Greiferlösung entlastet Mitarbeiter bei Palettieraufgaben

Greiferlösung entlastet Mitarbeiter bei Palettieraufgaben

Kistenschleppen ade

15 bis 50kg bringen die Transportbehälter auf die Waage, die Mitarbeiter in Galvanikbetrieben Tag für Tag oft mühsam herumwuchten müssen. Durch eine auf diese Branche ausgerichtete Palettieranlage soll damit nun Schluss sein. Die Depalettierung der schweren Transportboxen übernimmt künftig ein Roboter. Sein spezielles Greifsystem sorgt dafür, dass sich unterschiedliche Systembehälter aus Metall oder Kunststoff automatisiert handhaben lassen.

144 Kisten mit einem Gewicht von bis zu 50kg wird das Greifsystem künftig pro Stunde handhaben. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

144 Kisten mit einem Gewicht von bis zu 50kg wird das Greifsystem künftig pro Stunde handhaben. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Seit Jahren schon entwickelt Schunk Greiferlösungen zum variantenreichen Palettieren und Depalettieren unterschiedlicher Güter. In der Regel geht es um klassische Kartonverpackungen aus dem Food- und Nonfood-Sortiment des Lebensmittelgroß- und -einzelhandels, der Kunststoff- oder Zulieferindustrie. Grund genug für die Firma Ludy Glavanosysteme, den Greiferanbieter mit der Entwicklung eines Systems für schwere Transportbehälter zu beauftragen. „Der Trend zum automatisierten Teilehandling in Galvanikbetrieben nimmt seit 2014 spürbar an Fahrt auf“, sagt Michael Ludy, Geschäftsführer und Inhaber des Auftraggebers. „Zunächst stand vor allem die automatisierte Gestellbestückung im Vordergrund, wofür wir sukzessive das erforderliche Know-how aufgebaut haben. Angeregt dadurch geht es nun um die nächste Stufe der Automation: Die Handhabung von Transportbehältern mit Massenware für die Trommelgalvanik.“

Die Dimension der einzelnen Behälter wird ausschließlich über die Backenfinger und deren Kontur definiert. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Die Dimension der einzelnen Behälter wird ausschließlich über die Backenfinger und deren Kontur definiert. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Ergonomie im Vordergrund

Bei der Anwendung handelt es sich bislang um einen echten Knochenjob: Im Dreischichtbetrieb depalettieren Mitarbeiter die Transportbehälter und stellen sie auf einen Rollenförderer, von dem aus die Behälter entleert und über einen Befüllbunker kontinuierlich in den Galvanisierprozess eingeschleust werden. Pro Minute müssen zwei volle Kisten von Hand depalettiert und zwei leere Kisten palettiert werden. Die Transportbehälter – in 20 unterschiedlichen Varianten – unterscheiden sich in Größe, Gewicht und Beschaffenheit. Vergleichsweise steife Kisten aus Stahlblech sind ebenso dabei wie eher labile Kunststoffbehälter. Einzig die Tatsache, dass die Paletten stets sortenrein bestückt sind, vereinfachte die Aufgabe. Ludy realisierte in enger Abstimmung mit dem Roboter- und Sensorhersteller sowie dem Unternehmen Schunk eine smarte und robuste Roboterzelle, die fortan das Handling der Kisten übernehmen kann.

Niederhalter an den Längsseiten gewährleisten bei dynamischen Fahrten einen sicheren Halt. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Niederhalter an den Längsseiten gewährleisten bei dynamischen Fahrten einen sicheren Halt. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Speziell entwickelte Greifstrategie

Herzstück ist ein individuell entwickeltes, pneumatisch gesteuertes Greifsystem, das in Kombination mit einer ebenfalls speziell für die Anwendung ausgearbeiteten Greif- und Schnellwechselstrategie ein variantenreiches Handling ermöglicht. Um die Komplexität der Aufgabe zu reduzieren, konzentrierte man sich zunächst auf die sechs meistgenutzten Behältervarianten. Diese werden per Stapler auf Paletten angeliefert, vom Roboter einzeln depalettiert und auf dem Rollenförderer abgestellt. Nach dem automatisierten Entleeren in einen Befüllbunker greift der Roboter die leeren Kisten vom Rollenförderer und stapelt sie auf eine Leerbehälterpalette. Um die Kisten zu identifizieren und einen präzisen Zugriff zu gewährleisten, ist das Greifsystem mit einem Lasermesssystem ausgestattet. Per Scanner werden die Art und Position der Transportbehälter (X/Y/Z-Koordinaten sowie Winkel) erfasst, als Datenpaket an die Anlagensteuerung des Galvanikbetriebes übergeben und dort auf Plausibilität und Machbarkeit überprüft. Stimmen alle Parameter mit den vorgegebenen Werten überein, beginnt der Roboter mit dem Abstapeln. Die neu entwickelte Greifstrategie geht dabei ähnlich vor wie ein Werker: Die jeweils erste Kiste einer Lage wird mit einem Greifer des Handhabungssystems am Rand gegriffen und je nach Kistentyp rund 200 bis 300mm horizontal nach vorne gezogen.

