Modulare Roboterplattform Care-O-bot 4

Modulare Roboterplattform Care-O-bot 4

Vom Butler zur Servicekraft

Im Januar 2015 hat das Fraunhofer IPA nach dreijähriger Entwicklungszeit den Serviceroboter Care-O-bot 4 als Prototyp vorgestellt. Und schon seit Ende 2016 begrüßt er als Roboter Paul die Kunden im Saturn-Markt in Ingolstadt. Dort zeigt er ihnen den Weg zum gewünschten Produkt und ebnet so späteren Roboterkollegen möglicherweise den Weg für eine Zukunft als professionelle Serviceroboter.

Bild: Phoenix Design GmbH & Co. KG

Während die Vorgänger seit 1998 primär zur Entwicklung technologischer Grundlagen genutzt wurden, bietet die vierte Generation des Care-O-bots erstmals die Basis für kommerzielle Serviceroboter-Lösungen. Den Prototyp des interaktiven Roboters entwickelte das Fraunhofer IPA ursprünglich als Assistenzroboter zur aktiven Unterstützung des Menschen, z.B. in den Bereichen Haushalt, Hotel, Pflegeheim oder Krankenhaus. An der Fertigstellung seiner vierten Generation haben die IPA-Forscher zusammen mit dem Designstudio Phoenix Design und der Firma Schunk drei Jahre getüftelt. Nun arbeitet das Fraunhofer IPA mit seiner Abteilung Unity Robotics daran, die Anwendung für verschiedene Einsatzfelder in der Industrie auszugestalten. „Die vierte Care-O-bot-Generation ist nicht nur agiler, modularer und charmanter als seine Vorgänger, sondern zeichnet sich auch durch den Einsatz kostenreduzierender Konstruktionsprinzipien aus“, sagt Dr. Ulrich Reiser, Projekt- und Gruppenleiter am Fraunhofer IPA. So besteht ein Großteil des inneren Aufbaus aus Blechfaltkonstruktionen, die bereits bei geringen Stückzahlen kostengünstig zu fertigen sind. Viel Wert haben die IPA-Entwickler auf eine einfache Bedienung gelegt. Denn Nutzer sind nur dann bereit, sich von einem Roboter helfen zu lassen, wenn sie problemlos mit ihm umgehen können. So besitzt der Serviceroboter einen Touchscreen auf seinem Kopf, der leicht zugänglich ist. Er verfügt darüber hinaus über Mikrofone zur Spracherkennung und Kameras zur Personen- und Gestenerkennung. Mit Gesten wie Nicken oder Kopfschütteln teilt er dem Nutzer auf intuitive Art und Weise mit, was er gerade plant oder begriffen hat. Ein LED-Ring im Torso und ein Laserpointer in der Hand dienen dem Informationsaustausch. Die vierte Generation besitzt zudem wie der Vorgänger offene Softwareschnittstellen, sodass sich weitere Funktionen hinzuprogrammieren lassen.

Bild: Phoenix Design GmbH & Co. KG

Das richtige Design für einen charmanten Helfer

Das Unternehmen Phoenix Design hat währenddessen für ein attraktives Äußeres gesorgt. Die Designer haben den Roboter mit klaren Linien und einer zeitlosen Ästhetik versehen. Andreas Haug, Geschäftsführer der Designagentur, sagt: „Der Care-O-bot 4 ist eine gelungene Symbiose aus Design und Engineering, aus Funktion sowie Emotion und verführt den Anwender schnell zur Interaktion.“ Mit seiner schlanken Gestalt, den beiden seitlich angebrachten Armen und einer Art Kopf erinnert der Roboter an einen Menschen. Ein zu menschliches Aussehen war allerdings nicht erwünscht, weil das beim Nutzer falsche Erwartungen hinsichtlich seiner Fähigkeiten wecken würde, wie Reiser meint. Menschlich sind hier nur die inneren Werte: So hält der Roboter stets dezent Abstand, macht deutlich, was er verstanden hat und was er vorhat, beherrscht einfache Gesten und ist mit seinen Augen sogar in der Lage, Gefühle widerzuspiegeln. Wie auch beim Vorgänger wurden soziale Rollenbilder als Leitvision für die Entwicklung von Design und Funktionalität verwendet. Während Care-O-bot 3 als zurückhaltender, distanzierter Butler konzipiert war, ist sein Nachfolger zuvorkommend, freundlich und sympathisch wie ein Gentleman. Im Vergleich zu seinen Vorgängern ist die vierte Generation sehr beweglich. An Hals und Hüfte besitzt der smarte Helfer speziell entwickelte Kugelgelenke um einen unsichtbaren Drehpunkt. So verliert er beim Bücken nicht das Gleichgewicht. Denn wie beim Menschen verschiebt sich beim Beugen ein Teil des Körpers nach hinten und sorgt so für den nötigen Gewichtsausgleich. Deshalb fällt der Roboter auch dann nicht um, wenn er eine Last am ausgestreckten Arm hält. Für die Fortbewegung sorgen drei kleine Räder, die sich unter einer runden Plattform verstecken. Sie sind einzeln angetrieben und lenkbar. Auf diese Weise kann sich der Roboter auf der Stelle drehen oder aus einer engen Sackgasse herausfinden. Daneben verfügt er über zahlreiche Sensoren, sogar in seinem unteren Teil. So erkennt er auch Gegenstände auf dem Fußboden oder in tiefen Schubladen.

