Interview mit Ralf Winkelmann, Fanuc Deutschland

Interview mit Ralf Winkelmann, Fanuc Deutschland

„Es geht uns um nachhaltiges Wachstum“

Ralf Winkelmann hat bei Fanuc eine Bilderbuchkarriere gemacht – vom Projektleiter zum Geschäftsführer. In dem Unternehmen hat sich in den letzten sechs Jahren viel getan: Unter dem Claim ‚One Fanuc‘ gibt es eine neue Strategie, zudem eine neue Vertriebsstruktur, neue Produkte, ein neues Entwicklungszentrum und nicht zuletzt neue Aufgaben für Winkelmann. Über all das spricht er in unserem Interview.

 (Bild: FANUC Deutschland GmbH)

(Bild: TeDo Verlag GmbH, ROBOTIK UND PRODUKTION)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Winkelmann, bevor Sie im Herbst 2016 zum Geschäftsführer Vertrieb ernannt wurden, haben Sie bereits dreizehn Jahre lang bei und für Fanuc gearbeitet. Welche Stationen prägen Ihren beruflichen Werdegang in diesem Unternehmen?

Ralf Winkelmann: Bei Fanuc angefangen habe ich 2003 und zwar als Projektleiter für einen Großteil des europäischen Automobilgeschäfts. Später habe ich interimistisch die technische Leitung des Automotive-Teams übernommen und bin dabei immer stärker mit Vertriebsaufgaben betraut worden. 2011 bin ich aus der Europazentrale in Luxemburg zu Fanuc Robotics Deutschland nach Neuhausen gewechselt; als Vertriebsleiter Robotik. Vier Jahre später bekam ich die Leitung des neuen Automotive Center in Neuhausen übertragen. Alles Weitere ist bekannt: Nach dem angekündigten Weggang von Olaf Kramm hat mich unsere japanische Zentrale zum Geschäftsführer Vertrieb von Fanuc Deutschland ernannt und meinen langjährigen Kollegen Matthias Fritz zum Geschäftsführer Technik. Seit Anfang des Jahres bin ich zudem Sprecher der Geschäftsführung.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Aufgaben hat Ihnen das Fanuc Headquarter mit auf den Weg gegeben?

Winkelmann: Generell wollen wir in Deutschland und Europa mehr Marktanteile gewinnen, denn hier sind wir noch lange nicht dort, wo wir – gemessen an unserer Markt-Power und unserer Technik – sein könnten. Mit mehr als 60 Jahren Erfahrung im CNC-Bereich ist Fanuc aber gut gerüstet, den Marktanteil weiter auszubauen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Dagegen scheint das Geschäft mit Robotern eher ein Selbstläufer zu sein.

Winkelmann: Das mag so scheinen, aber nein, die Robotik in Deutschland ist für uns ebenfalls absolut kein Selbstläufer. Hier herrscht – anders als in anderen Märkten – ein ziemlich harter Verdrängungswettbewerb. Im Base Business, das man in etwa mit der General Industry gleich setzen kann, läuft das Geschäft für uns recht gut. Im Bereich Automotive, in der das Geschäft ohnehin sehr volatil ist, gibt es jedoch weiteren Aufholbedarf.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Aber die Robotersparte von Fanuc Deutschland erwirtschaftet doch immerhin fast fünfzig Prozent des jährlichen Umsatzes in der Automotive Industry. Trotzdem sprechen Sie von Nachholbedarf?

Winkelmann: Ja, weil es uns um nachhaltiges Wachstum geht. Die aktuelle prozentuale Umsatzverteilung ist eine Momentaufnahme, sie unterliegt jedoch hohen Schwankungen. Unser Ziel ist es, Kontinuität in diesem Verhältnis zu erlangen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie gut ist Fanuc Deutschland gerüstet, um die gestellten Aufgaben in einem überschaubaren Zeitrahmen zu erfüllen?

Winkelmann: Die grundlegenden Voraussetzungen dafür haben wir mit der Strategie „One Fanuc“ geschaffen. 2013 sind ja in einem ersten Schritt die Divisionen Factory Automation, Robotics und Robomachines in einer einzigen Gesellschaft zusammengeführt worden, weil wir – so gebündelt – ein wesentlich stärkeres Momentum im Markt haben. Als weiteren Schritt haben wir im vergangenen Jahr unsere Vertriebsstruktur erfolgreich umgestellt. Mittlerweile gibt es auch ein Entwicklungszentrum in Neuhausen. Damit trägt unsere japanische Zentrale der Tatsache Rechnung, dass Deutschland über die Jahre hinweg zu einem zentralen Engineering-Schwerpunkt geworden ist. Ein weiteres Plus ist unsere Produktpalette, auf der sich verschiedene Fertigungsmaschinen sehr gut mit CNC-Systemen und Industrierobotern ergänzen. Das hat in dieser Bandbreite kein anderer Anbieter. Bei den Robotern beispielsweise haben wir über alle Applikationen hinweg sehr gute, langlebige, industrieerprobte und sogar einmalige Maschinen, wobei nun auch eine bestehende Lücke geschlossen wurde: Ab sofort bieten wir auch Highspeed-Scaras mit drei bzw. sechs Kilo Traglast an.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Ist Fanuc damit nicht ein bisschen spät dran? Der deutsche und der europäische Markt für Scaras wird seit mehreren Jahrzehnten schon von anderen Anbietern dominiert.

