Perfekte Rahmen für den Mercedes G

Autonome Schweißroboterzelle und Monitoring Tool für die Prozesskontrolle

Perfekte Rahmen für den Mercedes G

Fertigungsprozesse für das Premiumsegment im Automobilbau: Bei Anlagenkonzeption und Entwicklung arbeiten OEMs und Tier1 mit ihren Zulieferern oftmals Hand in Hand. Zur Qualitätssicherung und Verbesserung seiner Produktionsabläufe greift der Magna-Konzern dabei auf Schweißtechnik von Fronius zurück. Magna Presstec fügt dann den Rahmen des Mercedes G, auch unter Verwendung der Fronius-Softwarelösung WeldCube Premium.

Magna Presstec nutzt für das Schweißdatenmanagement beim Fügevorgang des Mercedes-G-Modells die Softwarelösung WeldCube Premium von Fronius. (Bild: Fronius International GmbH)
Magna Presstec nutzt für das Schweißdatenmanagement beim Fügevorgang des Mercedes-G-Modells die Softwarelösung WeldCube Premium von Fronius. (Bild: Fronius International GmbH)

Der Automobilzulieferer Magna fertigt in Lebring – eine halbe Autostunde südöstlich von Graz – die Basis des G-Modells von Mercedes. Die Firma Magna Steyr Fahrzeugtechnik bringt den Premium-Offroader dann zur Vollendung. „Innerhalb des Magna-Konzerns – mit seinen rund 158.000 Mitarbeitern weltweit – ist Magna Presstec in die Unternehmensgruppe Cosma (Body and Chassis) eingegliedert“, erklärt Kurt Hartmann, Bereichsleiter der Qualitätssicherung und Schweißaufsicht für die Rahmenproduktion der Mercedes G-Linie. Die Firma Presstec selbst beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter – aufgeteilt auf die österreichischen Standorte Weiz und Lebring sowie das slowakische Bratislava.

Der Fahrwerksrahmen des Mercedes G ist 4,2m lang. (Bild: Fronius International GmbH)
Der Fahrwerksrahmen des Mercedes G ist 4,2m lang. (Bild: Fronius International GmbH)

Anforderungen an die Schweißtechnik

„Beim verwendeten Stahl handelt es sich überwiegend um Blechstärken von 2 bis 4mm, die mittels 657 Schweißnähten zusammengefügt werden. Die gesamte Schweißnahtlänge umfasst 76m pro Rahmen. Die Schweißherausforderung liegt für uns im Wesentlichen darin, den 4,2m langen Fahrwerkrahmen Schicht für Schicht – immer innerhalb der vom Kunden vorgegebenen Toleranzen sowie der geforderten Qualität – aufzubauen“, verdeutlicht Hartmann. Deshalb gab es bei der Ausstattung der Produktionsanlage unterschiedliche Anforderungen an die Fügetechnik: Hohe Lichtbogenstabilität bei perfektem Einbrand war gesetzt, um die dringend notwendige Stabilität des massiven Rahmens generieren zu können. Die Top-Qualität erfordert zudem einen möglichst geringen Verzug und kontrollierbare Wärmeeinbringung. Hinsichtlich der Produktivität brauchte es noch hohe Schweißgeschwindigkeiten.

„Der PMC (Pulse Multi Control)-Prozess von Fronius konnte unsere Anforderungen erfüllen“, versichert Hartmann, selbst Schweißfachmann. „Dafür war die modulare Schweißgeräteplattform TPS 500i Voraussetzung. Einfache Bedienung und die problemlose Anbindung an den Roboter sollten das Paket für uns abrunden. Aktuell haben wir auf der Mercedes G-Linie mittlerweile 36 dieser Schweißsysteme im Einsatz. Zusätzlich auch einige TPS320i-Systeme für etwaige Handschweißarbeiten zur Qualitätskontrolle.“

Autonome Fertigung in drei Abschnitten

„Unser Anspruch ist, dass jeder Rahmen absolut gleich ist – Abweichungen gilt es auszuschließen“, erklärt Hartmann. Produziert wird in einer bestens ausgestatteten Werkshalle auf über 100m Länge. Die in weiten Teilen autonome Produktion entspricht höchsten Standards, und die abgestimmten Robotersysteme greifen nahtlos ineinander. Dadurch ist es möglich, dass alle 10min ein robuster und aus vielen Einzelteilen gefügter G-Rahmen die Werkshalle verlässt.

