Jeroen Buring, Dassault Systèmes, und Maximilian Kröper, Ecosphere Automation, im Interview

„Wir wollen flexible Standardlösungen entwickeln“

Anknüpfend an das Interview mit dem Startup Sewts und Michael Mayr von Dassault Systèmes (erschienen in ROBOTIK UND PRODUKTION 2/2022) haben wir uns eine weitere Partnerfirma des Technologieunternehmens angesehen. Im Interview mit Jeroen Buring, Sales Director Customer Role Experience bei Dassault Systèmes, und Maximilian Kröper, Entwicklungsingenieur und Mitbegründer von Ecosphere Automation, ergründen wir, welche Automatisierungslösungen das junge Unternehmen entwickelt und welche Software dabei die Konstruktion der Roboterlösungen unterstützt.
Ecosphere Automation entwickelt maßgeschneiderte Roboterlösungen für Unternehmen vom 20-Mann-Betrieb bis zum großen Automobilzulieferer.
Ecosphere Automation entwickelt maßgeschneiderte Roboterlösungen für Unternehmen vom 20-Mann-Betrieb bis zum großen Automobilzulieferer.Bild: Ecosphere Automation GmbH

Herr Kröper, auf der Unternehmens-Website bieten Sie neben vollständigen Lösungen mit Robotern bzw. Cobots auch verschiedene Serviceangebote, wie Engineering- oder Robot-as-a-Service-Leistungen an. Was ist das Kerngeschäft von Ecosphere Automation und welche Branchen adressieren Sie?

Maximilian Kröper, Ecosphere Automation: Unser Kerngeschäft sind ganz klar die fertigen Lösungen. Die Firmen wenden sich an uns, weil sie keine menschlichen Fach- und auch Arbeitskräfte mehr finden. Das Geschäftsmodell der Robot-as-a-Service-Leistungen rentiert sich bisher noch nicht für den Kunden. Dafür braucht man Standardlösungen, wie z.B. standardisierte Palettierlösungen. Unsere Sonderlösungen sind zu speziell, um sie als As-a-Service-Lösungen anzubieten. Die Engineering-Services, die wir anbieten, machen auch eher einen kleinen Teil unseres Geschäfts aus. In der Hauptsache kommen Firmen auf uns zu, um eine spezielle Lösung für einen speziellen Prozess zu erhalten.

Ursprünglich wollten wir mit unserer Firma in erster Linie KMU bei der Automatisierung unterstützen. Allerdings gehörten dann zu unseren ersten Kunden vermehrt Großkonzerne aus der Automobilzulieferung. Wir versorgen mittlerweile alle Unternehmen und Branchen vom 20-Mann-Betrieb bis zum riesigen Automobilzulieferer mit unseren Roboterlösungen.

Welche Ihrer Cobot bzw. Roboter-Lösungen sind schon im Markt angekommen? Können Sie unseren Lesern außerdem ein paar Anwendungsbeispiele nennen?

Kröper: Ein Beispiel wäre eine Anwendung, die wir bei einem Automobilzulieferer implementiert haben. Hier werden unter anderem Teile in eine Presse eingelegt und dann an die nächste Presse übergeben. Bei einem anderen Beispiel haben wir bei einem unserer Kunden ein fahrerloses Transportsystem implementiert, auf dem ein Roboterarm sitzt, der Werkstücke von der einen Maschine aufnimmt, sie auf dem FTS speichert und dann zur nächsten Maschine fährt, wo er die Teile wieder aufsetzt.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir vermehrt Cobots einsetzen, aber nicht in erster Linie, weil sie kollaborierend sind, sondern weil sie wenig Gewicht haben. Da muss der Unterbau bzw. das Grundgestell nicht so massiv sein. Außerdem sind sie leicht zu bedienen. Das ist der eigentliche Hauptgrund, um kollaborierende Roboter einzusetzen. Allerdings haben wir bisher ausschließlich koexistente Roboterlösungen entwickelt. Eine echte Mensch/Roboter-Kollaboration kam bei uns bisher nicht vor. Die von uns eingesetzten Cobots verlangsamen sich immer, wenn der Mensch in ihre Nähe kommt.

Dazu möchte ich außerdem anmerken, dass unsere Automatisierungslösungen noch nie einen menschlichen Mitarbeiter ersetzt haben. Heutzutage müssen wir die wenigen Arbeitskräfte, die noch auf dem Markt zu bekommen sind, sinnvoll einsetzen. Von der dunklen, komplett mannlosen Fabrik sind wir noch sehr weit entfernt.

Welche Rolle spielte Ecospheres Beteiligung an dem großen Sina-Projekt zusammen mit Effimat, Mobile Industrial Robots, Piab, Robominds, Roeq, Sick und Universal Robots? Können Sie uns mehr über das Projekt und den Nutzen, den Sie aus dieser Zusammenarbeit ziehen, erzählen?