Winkelmann: Das mag sein, aber zum einen hätten wir dieses Entwicklungsprojekt nicht initiiert, wenn wir nicht von dessen wirtschaftlichem Erfolg überzeugt gewesen wären, zum anderen ist es immer noch besser, spät auf den Markt zu kommen als nie. Dafür aber nachhaltig – und genau das werden wir tun. Bei Pick&Place-Applikationen und in der Highspeed-Montage haben unsere Kunden und Interessenten nun die Wahl zwischen Scaras, Deltarobotern und unseren LR-Mate-Robotern. Ich bin sicher, dass wir mit den Scaras neue Marktsegmente erobern werden. Integrierbare Vision-Systeme und weitere bewährte Fanuc-Features werden uns dabei helfen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wo sehen Sie Ansatzpunkte, um Marktanteile zu gewinnen? Und welche Argumente führen Sie dabei ins Feld?

Winkelmann: Ein Ansatzpunkt ist es, die Wahrnehmung der Marke Fanuc zu verbessern, ein anderer, dass wir die Vorteile unserer Technik wesentlich deutlicher machen müssen als bisher. Bei CNC-Steuerungen ist die Hürde besonders hoch. Auch wenn Fanuc langjährige Erfahrung im CNC-Bereich vorweisen kann, treten wir in Deutschland und Europa gegen lokal starke Wettbewerber an. Doch Maschinenbauer, die am globalen Wettbewerb erfolgreich teilhaben und sich neue Märkte und Kunden erschließen wollen, kommen in punkto CNC-Steuerungen an Fanuc nicht vorbei. Leider schrumpft der deutsche Markt für CNC-Steuerungen, weil mehr und mehr einheimische Maschinenbauer ihre Produktionen in ihre Hauptabsatzmärkte verlagern; nach China beispielsweise. Angesichts dessen Marktanteile in Deutschland gewinnen zu wollen, stellt eine besondere Herausforderung dar. Andererseits profitieren wir davon, dass Fanuc in den Ländern Asiens einfach eine Macht ist. Die Gründe dafür liegen nicht nur in der installierten Basis, sondern vor allem in den Eigenschaften unserer Produkte und Lösungen wie etwa Bedien- und Benutzerfreundlichkeit, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit, Verfügbarkeit sowie in ihren technischen Features.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie sieht es auf Seite der Robotik aus?

Winkelmann: Um in der Robotik weitere Marktanteile zu gewinnen, setzen wir auf unsere bewährte Vertriebsstrategie und auf unsere umfassende Produktpalette. Viel versprechen wir uns dabei von den neuen Scaras sowie von unseren kollaborativen Robotern. Auch hier gibt es von Fanuc eine neue Maschine mit 15 Kilo Traglast und größerer Reichweite. Die Vorteile, die kollaborative Roboter in der Arbeitswelt bieten, sind unbestritten. Wie sich jedoch der Markt für kollaborative Roboter entwickeln wird, ist momentan nur schwer absehbar. Gleiches gilt auch für mobile Roboteranwendungen. Wir untersuchen bereits mögliche Anwendungen mit genügend Automatisierungspotenzial und entwickeln angepasste Lösungen dafür. Ein ganz wichtiges Merkmal im Wettbewerb um Marktanteile sind nicht zuletzt unsere Leistungen im Pre-and-After-Sales-Service – nicht zuletzt getragen von über 250 Fanuc-Niederlassungen in 46 Ländern weltweit. Wir legen unseren Kunden nahe, ihre jeweiligen Projekte stets unter dem Aspekt der Total Costs of Ownership zu betrachten. Das greift mittlerweile und es stimmt uns optimistisch, dass unsere Kunden den langfristigen Benefit von Fanuc-Produkten wertschätzen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Zurück zum Claim „One Fanuc“. Man hört oder liest recht wenig davon, wie diese Strategie wirklich greift. Was ist denn nun aktuell Stand der Dinge?

