Schnittstelle zur Kommunikation zwischen FTS/AGV bzw. AMR und Leitsteuerung

Trendumfrage zur VDA5050

Mit der VD5050 wurde unter Federführung des VDMA eine standardisierte Schnittstelle für die Kommunikation zwischen Leitständen und fahrerlosen Transportsystemen entwickelt. Anwender sollen damit künftig mobile Einheiten von Hersteller A unter dem Leitsystem von Hersteller B laufen lassen - oder auch FTS und AMR unterschiedlicher Anbieter koordinieren. Die Trendumfrage in dieser Ausgabe von ROBOTIK UND PRODUKTION geht auf Anbieterseite der Frage nach, welche Vorteile die VDA5050 bietet, ob der Standard in der Branche angekommen ist und welche weiteren Schritte zu gehen sind.
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Wie groß ist der Nutzen der VDA5050 aus Ihrer Sicht?

Gérôme Stemmer, Safelog: Kaum ein Hersteller kann mit seinem Portfolio alle Anwendungsfälle abdecken. Daher müssen mobile Transportroboter aus unterschiedlichen Geräteklassen und von verschiedenen Unternehmen zum Einsatz kommen. An diesem Punkt ist ein Industriestandard wie die VDA5050 unschlagbar. Safelog ist Mitglied des VDMA-Lenkungskreises und setzt den Standard selbstverständlich auch um.

Frank Müller, Still: Durch die Öffnung der Systeme wird die Prozessoptimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette und eine massive Steigerung der Effizienz möglich. Anwender müssen sich nicht mehr über Jahre an einen Hersteller binden, sondern können aus dem gesamten Marktportfolio schöpfen. Das gilt auch für uns als Hersteller: Eine offene Schnittstelle ermöglicht es, in bereits bestehende Automatisierungsanlagen einzusteigen und vergleichsweise niedrigschwellig Fahrzeuge oder Systeme zu integrieren. Ein großer Teil unseres Portfolios ist bereits für die Nutzung mit VDA5050 vorbereitet.

Wolfgang Hillinger, DS Automotion: Die VDA5050 spielt ihren Nutzen für den Anwender vor allem mit Blick auf Unabhängigkeit und Flexibilität aus. Dem wollen wir uns auf Lieferantenseite natürlich nicht verschließen und haben unser gesamtes Portfolio auf die VDA5050 umgestellt.

Immer mehr Kunden 
fordern explizit eine 
VDA5050-Kompatibilität.
Frank Müller, Still
Frank Müller, Still – Bild: Still GmbH

Sven Kaluza, Omron: Ein Standard wie die VDA5050 kann dabei helfen, komplexe Anforderungen strukturiert zu lösen und verschiedene Fahrzeugtypen harmonisch zu orchestrieren. Omron ist beim VDMA aktiv bei der Weiterentwicklung des Standards engagiert und hat bereits alle verfügbaren Versionen integriert.

Immer mehr Kunden fordern explizit eine VDA5050-Kompatibilität.

Frank Müller, Still

Gerhard Veldman, Sigmatek: Die VDA5050 ermöglicht nicht nur den Einsatz gemischter Flotten, sondern auch die Entkopplung von Fahrzeug- und Verkehrsleitsystemhersteller. Als Lösungsanbieter haben auch wir das Protokoll implementiert – im Traffic Control System von Sigmatek genauso wie in der zugehörigen Library der Lasal-Software.

Gibt es in der Industrie noch viel Aufklärungsbedarf auf Anwenderseite?

Hillinger: Sowohl Wahrnehmung als auch Akzeptanz müssen noch einen gewissen Prozess durchlaufen. Viele Kunden – große wie kleine – haben wenig Vorstellung von der Komplexität, die hinter dieser Standardisierung steht. Aber das ist auch nicht weiter notwendig. Wichtiger ist es, die Idee hinter der VDA5050 zu verstehen. Wenn sich Kunden also aktuell mit der Anschaffung eines FTS beschäftigen, dann achten die meisten mit Blick in die Zukunft bereits darauf, ob der Standard unterstützt wird.

Kaluza: Der Aufklärungsbedarf ist immer noch immens. Viele Kunden glauben, dass die reine Vorgabe einer Kompatibilität ausreicht, um gemischte Flotten zum Laufen zu bringen. Davon ist der Standard aber noch weit weg. Zudem wächst die Anzahl an Softwareanbietern und auch deren Leistungsportfolio ist sehr unterschiedlich. Alle Player müssen hier künftig von Anfang an eng zusammenarbeiten.

Stemmer: Zum jetzigen Zeitpunkt sind uns nur wenig Projekte bekannt, bei denen die Schnittstelle tatsächlich zur Anwendung kommt. Das liegt aus unserer Sicht daran, dass weiterführende Entwicklungen für die mobile Transportrobotik erst einmal skeptisch betrachtet werden. Mit Veranstaltungen wie dem AGV Mesh-up des VDMA sollen solche Schwellenängste abgebaut werden. Bis zu einer breiten Akzeptanz, in deren Folge die Möglichkeiten in einem Projekt voll ausgeschöpft werden, ist es aber noch ein weiter Weg.