Kröper: Sina war ein Projekt ohne Kundenauftrag. Die Idee dahinter war, die Intralogistik weiter zu automatisieren. Der Effimat-Speicherturm für KLT kann anders als ein Paternoster, der nur einzelne Lagen herausgeben kann, z.B. oben, unten, in der Mitte oder rechts daneben je eine Kiste ausgeben. So ist er flexibler und schneller als andere Speicherlösungen. Der Speicherturm gibt also die Kisten aus. Im Anschluss kommissioniert ein Leichtbauroboter, ausgestattet mit Robominds-Kamerasystem, die Teile zusammen in eine Kiste und transportiert sie automatisiert per fahrerlosem Transportsystem an den Werker, der die Teile verbaut.

Wir haben als Systemintegrator aus all diesen Einzelsystemen eine funktionale Lösung gemacht. Die ursprüngliche Idee zu der Anwendung hatte die Firma Robominds, die dann an uns herangetreten ist. Das System existiert derzeit nur als reiner Demonstrator, ein tatsächliches Projekt ist bisher noch nicht zustandegekommen. Das Interesse an dem Projekt ist allerdings groß und natürlich hat diese Kooperation unseren Namen bekannter gemacht.

Unsere Automatisierungslösungen haben noch nie einen 
menschlichen Mitarbeiter ersetzt.
Maximilian Kröper, Ecosphere Automation
Maximilian Kröper, Ecosphere AutomationBild: Ecosphere Automation GmbH

„Unsere Automatisierungslösungen haben noch nie einen menschlichen Mitarbeiter ersetzt.“

Maximilian Kröper, Ecosphere Automation

Wie kam die Zusammenarbeit mit Dassault Systèmes zustande und welche Bedeutung hat sie für Ecosphere Automation? Mit welcher Software-Plattform von Dassault Systèmes arbeitet Ecosphere z.B.?

Kröper: Wir sind nicht Teil des Startup-Programms von Dassault Systèmes. Wir sehen uns auch nicht als klassisches Startup, da wir als junges Unternehmen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt profitabel waren. Die Zusammenarbeit mit Dassault Systèmes kam viel mehr folgendermaßen zustande: Wir brauchten zunächst einmal eine Konstruktionssoftware und kamen so auf SolidWorks, schlicht und einfach weil alle drei Gründer von Ecosphere Automation dieses Programm bedienen konnten. Dann haben wir SolidWorks zwei Jahre lang genutzt. Als noch ein paar Konstrukteure zum Team hinzukamen, brauchten wir ein neues System, um alle Vorgänge überblicken zu können. So kamen wir schließlich auf die 3D-Experience-Plattform und die enge Zusammenarbeit mit Dassault Systèmes begann.

Jeroen Buring, Dassault Systèmes: Die Intention von Ecosphere Automation und unserer 3D-Experience-Plattform ist sehr ähnlich: Wir wollen Automatisierung für den Mittelstand simpel und einfach verfügbar machen.

Die Intention von Ecosphere 
Automation und unserer 
3D-Experience-Plattform lautet: 
Wir wollen Automatisierung simpel 
und einfach verfügbar machen.
Jeroen Buring, Dassault Systèmes
Jeroen Buring, Dassault Systèmes Bild: Dassault Systemes Deutschland GmbH

Die Intention von Ecosphere Automation und unserer 3D-Experience-Plattform lautet: Wir wollen Automatisierung simpel und einfach verfügbar machen.

Jeroen Buring, Dassault Systèmes

Kröper: Ein großer Vorteil der 3D-Experience-Plattform ist für uns die absolute Durchgängigkeit. Man muss nicht vom einen System ins nächste springen, sondern hat in einer Plattform alles enthalten. Ein weiterer Vorteil ist die Skalierbarkeit.

Buring: Die Plattform bietet auch eine sehr hohe Flexibilität. Man kann beliebig Module hinzunehmen und wieder abschalten, wie man es gerade braucht. Anwender können mühelos nach oben skalieren oder auch wieder nach unten. Außerdem bieten wir zahlreiche Schnittstellen zu anderen Systemen.

Kröper: Neben den Modulen, die wir von Anfang an verwenden, testen wir jetzt als neustes Modul gerade den Robot Programmer. Hier gilt es noch herauszufinden, ob unsere Konstruktion zu diesem Tool passt. Denn wir wollen es in erster Linie nicht für die tatsächliche Roboterprogrammierung nutzen, sondern für die Simulation in der mechanischen Konstruktion. Für uns ist es sehr vorteilhaft, dort schon einmal zu überprüfen, ob die Bahnplanung überhaupt so funktioniert, wie gedacht.