Winkelmann: Dass ‚One Fanuc‘ so wenig Gesprächsstoff bietet, zeigt eigentlich nur, dass unsere Kunden verinnerlicht haben, dass es keine verschiedenen Gesellschaften mehr gibt, sondern nur noch ein Unternehmen, das seine Synergieeffekte jetzt umso besser nutzen und näher am Kunden sein kann als vor dem Merger 2013. Trotzdem wird es noch weitere Zeit brauchen, bis wir dort sind, wo wir hin wollen. ‚One Fanuc‘ ist ein kontinuierlicher Prozess, der unseren Kunden zu Gute kommt.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Aber es gibt doch sicher quantifizierbare Zwischenergebnisse, beispielsweise wie erfolgreich seither die Kundenakquise läuft.

Winkelmann: Nun, ich hatte ja bereits die Umstellung unseres Vertriebskonzeptes erwähnt. Das Vertriebsgebiet in Deutschland ist jetzt in Regionen geclustert, in denen Vertriebsteams eigenverantwortlich agieren und alle Produkte und Lösungen von „One Fanuc“ in ihrem Portfolio haben. Konkret heißt das beispielsweise: Wenn unsere Vertriebsingenieure mit Kunden oder Interessenten über Investitionen in Werkzeugmaschinen bzw. Bearbeitungszentren reden, sprechen sie mit ihnen auch immer über die jeweils optimalen Maschinensteuerungen, die Automatisierung der Maschinen mit geeigneten Robotern zum Be- und Entladen, Visionsysteme und dergleichen mehr, was die Effizienz der Maschinen steigern kann. Dieses Komplettangebot wird sehr gut angenommen und das ist ein ganz konkretes Ergebnis unserer neuen Strategie.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Ohne den endgültigen Bilanzen vorzugreifen, gibt es doch sicher einen Trend bei der Umsatz- und Gewinnentwicklung.

Winkelmann: Dank einiger Großprojekte im Automobilbereich, aber auch getragen durch eine sehr gute Entwicklung in der Fläche, steuern wir wohl wieder auf einen neuen Rekord in diesem Geschäftsjahr zu.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Sie haben von dem neuen Entwicklungszentrum in Neuhausen gesprochen. Was passiert hier?

Winkelmann: Ich hatte ja bereits angedeutet, dass hier in Neuhausen viele Entwicklungsprojekte angestoßen und gemeinsam mit Japan in Form von neuen, serienreifen Produkten in der Robotik und ihrer Peripherie, der Steuerungstechnik und der Software erfolgreich realisiert worden sind. All diese Entwicklungen waren und sind markt- und kundengetrieben und das erfordert nun mal große Markt- und Kundennähe, wobei diesbezüglich das Herz eindeutig in Europa schlägt. Diese Arbeit werden wir also Schritt für Schritt intensivieren, und zwar für alle Produkte und Lösungen aus unserem Hause: Industrieroboter, CNC-Systeme, Robodrill, Roboshot, Robocut. Es sind bereits Entwicklungsingenieure aus Japan hier vor Ort, was sowohl die generelle Bedeutung dieses Projektes zeigt als auch, dass unsere Entwicklungsarbeit und unsere Kommunikation globaler geworden sind. Gemeinsam können wir Problemstellungen besser erkennen und Lösungen entwickeln.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und weil wir gerade bei Entwicklungsprojekten sind: Was ist Stand der Dinge bei der offenen Plattform Field?

Winkelmann: Ja, Field ist ein sehr spannendes und vielfältiges Thema, das uns allen bei Fanuc mit Blick auf Industrie 4.0 und das Internet of Things am Herzen liegt. Mit dem Field-Modul ZDT – Zero Down Time – hatten wir auf verschiedenen Fachmessen ja bereits eine Lösung für die unterbrechungsfreie Produktion gezeigt. Uns ist aber auch bewusst, dass es Aspekte gibt, die wir noch deutlicher betrachten müssen. Als ein Beispiel möchte ich an dieser Stelle das Stichwort Data Ownership nennen. Im Moment sind wir dabei, verschiedene Versionen von Field zu entwickeln, um den unterschiedlichen Anforderungen, IT-Infrastrukturen und anderen Rahmenbedingungen unserer Kunden optimaler Rechnung zu tragen. Erste positive Erfahrungen haben wir bereits gesammelt; einer unserer größten Kunden setzt weltweit bereits ein solches ZDT-Modul für mehrere tausend Roboter in seinen Produktionswerken ein. Mit Blick auf Field bzw. zu den verfügbaren Applikationen führen wir mit vielen großen Kunden Gespräche, u.a. aus den Bereichen Automobil und Tier 1, zu den Themen Internet of Things, IT-Infrastruktur, Cloud, OPC UA, Datensicherheit und dergleichen mehr. Wir sind mit Field auf einem guten Weg zum Internet of Things, aber noch lange nicht am Ziel, wenn es das überhaupt gibt. Auf jeden Fall werden wir auf der kommenden Fachmesse Automatica ZDT als eine konkrete Field-Applikation in seiner aktuellen Ausbaustufe zeigen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Winkelmann, vielen Dank für das Gespräch.

FANUC Deutschland GmbH
www.fanuc.eu/de

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