Veldman: Die Verwendung des VDA5050-Protokolls nimmt zu, speziell bei neuen Anlagen. Bei bestehenden Systemen hängt es davon ab, wie einfach eine Protokolländerung realisiert werden kann. Jede Anwendung hat ihre eigenen Nuancen und Anforderungen. Wir gehen davon aus, dass stets implementierungsspezifische Punkte zu beachten und gegebenenfalls entsprechende Funktionen einzubauen sind.

Müller: Immer mehr Kunden fordern explizit eine VDA5050-Kompatibilität in ihren Ausschreibungen. Doch es gibt noch einen nicht zu unterschätzenden Aufklärungsbedarf. Aber die Intralogistik geht auch hier voran, und Still nimmt die Verantwortung – und die Chance – sehr ernst, den Kunden mit Beratungskompetenz zur Seite zu stehen.

In wie weit nutzen Ihre Kunden die VDA5050 bereits?

Hillinger: Bei den großen europäischen OEMs wird die VDA5050 schon sehr aktiv gefordert. Abseits von ein paar Leuchtturmprojekten gibt es meist aber noch wenig Bedarf, ein Gesamtsystem aus den Bestandteilen mehrerer Hersteller zusammenzusetzen. Stattdessen wollen die Anwender schon heute sichergehen, dass spätere Erweiterungen herstellerunabhängig möglich sind.

Die VDA5050 spielt ihren Nutzen 
vor allem mit Blick auf 
Unabhängigkeit und Flexibilität aus.
Wolfgang Hillinger, DS Automotion
Wolfgang Hillinger, DS Automotion – Bild: DS Automotion GmbH

Kaluza: Wir haben inzwischen einige Kunden, die erfolgreich Pilotprojekte realisiert haben und live gehen wollen. Aus unserer Sicht kann man aber noch nicht von einer weitreichenden Marktdurchdringung sprechen.

Die VDA5050 spielt ihren Nutzen vor allem mit Blick auf Unabhängigkeit und Flexibilität aus.

Wolfgang Hillinger, DS Automotion

Stemmer: Wir haben bereits Projekte unter Verwendung der VDA5050 umgesetzt. Ein Projekt, das die Möglichkeiten der Schnittstelle voll ausschöpft, gibt es unseres Wissens aktuell noch nicht. Mischflotten werden künftig vor allem auf den Hauptverkehrswegen im Einsatz sein. Es geht also erstmal darum Kreuzungen, gemeinsam genutzte Highways oder Übergabebereiche durch eine VDA5050-Leitsteuerung abzubilden.

Müller: In Branchen wie der Automobilindustrie wird die Schnittstelle bereits genutzt, auch international – allerdings bislang in einem geringen Umfang. Darüber hinaus ist das Thema noch stark auf Deutschland fokussiert. Wir sind jedoch überzeugt, dass andere Branchen nachziehen werden. Gleichwohl muss auch klar sein, dass die VDA5050 noch in den Kinderschuhen steckt und es noch Jahre dauert, bis FTS unterschiedlicher Hersteller via Plug&Play verbunden werden können.

Wo gibt es noch Bedarf für Anpassungen oder Weiterentwicklungen?

Veldman: Das Protokoll definiert eine gute Basis von Funktionen, es wird jedoch immer Bedarf an weiterer Entwicklung geben. Die Implementierung des Nameplate, das vor kurzem hinzugefügt wurde, ist ein gutes Beispiel. Man hat es geschafft, die Definition des Protokolls flexibel zu halten, sodass neue Funktionen relativ einfach hinzugefügt werden können.

Müller: Der bisherige Fokus lag auf der Kommunikation zwischen den Systemen. Darauf aufbauend wird man sich nun verstärkt mit operativen Themen beschäftigen, z.B. der Erstellung unterschiedlicher Karten während der Inbetriebnahme, einem zentralen Fehler-Handling sowie dem Umgang mit gemeinsamen Log-Dateien. Für den eigentlichen Betrieb der Lösungen werden wir in den nächsten Versionen also sicher einige Neuerungen sehen.

Aus unserer Sicht 
hat die VDA5050 das Potenzial, 
sich weltweit durchzusetzen.
Gerhard Veldman, Sigmatek
Gerhard Veldman, Sigmatek – Bild: Sigmatek

Stemmer: Der gleichzeitige Einsatz von verschiedenen Transportrobotern in einer Flotte wird mit den aktuell verfügbaren Leitsteuerungen gut umgesetzt. Der Standard ist allerdings noch nicht hieb- und stichfest ausformuliert und lässt Interpretationsspielraum zu. Hierin liegt aber auch ein Vorteil für Weiterentwicklung und Umsetzung, da Besonderheiten berücksichtigt werden können. Interessant wird es, wenn auch Peripheriegeräte wie Brandschutztore, Aufzüge oder Förderanlagen VDA5050-ready sind.

Aus unserer Sicht hat die VDA5050 das Potenzial, sich weltweit durchzusetzen.