Auf diese Weise wird der zweite Greifpunkt am gegenüberliegenden Kistenrand frei zugänglich, sodass der Behälter anschließend mit beiden Greifern des Systems gegriffen, per Roboter verfahren und auf dem Rollenförderer abgesetzt werden kann. Für die zuverlässige Funktion ist einzig die Anordnung der Lagen auf der Palette vorgegeben: zwei Kisten längs, drei Kisten quer. Die Ausrichtung der Palette oder ein eventueller Überstand der Behälter über den Palettenrand hingegen führen nicht zu einer Beeinträchtigung des Ablaufes, da über den Laserscanner zunächst stets die Gesamtsituation der einzelnen Lage erfasst und ausgewertet wird. Zusätzlich scannt das System vor jedem Zugriff die einzelne Kiste. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass stets die aktuelle Position erfasst ist, selbst wenn einzelne Kisten beim Depalettieren ihre Position verändern.

Die Behälter werden vom Roboter auf einem Rollenförderer platziert, und dann vollautomatisiert dem Galvanisierprozess zugeführt. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

Die Behälter werden vom Roboter auf einem Rollenförderer platziert, und dann vollautomatisiert dem Galvanisierprozess zugeführt. (Bild: Schunk GmbH & Co. KG)

 

Zugänglichkeit und Variantenvielfalt

Die von Schunk konstruierte robuste Systemlösung besteht aus zwei vielzahngeführten Greifern des Typs PGN-plus 160, einer Hubachse, die einen kollisionsfreien Zugriff der zweiten Kistenseite ermöglicht, und zwei Niederhaltern. Letztere stellen während des Handlings sicher, dass der gefüllte Behälter auch bei dynamischen Beschleunigungs- und Bremsbewegungen nicht kippt und permanent zuverlässig gegriffen bleibt. Mit ihrer Hilfe lassen sich auch verwindungsanfällige Kunststoffboxen prozesssicher handhaben. Der eigentliche Greifvorgang erfolgt beim ersten Greifpunkt ausschließlich von außen, sprich der innenliegende Greiferfinger ist feststehend montiert und nur der äußere Finger fährt zu. Der zweite Greifer wiederum ist auf einer Schienenführung platziert, auf der er mithilfe eines Pneumatikzylinders verfahren werden kann, um bei der jeweils ersten Kiste einer neuen Lage Kollisionen zu verhindern. Sobald der erste Greifer geschlossen und die Kiste nach vorne gezogen ist, fährt der zweite auf Anschlag, dann in Z-Richtung nach unten, wo er schließlich den gegenüberliegenden Kistenrand zentrisch greift. Zur Handhabung der nachfolgenden Kisten einer Lage muss der zweite Greifer anschließend nicht mehr über den Pneumatikzylinder verfahren werden, da stets beide Greifpunkte jedes Behälters frei zugänglich sind.

Schneller Fingerwechsel

„Die größte Herausforderung war es, die sechs unterschiedlichen Kistentypen zu handhaben, ohne mehrere Greifer einzusetzen“, betont Felix Meyer, bei Ludy verantwortlich für Automationslösungen. „Letztlich haben wir uns für einen manuellen Backenwechsel entschieden. Das ist durchaus praktikabel, denn alle sechs Varianten werden mit insgesamt nur drei Backensätzen abgedeckt.“ Die Konzeptentwicklung und Auslegung der Finger hat Schunk komplett übernommen. Dabei wurden anhand der unterschiedlichen Behältermuster Gemeinsamkeiten definiert und die Greiferfinger schließlich so ausgelegt, dass mithilfe des Backenschnellwechselsystems BSWS innerhalb weniger Sekunden zwischen den einzelnen Varianten umgeschaltet werden kann. Im Rahmen der Entwicklung wurde klar, dass nur ein Zugriff von außen zum Ziel führt, da dann bei allen Kistenvarianten der für ein sicheres Handling erforderliche Formschluss erzielt werden konnte. Eine allein reibschlüssige Lösung wäre nicht realisierbar gewesen, da es dann aufgrund der hohen Greifkräfte zu einer starken Deformation der Behälter gekommen wäre. Über die Konstruktion der Backen und den Pneumatikdruck ist zudem sichergestellt, dass die Kisten nicht deformiert oder gar beschädigt werden. Das Greifsystem wurde komplett vormontiert und anschlussfertig mit offenen Kabeln und offenem Schlauch bei Ludy angeliefert. Den Laserscanner, Ventile und Ausleger wiederum hat der Maschinenbauer in Eigenregie gestellt und montiert. In einem nächsten Schritt will man die Automationslösung für weitere Behältervarianten fit machen.

Mechatronische Lösung als Alternative?

Gegenüber einer mechatronischen Lösung, die bei der Entwicklung als Alternative untersucht worden war, überzeugt das realisierte Greifsystem durch seine hohe Robustheit, ein gutes Preis/Leistungsverhältnis und die Möglichkeit zur einfachen Ansteuerung ohne mechatronisches Know-how. Je filigraner die Lösung, je variantenreicher das Stichmaß, je dosierter die Greifkräfte und je mehr Daten aus dem Handhabungsprozess ermittelt werden sollen, desto mehr spräche nach Aussage von Schunk für eine mechatronische Lösung. Letztlich gelte es aber, stets die unterschiedlichen Aspekte gegeneinander abzuwägen. Mit dem neuen Konzept hat Ludy bei seinen Kunden ins Schwarze getroffen: „Bei unserem Tag der offenen Tür haben sich schon viele für das System interessiert, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht komplett montiert war“, berichtet Michael Ludy. Bei aller Begeisterung gelte es dennoch, realistisch zu bleiben: „Demolierte Kisten werden sich mit dem System auch künftig nicht zuverlässig handhaben lassen. Zudem sollten Anwender zu einer gewissen Vereinheitlichung ihrer Transportbehälter kommen, wenn sie auf einen solchen werkerlosen Betrieb umstellen wollen.“

SCHUNK GmbH & Co. KG
www.schunk.de

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