Sechsachser automatisiert Wurstschneidemaschine

6.000kg Aufschnitt pro Schicht

Bei der Handhabung 12kg schwerer Wurstlaibe beschreitet der Lebensmittelvollsortimenter Kaufland Neuland. Seit Kurzem übernimmt ein Stäubli-Sechsachser vom Typ TX200 HE die Beladung einer automatischen Schneide- und Verpackungsmaschine, die aus 1,5m langen Würsten Aufschnitt bereitet. Die Roboterlösung entlastet die Mitarbeiter und bringt weitere Vorteile.
Der TX200 bringt die Wurstlaibe sicher und schonend zur Beladeseite des Slicers.
Der TX200 bringt die Wurstlaibe sicher und schonend zur Beladeseite des Slicers.Bild: Stäubli Tec-Systems GmbH

In der Lebensmittelindustrie steht der Einsatz von Robotik immer dann vor besonderen Herausforderungen, wenn es um die Handhabung unverpackter Lebensmittel geht. Kommt der Roboter direkt mit dem Produkt, in diesem Fall Wurstlaiben, in Kontakt, sind strengste Hygienestandards einzuhalten. Und: Die branchenüblichen, mehrmals täglich anfallenden Desinfektionsprozesse sowie Washdown-Intensivreinigungen aller Anlagenteile bedeuten für Standardroboter nahezu unüberwindbare Hürden.

Das wussten auch die Verantwortlichen im Heilbronner Wurstwerk von Kaufland Fleischwaren. Hier sah man auf der einen Seite die großen Vorteile, die sich mit dem Einsatz eines Roboters erschließen lassen würden, gleichzeitig trübten Zweifel an dessen Tauglichkeit die Investitionsentscheidung. Dieter Schäfer, Teamleiter Verpackung bei Kaufland Fleischwaren, erinnert sich: „Die Beladung eines Slicers mit 1.500mm langen und 12kg schweren Wurstlaiben über eine ganze Schicht hinweg zählte bei den Mitarbeitern zu den eher ungeliebten Tätigkeiten. Mit der Umrüstung der Produktion auf effizientere Prozesse war diese Arbeit zudem manuell kaum noch zu bewältigen. Der Roboter schien die geeignete Lösung, aber wir waren skeptisch, ob ein Sechsachser unseren Reinigungszyklen dauerhaft standhalten würde.“

Die beengten Platzverhältnisse waren eine große
Herausforderung bei der Realisierung der Anlage.
Die beengten Platzverhältnisse waren eine große Herausforderung bei der Realisierung der Anlage.Bild: Stäubli Tec-Systems GmbH

Prozesssicherer Robotereinsatz unter Extrembedingungen

Diese Zweifel auszuräumen, machte sich Martina Düngfelder, Local Head of Life Sciences & Food bei Stäubli Robotics, zur Aufgabe: „Die Vorbehalte seitens Kaufland kannte ich aus zahlreichen anderen Projekten. Sie ließen sich aber leicht ausräumen, denn unsere washdown-fähigen HE-Roboter gelten als Referenz für Einsätze unter den genannten Bedingungen und beweisen ihre Beständigkeit unter hygienesensiblen Bedingungen seit rund 15 Jahren.“

Um sich davon selbst überzeugen zu können, begleitete Stäubli die Kaufland-Verantwortlichen zu einigen Referenzprojekten, u.a. in der Käseindustrie, in der Stäubli-Roboter bereits fest etabliert sind und unter strengsten Hygieneanforderungen jahrelang prozesssicher funktionieren. So konnten Zweifel bezüglich Hygienestandards und Widerstandsfähigkeit gegen Intensivreinigungen ausgeräumt werden und Kaufland entschied sich schließlich für die Roboterlösung.

Die zu verarbeitenden Wurstlaibe sind 1.500mm lang und 12kg schwer.
Die zu verarbeitenden Wurstlaibe sind 1.500mm lang und 12kg schwer.Bild: Stäubli Tec-Systems GmbH

Platzverhältnisse und Greiftechnik als Herausforderung

Mit der Firma BSB Robot Systems aus dem Stäubli-Partnerprogramm war der passende Anlagenbauer schnell gefunden. Die Aschaffenburger verfügen über reichlich Erfahrung in der Roboterautomation und nahmen sich des Projektes gerne an. Was sich zunächst wie eine simple Aufgabenstellung anhörte – das Abholen von vier Wurstlaiben an definierter Position mit anschließender Übergabe an den Slicer – entpuppte sich bei genauerer Betrachtung als anspruchsvolles Projekt.