Gerhard Veldman, Sigmatek

Hillinger: Eine wichtige Ergänzung, die bereits auf den Weg gebracht ist, ist das sogenannte Layout Interchange Format, kurz LIF. Es geht darum, in welchem Format und welcher Güte die verschiedenen Teilsysteme untereinander Layout-Informationen austauschen. Dieser Teilstandard wird zeitnah veröffentlicht. Zudem definiert der VDMA-Arbeitskreis aktuell ein Rollenmodell. Es legt fest, an welchen Hersteller man sich bei Problemen in der Implementierung wenden muss, wie man die Verfügbarkeit messen kann oder wie man eine übergreifende CE-Zertifizierung erhält. Auch die Frage, wie es mit Gewährleistung und Co. aussieht, steht noch im Raum.

Kaluza: Um die Norm weiterzuentwickeln, brauchen wir beim VDMA die Praxiserfahrungen unserer Kunden. Aus diesem Feedback werden dann sicherlich auch neue Trends abgeleitet.

Hat die VDA5050 das Potenzial, sich als weltweite Schnittstelle zu etablieren? Welche anderen Standards gibt es in diesem Bereich?

Stemmer: Ob eine globale Akzeptanz erreicht werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt nur schwer zu prognostizieren. Einen identischen Standard gibt es wohl derzeit nicht, aber ähnliche Ansätze. In den USA gibt es den Mass Robotics Interoperability Standard, kurz MRIS. Er soll das Produktionsumfeld über den Zustand der Intralogistikroboter informieren. Bei der VDA5050 ist hingegen auch die Auftragsvergabe zentraler Bestandteil des Protokolls, was bei MRIS explizit ausgeschlossen ist.

Wir haben bereits 
Projekte unter Verwendung der 
VDA5050 umgesetzt.
Gérôme Stemmer, Safelog
Gérôme Stemmer, Safelog – Bild: Safelog GmbH

Hillinger: Treibende Kraft hinter der VDA5050 war bisher die Automobil- und Zulieferindustrie in Europa. Nur wenn noch mehr global tätige Stakeholder mitziehen, wird die VDA5050 in die Welt hinaus getragen. Bisher können jedoch nur Verbandsmitglieder aktiv teilhaben. Das wird sich demnächst ändern. Die Entwicklung der VDA5050 wird in eine Arbeitsgemeinschaft ausgegliedert, so dass auch Firmen, die nicht mitgliedsfähig sind, am Standard mitarbeiten. Ein sehr wichtiger Schritt aus globaler Perspektive. Aus unserer Sicht ist die Initiative Mass Robotics ebenfalls interessant, auch wenn sie ein anderes Konzept verfolgt: Im Gegensatz zur VDA5050 geht es nicht um eine universelle Schnittstelle, sondern um einen übergeordneten System-Layer, in dem die Fahrkurse von AMRs verwaltet werden.

Wir haben bereits Projekte unter Verwendung der VDA5050 umgesetzt.

Gérôme Stemmer, Safelog

Kaluza: Viele global agierende Unternehmen haben ihr Headquarter in Deutschland und werden die VDA5050 daher global ausrollen. Wir haben aber auch schon Anfragen direkt aus den USA oder anderen Teilen Europas. Sie wird also zunehmend bekannter. Aktuell fokussieren wir uns auf die VDA5050, beobachten aber auch die Entwicklungen anderer Standards, z.B. Mass Robotics oder RMF aus Asien. Wer am Ende das Rennen macht, und ob es nicht sogar mehrere Standards geben wird, ist aus unserer Sicht noch offen.

Müller: Momentan ist die VDA5050 die relevante Schnittstelle – mit Fokus auf Deutschland. Aber auch andere Anbieter arbeiten an Open-Source-Standards, u.a. Google oder Microsoft. Aktuell sehen wir keinen anderen Standard, der für uns vergleichbar relevant ist. Das kann sich aber natürlich schnell ändern. Das Thema hat viel Dynamik und je mehr Anbieter sich damit befassen, desto mehr alternative Schnittstellen wird es zukünftig geben.

Um die Norm weiterzuentwickeln, brauchen wir die Praxiserfahrungen unserer Kunden.

Sven Kaluza, Omron
Um die Norm weiterzuentwickeln, brauchen wir die 
Praxiserfahrungen unserer Kunden.
Sven Kaluza, Omron
Sven Kaluza, Omron – Bild: Omron Electronics GmbH

Veldman: Aus unserer Sicht hat das Protokoll das Potenzial, sich weltweit durchzusetzen. Wir haben in der Praxis noch keine Konkurrenz dazu gefunden. Insgesamt legen wir Wert darauf, die in unserem System implementierten Kommunikationsprotokolle offen zu halten. So verwenden wir etwa das MQTT-Protokoll in vielen Anwendungen, auf dem auch die VDA5050 basiert. Wir haben aber auch andere Kommunikationsprotokolle wie eine HTTP-REST-Schnittstelle implementiert.

TeDo Verlag GmbH

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