Bereichen auch, sehr teuer“, erklärt der Siemens-Manager. Der 3D-Druck biete hier als recht neue Technologie eine deutlich wirtschaftlichere und flexiblere Alternative. „Eine gedruckte Werkzeugform aus Kunststoff lässt sich bereits im niedrigen fünfstelligen Bereich realisieren“, verdeutlicht Obermeier die Kostenseite. „Bei einer klassischen Metallform, die man aus dem Vollen fräst, wird es hingegen sicherlich sechsstellig.“ Natürlich müssen die gedruckten Formen abschließend noch feinbearbeitet werden. „Wir drucken mit der Cead-Anlage im AMEC z.B. ein knapp 2m hohes Bauteil aus Polypropylen in rund acht Stunden“, so Obermeier. Inklusive Umrüsten und Nacharbeit sei eine solche Form in nur zwei Arbeitstagen fertig. „Im Rennsport sind die Vorteile des 3D-Drucks natürlich sehr willkommen.“ Zum einen, weil durch die kurze Fertigungsdauer wenig Entwicklungszeit verschenkt wird. „Zum anderen hat man nicht ganz so viel Geld verbrannt, wenn das neue Bauteil doch nicht die Erwartungen erfüllt.“ Wie günstig die Rechnung wirklich wird, kommt in der Praxis auch auf den Werkstoff an. Der Demonstrator kann granulare Kunststoff-Pellets verarbeiten und braucht kein spezielles Filament – was sich positiv auf die Kosten auswirkt. Die fertigen Bauteile lassen sich zudem komplett recyclen und das Material so erneut für den 3D-Druck verwenden.
Geeignet für große Teile
Die Ausbringungsmenge der 3D-Druck-Roboterzelle im AMEC liegt bei bis zu 15kg pro Stunde. Die Plattform für die gedruckten Teile misst rund 1,5×2,2m. Dass der Roboter erhöht auf einem 1m-Sockel platziert ist, macht doppelt Sinn: „Einerseits lassen sich sehr hohe Teile drucken, andererseits wird dadurch auch die Länge des Extruders ausgeglichen“, so Obermeier weiter. „Vom Roboterflansch bis zur Extruderspitze verliert man wieder einen halben Meter an Höhe.“ Die Cead-Zelle ist modular aufgebaut und lässt sich um weitere Funktionen erweitern. Der Grundaufbau besteht aus Sockel, Drucktisch und Extruder sowie etwas Peripherie. Dazu kommen die Kinematik von Comau und der Schaltschrank samt CNC-Steuerung von Siemens. Im Vergleich zu klassischen Gantry-Anlagen ist die Roboterlösung sehr schlank. Zudem lässt sich der eh schon groß dimensionierte Bauraum bei Bedarf noch deutlich erweitern, z.B. indem die Kinematik auf einer Linearachse positioniert wird. Auch mehrere Roboter, die ein Bauteil gemeinsam drucken, sind bei dieser Umsetzung denkbar.