Interview mit Thomas Rilke, Deutsche Messe Technology Academy

Interview mit Thomas Rilke, Deutsche Messe Technology Academy

„Wir starten in China gleich mit der doppelten Größe“

Vor acht Jahren wurde auf dem Messegelände Hannover das Joint Venture Robotation Academy gegründet, um Konferenzen, Netzwerkveranstaltungen und Lehrgänge zu den Themen Automatisierung und Robotik aufzubauen. Heute finden dort alle Veranstaltungen inmitten von Automatisierungsanwendungen und Roboterzellen statt. Was sich in Zukunft ändern soll und wo es strategisch hingeht verät Thomas Rilke, Geschäftsführer der Deutsche Messe Technology Academy, im Gespräch mit ROBOTIK UND PRODUKTION.

Bild: Deutsche Messe Technology GmbH

ROBOTIK UND PRODUTKION: Aus der Robotation Academy ist vor Kurzem die Deutsche Messe Technology Academy geworden. Was war der Grund für die Umfirmierung?

Thomas Rilke: Neben der Robotik verändert die Digitalisierung und der 3D-Druck die Welt der produzierenden Industrie. Um auf diese Trends reagieren zu können, haben wir die Robotation Academy in die Deutsche Messe Technology Academy umfirmiert, unter deren Dach dann themenspezifische Akademien Veranstaltungen durchführen. D.h. die Robotation Academy bleibt bestehen, nur nicht mehr als rechtliche Einheit. Vielmehr erweitern wir unser Angebot um weitere Themen und Akademien. So wird es eine ganze Reihe an Veranstaltungen rund um das Thema Industrie 4.0 geben. Zudem planen wir weitere Akademien zu den Themenbereichen industrieller 3D-Druck und Virtual und Augmented Reality.

ROBOTIK UND PRODUTKION: Wie kann man sich eine Akademie zum Thema Additive Manufacturing vorstellen?

Rilke: Wir haben jetzt schon eine große Nachfrage zum Thema 3D-Fertigung, die wir im Moment noch gar nicht bearbeiten können, weil uns noch die entsprechende Ausrüstung fehlt. Deshalb haben wir das Ziel, hier in Hannover Europas größten Überblick über industriellen 3D-Druck zu schaffen. Wir werden bis Ende des Jahres nahezu alle unterschiedlichen Industriedrucker hier aufstellen und darauf Konferenzen und Schulungen anbieten. Wir gehen sogar noch ein Stück weiter: Gemeinsam mit dem Laser-Zentrum Hannover und dem Institut für integrierte Produktion wollen wir in die Forschung hineingehen – also beispielsweise Fragestellungen nachgehen, wie der 3D-Druck industriell nutzbar und industriell einbindbar ist.

ROBOTIK UND PRODUTKION: Was sehen Sie als vordringliche Fragestellung für Unternehmen heute, auf die Sie mit Ihren Veranstaltungen Antworten geben können?

Rilke: Viele Unternehmer fragen sich, wie sie durch eine zunehmende Digitalisierung ihr Geschäftsmodell erweitern oder vielleicht auch ihr bestehendes Geschäftsmodell in die Zukunft überführen können. Wie können sie mit der Digitalisierung Wettbewerbsvorteile generieren? Dabei sind Industrie 4.0, Additive Fertigung und Robotik die zentralen Themen, mit denen man sich heute beschäftigen muss. Hier können Unternehmen in unseren Veranstaltungen zum einen die Frage beantworten, ob sie sich technisch verändern müssen, und wenn ja, dann kann man die dafür notwendigen Komponenten und Lösungen von unterschiedlichen Anbietern live erleben.

ROBOTIK UND PRODUTKION: Sie haben kürzlich eine Pressemeldung über eine Robotation Academy in China veröffentlicht. Können Sie uns hierüber Genaueres verraten?

Rilke: Das, was wir mit der Robotation Academy hier in Hannover mit 19 Partnern aufgebaut haben, die hier ihre Automations- und Robotertechnik installiert haben, bauen wir jetzt auch in Foshan in der südchinesischen Provinz Guangdong auf. Diese Provinz ist mit 40 Prozent am gesamten GDP der Volksrepublik China eine der wichtigsten Industrieregionen des Landes. Gemeinsam mit der Stadtregierung entsteht in Foshan derzeit die Robotation Academy China, auch dort mitten auf einem Messegelände, das sich auf Investitionsgütermessen spezialisiert hat.

ROBOTIK UND PRODUTKION: Ist das ein Joint-Venture oder gehört das der Deutschen Messe alleine?

Rilke: Die Deutsche Messe Technology Academy in Deutschland ist ein Joint-Venture-Unternehmen mit der Volkswagen Group Academy, gehört aber zu 100 Prozent der Deutschen Messe AG. In China ist die Robotation Academy Ltd. Eigentum der Stadtregierung von Foshan, die Deutsche Messe Technology Academy hat jedoch die inhaltliche Leitung dieses Unternehmens übernommen. Das ist auch vertraglich über die kommenden 20 Jahre abgesichert.