Gibt es ein festgelegtes Partnerspektrum an Roboter- und Roboterkomponentenherstellern oder sind Sie da ganz flexibel in der Zusammenarbeit?

Kröper: Unsere Flexibilität ist nur in Bezug auf einen einzigen Partner eingeschränkt, das ist Universal Robots. Als Certified System Integrator ist man hier eine besonders enge Beziehung eingegangen. Ansonsten sind wir in der Wahl unserer Partner frei und setzen das ein, was für unseren Kunden am besten passt. Im Bereich Greifer arbeiten wir z.B. mit Schunk, Gimatic und OnRobot zusammen. Hier spielt natürlich auch die Lieferbarkeit und die Funktionalität eine Rolle. Das große Plus der Leichtbauroboter von Universal Robots ist für uns ganz klar die einfache Bedienbarkeit. Das unterscheidet sie von den anderen Herstellern am Markt.

Viele kleinere Unternehmen, die an uns herantreten, haben noch keine klare Vorstellung davon, welche Komponenten sie einsetzen wollen und kennen auch die entsprechenden Hersteller nicht. Da ist es unsere Aufgabe, die passenden Komponenten zu einer funktionierenden Applikation zusammenzustellen, denn unsere Kunden wollen fertige, zertifizierte Lösungen. Wir sind auch immer wieder mit Vorurteilen seitens KMU konfrontiert, wie z.B. Roboter zu programmieren ist sehr komplex oder Robotersysteme sind unbezahlbar teuer. Da müssen wir häufig Aufklärungsarbeit leisten. Auch kommen diese Kunden oft mit sehr komplexen Anwendungen zu uns und nur selten gelingt es uns, sie umzustimmen, damit sie mit einer simpleren Anwendung beginnen. Aber haben wir ein Robotersystem einmal implementiert, kommen die Kunden meist von ganz allein auf viele weitere Ideen, wo noch weitere Roboter eingesetzt werden können.

Vor Kurzem hat Ecosphere Automation das neue Experience Center eingeweiht. Was wird hier präsentiert? Welche Zielgruppe wollen Sie damit erreichen?

Kröper: In unserem neuen Experience Center wollen wir unsere zertifizierten Standardlösungen präsentieren und auch die Produkte unserer Partner. Dort sind auch noch Teile des Sina-Projektes zu besichtigen. Außerdem bieten wir unseren Kunden hier natürlich die Möglichkeit, die Anwendung, für die sich der Kunde interessiert, erst einmal zu testen. Sie können ihre eigenen Teile mitbringen und sich selbst ein Bild davon machen, ob alle ausgewählten Komponenten tatsächlich reibungslos zusammenarbeiten. Hier haben wir auch den nötigen Platz für diese Aufbauten. Außerdem haben wir mit dem Experience Center einen repräsentativen Ort geschaffen, wo wir nicht nur unsere Kunden, sondern auch unsere Partner empfangen können.

Eine weitere Funktion des Centers sollen Schulungen sein. Neben dem Schulungsportfolio von Universal Robots wollen wir hier Seminare mit Praxisbezug anbieten. Wir glauben auch, dass Schulungen vor Ort, wo man das Zusammenspiel der Komponenten in der Realität sieht und auch mal Hand anlegen kann, immer wichtig bleiben und Online-Schulungen bei Weitem überlegen sind.

Abschließend interessiert unsere Leser natürlich noch, welche Projekte Sie für die Zukunft noch in der Pipeline haben? Wie wollen Sie Ihr Unternehmenskonzept weiterentwickeln?

Kröper: Unsere nächste Aufgabe ist es, unser Geschäftsmodell zu stabilisieren. Denn wir wollen gesund wachsen. Außerdem wollen wir uns zum digitalen Integrator entwickeln und unsere Wissensplattform ausbauen. Wir brauchen mehr Firmen in Deutschland, die automatisieren. Das ist unseres Erachtens nach der einzige Weg, um Deutschland als Produktionsstandort zu erhalten und nach vorne zu bringen. Neben unserer Wissensplattform wollen wir auch eine Beschaffungsplattform aufbauen, die Ecosphere Solutions. Dort können sich unsere Kunden nicht nur Automatisierungswissen aneignen, sondern auch fertige Lösungen erstellen und erwerben.

Unser Ziel ist es, flexible Standardlösungen zu entwickeln. Das heißt, wir wollen erst einmal Standardlösungen in der
Technologie schaffen, um dann flexibel in der Dimension zu sein. Für die Zukunft könnten wir uns durchaus auch ein Franchise-Geschäftsmodell vorstellen. Eine Idee wäre z.B., dass man jungen Gründern im Tech-Bereich einen Baukasten an die Hand gibt, mit dem sie dann deutschland- oder europa- oder weltweit agieren können.

Dassault Systemes Deutschland GmbH

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