Die besonderen Herausforderungen bringt Geschäftsführer Rainer Bonfig auf den Punkt: „Die täglich anfallenden Reinigungsprocedere waren nicht das Problem. Wir wissen, dass die HE-Roboter das problemlos abkönnen. Kopfzerbrechen bereiteten uns vielmehr die knappen Platzverhältnisse sowie die Greiftechnik, die die Wurstlaibe sicher und gleichzeitig schonend handhaben sollte.“

Robotergestützte Slicerbeladung

Da es sich bei Kaufland um die wahrscheinlich weltweit erste Beschickung eines Slicers mit einem Sechsachsroboter handelt, konnte nicht auf bekannte Lösungswege aus vorangegangenen Projekten zurückgegriffen werden. Am einfachsten gestaltete sich die Auswahl des passenden Roboters. Aufgrund der Desinfektions- und Washdown-Reinigungsprozesse kam nur ein voll gekapselter, wasserdichter HE-Roboter in Betracht. Und die Faktoren Traglast und Reichweite sprachen eindeutig für die Wahl des großen TX200 HE, also die speziell gekapselte Humid-Environment-Ausführung.

Der vielseitige Industrieroboter ist schnell und leistungsstark in den Bereichen Hygiene, Robustheit, Dynamik und Präzision. Mit hoher Reinraumtauglichkeit ausgestattet zeichnet sich der TX200 durch innenliegende Medien- und Versorgungsleitungen und ein vollständig abgedichtetes Gehäuse in Schutzart IP67 aus. Zudem sind Störkonturen und Toträume systematisch reduziert. Das Gehäuse besteht aus korrosionsbeständigen Materialien, sodass dem Roboter weder Desinfektions- noch Washdown-Intensivreinigungen etwas anhaben können. Zudem ermöglicht dieses Modell wie auch alle anderen Stäubli-Roboter den Einsatz von lebensmittelverträglichem NSF-H1-Öl, ohne dass es zu Einbußen in Leistung oder Geschwindigkeit kommt.

Sensible Greiferkonstruktion

Bei der Greiferkonstruktion kam den BSB-Konstrukteuren ihre jahrzehntelange Expertise im Sondermaschinenbau zugute. Die Besonderheit bei der gefundenen Lösung: Um die vorgegebenen Taktzeiten zu erreichen, müssen jeweils vier Wurstlaibe auf einmal gegriffen werden. Um die Würste bei dem Prozess nicht zu verletzen, hat sich BSB eine spezielle Lösung ausgedacht: „Wir haben einen sogenannten Vierfach-Rollengreifer konstruiert und gebaut, mit dem der Sechsachser an der Übergabeposition unter die vier bereitgestellten Wurstlaibe fährt und diese auf schonende Weise anhebt. Der knapp 80kg schwere Greifer ist insgesamt 1.800mm breit und besitzt für jedes der vier Laibe vier über einen Zentralmotor angetriebene Rollen. Mit den vier in gleichmäßigem Abstand angeordneten Auflagepunkten sorgen wir für eine sichere Aufnahme und verhindern einen Durchhang der 1.500mm langen, biegeschlaffen Wurstlaibe“, so Bonfig.

Um den Slicer zu beladen, steuert derTX200 die Übergabeposition präzise an. Ist die endgültige Position erreicht, versetzt der Zentralmotor die Rollen des Greifers in Bewegung. So gelangt die wertvolle Fracht prozesssicher und präzise positioniert in die Slicer-Zuführung. Um ein Durchrutschen der Würste auf den 3D-gedruckten Rollen des Greifers zu verhindern, sind diese mit einer feinen Igelkontur versehen, die für die nötige Traktion beim Transport sorgt.

12.000kg Aufschnitt täglich

Mit dieser Automationslösung erreicht das Heilbronner Fleischwerk von Kaufland einen Output von 12.000kg Aufschnitt täglich im Zwei-Schicht-Betrieb. Insgesamt laufen 21 verschiedene Wurstsorten über die Anlage, die in vier unterschiedlichen Aufschnittverpackungseinheiten kombiniert und in Deutschland sowie in Osteuropa angeboten werden.

Schäfer ist nach anfänglichen Bedenken heute vollkommen von der Roboterzelle überzeugt: „Meine Bedenken hinsichtlich der Einhaltung unserer hohen Hygienestandards konnte der TX200 HE komplett ausräumen. Die Roboterlösung erfüllt auch unsere sonstigen Ziele hundertprozentig. Die Entlastung der Mitarbeiter, das prozesssichere Arbeiten auf engem Raum, die Steigerung der Produktivität, die hohe Verfügbarkeit, die Widerstandsfähigkeit des Roboters gegen die Washdown-Intensivreinigungen, die neuen, spannenden Arbeitsinhalte durch die Robotik – das Projekt ist in allen Punkten ein voller Erfolg.“

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