Gastkommentar ROBOTIK UND PRODUKTION 3/2021
Endlich alles gut?
Die Anbietermärkte in der mobilen Robotik explodieren. Das Angebot an fahrerlosen Transportsystemen (FTS) und mobilen Robotern (MR) wächst täglich, die Lösungen werden intelligenter und es entstehen vielfältige Vertriebswege. Alles genauso, wie wir uns das bereits in der ersten FTS-Fibel (2010) gewünscht haben. Also ist doch alles gut, oder?
Es ist geradezu herausfordernd, alle Veränderungen in den Märkten zu verfolgen: Innerhalb von wenigen Jahren ist die Anzahl der Anbieter von FTS und MR in Europa von ca. 50 auf heute fast 250 gestiegen. Der technologische Anspruch steigt, die Zahl der Produktbezeichnungen wächst, viele Hersteller bezeichnen ihre Produkte als autonom. Die VDA5050 schickt sich an, den bisher üblichen Lieferumfang von Leitsteuerung samt den Fahrzeugen aufzubrechen: Die Leitsteuerung kann separat realisiert werden und die Fahrzeuge können von unterschiedlichen Lieferanten zugekauft werden.
Dabei internationalisiert sich das ganze Geschäft: Die Fahrzeuge kommen aus Europa, aus Amerika oder Asien und brauchen noch nicht einmal gekauft zu werden: Es gibt mittlerweile verschiedenste Nutzungs-, Bezahl- und Leasing-Angebote. Für das Inbetriebnehmen finden sich eigene Unternehmen, die sich genau darauf spezialisiert haben.
Für den Kunden bedeutet das vielfältige Möglichkeiten der Annäherung an diese Zukunftstechnologie. Er findet Partner, mit denen er gut geplante Gesamtlösungen realisieren, aber auch Angebote, mit denen er schnell und einfach die ersten Schritte in Richtung Industrie 4.0 gehen kann. Für die Hersteller öffnet sich neben dem Systemgeschäft das Produktgeschäft. Damit sind wir heute dort angekommen, wo wir vor zehn bis 15 Jahren hinwollten. Die Branche hat erreicht, dass man FTS und mobile Roboter kennt und an den Nutzen glaubt.
Wo liegt also das Problem? Nun, mit den wachsenden Möglichkeiten wird es für den Kunden anspruchsvoller. Wie findet er für seinen Use Case die richtige Lösung? Das Angebot ist riesig und die Lieferumfänge und das Leistungsvermögen der Anbieter sind sehr unterschiedlich. Kauft der Kunde eine Lösung für seine Transportaufgabe oder lediglich Komponenten einer Lösung (Fahrzeuge, Leitsteuerung, periphere Einrichtungen)? Hat er in seinem Projekt alle erforderlichen Rollen besetzt, um seiner eigenen Verantwortung gerecht werden zu können? Besteht seine FTS-Lösung die Gefährdungsbeurteilung, die er als Betreiber erstellen muss?
Im VDI-Fachausschuss FTS und im Forum-FTS arbeiten wir mit Hochdruck an Hilfestellungen für Betreiber, weil wir hier einen riesigen Bedarf sehen. Wir erstellen Leitfäden für das wichtige Thema Sicherheit. Wir klären auf, welche Rollen im FTS-Projekt zu besetzen sind und was sich hinter dem Buzzword ‚Autonomie‘ verbirgt. Hier geht es um die Fragen, wie man eine mobile Lösung hinsichtlich der autonomen Funktionen beurteilen kann und wie viel Autonomie in der eigenen Anwendung erforderlich und sinnvoll ist. Denn letztlich wollen doch alle dasselbe: erfolgreiche FTS-Projekte!
Dr. Günter Ullrich, Forum-FTS GmbH