Einfingerhand und Powerball-Module

In Zusammenarbeit mit der Firma Schunk entstand eine Einfingerhand, die sich durch Einfachheit in der Konstruktion sowie eine komplizierte integrierte Sensorik auszeichnet. Aus dem Hause Schunk stammen auch die standardisierten Powerball-ERB-Module, die sich durch die kompakte Kugelform leicht integrieren lassen und als Armgelenke dienen. Im Vergleich zu seinen Vorgängern ist er vielseitiger einsetzbar. Sein modularer Aufbau erlaubt unterschiedliche Konfigurationen. Arme, Kugelgelenke sowie Sensoren sind optional. Geht es um das Servieren von Getränken, lässt sich auch eine Hand durch ein Tablett ersetzen. Es ist sogar möglich, nur die mobile Basis als Servierwagen zu nutzen.

Bild: Phoenix Design GmbH & Co. KG

Roboter im Elektromarkt

Saturn ist der erste Kunde, der die Roboterplattform in der Praxis einsetzt. Das Projekt wird vorerst sechs Monate dauern, wobei die Erkenntnisse aus den Praxiserfahrungen mit den Kunden und Mitarbeitern unmittelbar in die Weiterentwicklung des Roboters einfließen. Care-O-bot 4 alias Paul rollt den Kunden des Elektromarktes am Eingang entgegen und heißt sie herzlich willkommen – allerdings ohne seine Powerball-Module. Fragen Kunden ihn nach einem bestimmten Produkt, begleitet er sie in die richtige Abteilung und bringt sie zum entsprechenden Regal. Zwar ist Paul ein charmanter Partner für Small Talk, die Kundenberatung überlässt er jedoch seinen menschlichen Kollegen, die er per Voice over IP zur Unterstützung ruft. Bevor der Roboter sich verabschiedet und zum Eingang zurückrollt, stellt er noch einige Feedback-Fragen, um herauszufinden, wie seine Interaktion bei den Kunden ankommt. Für diese Aufgabenstellung haben die Stuttgarter Wissenschaftler die Soft- und Hardware von Care-O-bot 4 um weitere Features ergänzt. ZumBeispiel wurden seine Navigation, dialogische Kommunikation und Mimik weiter spezifiziert. Laserscanner in Schienbeinhöhe geben ihm Orientierung. Mit seiner Frontkamera und der vom Fraunhofer IIS entwickelten Software Shore erkennt er die Laune seines Gegenübers und bringt eigene Gemütszustände zum Ausdruck. Mikrophone zur Spracherkennung und Kameras zur Gestenerkennung ermöglichen es ihm, zu kommunizieren. Die Erprobung von Paul ist ein weiterer Baustein in der Strategie des Elektromarktes, das Einkaufserlebnis durch digitale Innovationen weiterzuentwickeln.

Weitere Perspektiven

Care-O-bot 4 macht nicht nur als Assistent im Handel eine gute Figur. Mit seinem modularen Aufbau und den offenen Software-Schnittstellen lässt sich das System für vielseitige Anwendungsbereiche nutzen. Denkbar wäre z.B. der Einsatz als mobiler Informationskiosk in Einkaufsläden oder Flughäfen, für Hol- und Bringdienste in Heimen oder Büros, für Sicherheitsanwendungen oder als Museumsroboter. „Wir sind daran interessiert, dass viele Wissenschaftler und Firmen mit dem System arbeiten, um seine Einsatzmöglichkeiten zu erweitern“, informiert Reiser. Im Rahmen der Forschungsplattform von Care-O-bot 4 haben Experten aus aller Welt die Möglichkeit, Soft- und Hardwarekomponenten weiterzuentwickeln. Mit Unity Robotics wollen die IPA-Mitarbeiter die Anwendung auf die Bedürfnisse von Unternehmen anpassen und als kommerzielles Produkt verfügbar machen. Das Produktdesign des schlanken Serviceroboters hat auch die diesjährige Jury des RedDot Design Awards so begeistert, dass sie den Care-O-bot 4 mit dem Preis ausgezeichnet hat. (fiz)

TeDo Verlag GmbH
www.phoenixdesign.com

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