Gefertigt wird in drei Abschnitten: Vorder- und Hinterbau werden simultan produziert. Einige Mitarbeiter bestücken zu Beginn die Schweißvorrichtungen. In den Zellen werden die Komponenten dann mittels Schweißrobotern gefügt. Ein Handling-Roboter nimmt die fertigen Komponenten auf, transportiert sie zur nächsten Zelle und bringt sie dort in Position. Am Ende jedes Abschnitts folgt eine für Mitarbeiter unzugängliche Zelle. Diese dient zum einen dem Ausschweißen der langen Nähte. Sie wird aber auch als Abkühlstation verwendet oder als komplexe Station, wie z.B. für das Squeezing: Dabei werden die Unterschalen mit den Oberschalen der Längsträger verschachtelt, in Position gebracht und unter Druck verschweißt.

Im Unterbau – dem letzten Fertigungsabschnitt – werden schließlich Vorder- und Hinterbau miteinander verheiratet. Der Rahmen nimmt nun seine markante Form an. Die letzten Arbeitsschritte beinhalten dann das Stanzen von ausgekoppelten Anbindungspunkten für das Fahrwerk. Zusätzlich schießt eine Hubzündung 192 Bolzen auf den Rahmen. Abschließend werden die Qualität der Schweißnähte kontrolliert, etwaige Schweißspritzer entfernt und gegebenfalls Schweißnähte nachgearbeitet. Final vermisst robotergesteuerte Lasertechnik den Rahmen nochmals und prüft, ob er allen Qualitätskriterien entspricht.

Schweißdaten-Management

Das komplexe Prozedere belegt: Bei Magna Presstec geht es um mehr als nur Schweißen. Um den hohen Grad der Automatisierung bei ebenso hoher Qualität für die G-Linie gewährleisten zu können, lag der Fokus von vornherein auf der Integration von Monitoring und Datenanalyse-Tools für Schweißprozesse. Der Automobilzulieferer suchte nach einer Kooperation mit Fügetechnikspezialisten, deren Systeme und Lösungen die hundertprozentige digitale Nachverfolgbarkeit der Schweißprozesse möglich machen.

Mit der Softwarelösung WeldCube Premium gelang es Fronius hier erstmals, ein umfangreiches Schweißdaten-Managementsystem in der Fertigung eines Tier1-Lieferanten zu etablieren und den Nutzen der unterschiedlichen im Einsatz befindlichen Software-Systeme aufzuzeigen. An den Qualitätskontrollplätzen bekommen die geschulten Mitarbeiter via Terminal genaue Informationen: Gibt es auffällige oder tatsächlich fehlerhafte Nähte? Mit Fronius WeldCube sondierte Stellen werden einer detaillierten Sichtprobe unterzogen und gegebenfalls nachgearbeitet. Erst dann wird der G-Rahmen für weitere Prozessschritte freigegeben. Die gesammelten Daten fließen dann wiederum in die Anpassung der automatisierten Schweißprozesse ein.

Die Software zeichnet jeden Millimeter Schweißnaht auf. So ist es einfach, die Kosten für Verbrauchsmaterialien wie Gas und Schweißdraht zu analysieren. Doch es gibt noch mehr Potenzial: Ein Punkt wäre Predictive Maintenance (vorausschauende Wartung), also die Möglichkeit, rechtzeitig und in ausreichender Menge Verschleißteile und Werkstoffe zu ordern.