„Alle Veranstaltungen finden immer inmitten der Technik statt.“ Thomas Rilke, Deutsche Messe Technology Academy (Bild: Deutsche Messe Technology Academy)

ROBOTIK UND PRODUTKION: Wie weit sind sie dort mit Ihren Aktivitäten vorangeschritten?

Rilke: Wir werden im Oktober diesen Jahres die Robotation Academy in Foshan eröffnen. Das Gebäude befindet sich derzeit im Bau und wird rund 6.000m² Platz bieten. Zum Vergleich: Das Gebäude der Robotation Academy in Hannover hat 3.000m² – das heißt, wir starten in China gleich mit der doppelten Größe. Etwa zehn bis zwölf Partner werden ihre Roboter und ihre Automationstechnik als ständige Partner in diesem Zentrum präsentieren. Neben internationalen Anbietern – vor allem aus Deutschland – werden auch viele chinesische Roboteranbieter oder Anbieter von mobilen Transportsystemen oder Automatisierungstechnik Partner der Robotation Academy in Foshan sein und dort mitwirken. Neben den gemeinsamen großen Konferenzen und Netzwerkveranstaltungen, die von der Robotation Academy durchgeführt werden, haben unsere Partner die Möglichkeit, das Zentrum auch als Dependance für sich selber zu nutzen sowie eigene Schulungen, Kundentreffen, Meetings usw. durchzuführen.

ROBOTIK UND PRODUTKION: Wie sieht es mit Kooperationen mit Hochschulen oder Universitäten aus?

Rilke: In Foshan gibt es heute bereits eine Universität und eine Hochschule, an denen auch das Thema Automation und Robotik gelehrt wird. Es ist geplant, in zwei Jahren die Aktivitäten dieser Fachrichtung deutlich auszuweiten und sich in Foshan in einer eigenen Universität auf die Themen Robotik und Automation zu konzentrieren. Es wird wahrscheinlich so sein, dass in zwei Jahren die weltweit erste Universität entstanden sein wird, die sich ausschließlich auf Automation und Robotik konzentriert.

ROBOTIK UND PRODUTKION: Spielt Robotik und Automation im vermeintlichen Billiglohnland China denn so eine wichtige Rolle?

Rilke: Automatisierungstechnik wird heute nicht mehr vornehmlich dazu eingesetzt, Lohnkosten zu reduzieren, obwohl auch dies in China zunehmend ein Grund ist, zu automatisieren. Häufig geht es jedoch um Themen der Machbarkeit und der Qualität. Wenn ich mir z.B. die riesigen Produktionen in Shenzhen anschaue, wo Elektronik für die IT-Industrie produziert wird, dann gibt es dort immer mehr Arbeitsschritte, die in einer so rasanten Geschwindigkeit auf den Mikromillimeter ausgeführt werden müssen, dass sie manuell nicht mehr zu bewerkstelligen sind. Gerade in der Provinz Guangdong, in der wir uns befinden, wird die Automatisierung daher sehr stark vorangetrieben. Dabei spielen aber vornehmlich qualitative Überlegungen und Produktionsnotwendigkeiten eine entscheidende Rolle. Das ist eben ganz ähnlich wie bei uns. Im Übrigen haben auch die immens gestiegenen Immobilienpreise eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Wenn sehr viele Menschen in einen Produktionsprozess integriert sind, brauche ich dafür auch mehr Platz für eine Produktion. Mit Robotik und Automation kann meine Produktionsstätte nicht nur smarter, sondern auch kleiner ausfallen.

ROBOTIK UND PRODUTKION: Welche Chancen bieten sich für deutsche und europäische Hersteller mit der Robotation Academy in Foshan?

Rilke: Die Robotation Academy ist zum einen ein Zentrum, in dem Konferenzen, Netzwerkveranstaltungen und Schulungen stattfinden. Partnerunternehmen profitieren davon, dass alle Konferenzen und Veranstaltungen, die wir durchführen, immer inmitten der Technik stattfinden, die diese Partnerunternehmen in den Konferenz- und Schulungsräumen aufgebaut haben. Das heißt, die chinesischen Teilnehmer werden aufmerksam auf die Technik der Partnerfirmen. Zum anderen ist es in dieser Akademie auch möglich, genauso wie in Hannover übrigens auch, den Partnern Büro- oder Meeting-Räume zur Verfügung zu stellen. Das heißt, wenn ein Unternehmen in China noch keine Niederlassung hat, dann kann ein Unternehmen, das bei uns Partner ist, die Robotation Academy wie einen eigenen Standort nutzen. Gleiches gilt, wenn man in China in anderen Regionen bereits einen Standort hat, aber im Industriezentrum Südchina noch nicht vertreten ist. Dann kann man als Partner der Robotation Academy dort seine Büroräume haben, seine Kundenmeetings machen, man kann dann die eigene Technik dort dem Kunden zeigen und profitiert eben davon, in allen Veranstaltungen der Academy selber mit der eigenen Technik und den eigenen Leuten involviert zu sein.

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