„Predictive Maintenance mittels WeldCube Premium könnte uns Einsparpotenzial aufzeigen, z.B. wenn das Schweißdatenmanagement genaue Wartungsintervalle vorgibt“, überlegt Hartmann. „Über den Zustand von Kontaktrohren, Rohrbögen, Brennern und Vorschubgeräten wüssten wir immer genau Bescheid. So könnten wir die Geräte rechtzeitig servicieren, um fehlerhafte Schweißnähte, Nacharbeit oder gar Bauteilausschuss zu vermeiden.“

Magna Presstec verwendet darüber hinaus bereits die Fronius-Lösung Central User Management (Centrum) – diese unterstützt ebenfalls im Qualitätsmanagement. Zentral werden damit Benutzer- und Schweißberechtigungen verwaltet. Mit einer Chipkarte authentifiziert sich der Schweißer am Schweißgerät – das stellt sicher, dass nur speziell geschulte Mitarbeiter mit den vorgesehenen Parametern arbeiten können, was Fehlerquellen bestmöglich ausschließt.

Die Produktion der Automobilrahmen erfolgt autonom in einer Schweißzelle per Roboter. (Bild: Fronius International GmbH)

Praxistauglichkeit

Der für Magna zuständige Fronius-Key-Account-Manager Christoph Pangerl ist sich sicher: „Die Erkenntnisse aus der Kooperation mit Magna Presstec waren überaus wertvoll. Wir konnten sie direkt in unsere Produktentwicklung einfließen lassen. Und unsere Softwarelösungen haben wir damit für einen breiten Kundenkreis zugänglich gemacht.“ Hartmann führt den Gedanken fort: „Speziell das Schweißdatenmanagement hilft uns, unsere Fügetechnik in allen Bereichen zu verbessern. Fronius hat uns ein mächtiges Tool an die Hand gegeben. Das Potenzial ist riesig. Und mit der fachlichen Unterstützung der Fronius-Experten können wir dieses System mittlerweile gewinnbringend einsetzen.“

Erste Ergebnisse aus dem Prototypenzentrum

Fronius erarbeitet in seinem Prototypenzentrum in Wels, Österreich, individuelle Lösungen für herausfordernde Schweißaufgaben.

„Seit wir Anfang 2021 das Fronius-Prototypenzentrum in Betrieb genommen haben, konnten wir den Kunden verschiedener Branchen Lösungen für unterschiedliche Anforderungen bereitstellen“, betont Wolfgang Scherleitner, Leiter des Prototypenzentrums. „Wir bieten aber nicht nur prozesstechnische Unterstützung, sondern haben das Angebot auch um zahlreiche Hightech-Analysen und Simulationen erweitert. So können wir hohe Qualität und eine lückenlose Schweißdatendokumentation sicherstellen.“

Das Prototypenzentrum verfügt hierfür unter anderem über die Bereiche 3D-Vorrichtungsbau, 3D-Vermessung und die Möglichkeit der Offline-Programmierung inklusive Schweißprozesssimulation. Doch auch Wärme- und Verzugssimulation, Schweißnahtinspektion, Laser-Nahtsuchkamera, Heiß/Aktiv-Plasmatechnik zur Oberflächenreinigung sowie ein Labor für metallographische Untersuchungen gehören zum Standard.

Mehrwert bietet das Fronius-Prototypenzentrum vor allem dann, wenn es um hohe Qualitätsanforderungen und effiziente Fertigungsmethoden geht. Große Dimensionen, komplexes Design, enge Zeitpläne oder komplett neue Produkte, die besonders intelligente Schweißkonzepte erfordern, sind dabei inbegriffen. Ebenso begleiten die Schweißexperten beim Umstieg vom Handschweißen auf das Roboterschweißen – oder wenn neue Materialien beziehungsweise Schweißprozesse Verwendung finden. Das gelang bereits für Kunden aus verschiedenen Branchen, wie der Automobil- und Zuliefererindustrie, der Raumfahrttechnik, der Agrar- und Baumaschinenindustrie oder für den kommerziellen Transport.

Fronius International GmbH
www.fronius.com

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