Selbstlernender humanoider Assistenzroboter

Selbstlernender humanoider Assistenzroboter

Nummer 6 lernt

Der Einsatz von Robotern in Fabrik- und Lagerhallen ist Alltag. Sie erfüllen dort vielfältige Aufgaben wie Kommissionieren, Schweißen oder Montieren. Doch sind sie meist auf eine ganz spezifische Aufgabe spezialisiert und arbeiten durch Käfige oder Absperrungen getrennt vom Menschen. Armar-6 hingegen kann direkt mit seinen menschlichen Kollegen zusammenarbeiten.

(Bild: Karlsruher Institut für Technologie)

(Bild: Karlsruher Institut für Technologie)

Armar-6 ist ein Assistenzroboter für industrielle Umgebungen, der mit Menschen interagiert und sie proaktiv unterstützt. Er ist bereits die sechste Generation und damit das jüngste Mitglied der am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickelten Armar-Familie. Mit seinem humanoiden Körper kann er für den Menschen geschaffene Werkzeuge verwenden. Seine künstliche Intelligenz erlaubt es ihm, selbständig Aufgaben im Kontext der Wartung industrieller Anlagen zu übernehmen, die Hilfebedürftigkeit eines menschlichen Kooperationspartners zu erkennen und seine Unterstützung anzubieten. Eine große Herausforderung ist dabei, dass der Roboter mit einer Fülle von möglichen Situationen konfrontiert wird, die zum Zeitpunkt seiner Programmierung nicht vorhergesehen werden können. Der Roboter ist dazu nicht auf eine bestimmte Betätigung festgelegt, sondern kann durch Beobachtung des Menschen z.B. den Gebrauch neuer Werkzeuge selbst erlernen. Mit seinen menschlichen Gliedmaßen ähnelnden Armen kann Armar-6 seinen Kollegen mit Hammer oder Bohrmaschine buchstäblich zur Hand gehen, ihnen die Gerätschaften anreichen oder anderweitigassistieren. Das funktioniert nicht nur mit wenigen vorprogrammierten Arbeitsgeräten, denn aufgrund seiner künstlichen Intelligenz ist der Robo-Helfer in der Lage, seine Fähigkeiten kontinuierlich zu verbessern: durch Beobachtung, sprachliche Anweisung oder aus eigener Erfahrung. So kann er ohne zusätzlichen Programmieraufwand in ganz unterschiedlichen Umgebungen eingesetzt werden und Menschen bei schwierigen oder stark belastenden Arbeiten unterstützen.

(Bild: Karlsruher Institut für Technologie)

(Bild: Karlsruher Institut für Technologie)

Künstliche Assistenz

Die Karlsruher Wissenschaftler um Prof. Tamim Asfour konzipierten Armar-6 bewusst als Assistenzroboter, der direkt mit Menschen zusammenarbeitet. Zu diesem Zweck ist er mit 3D-Kameras ausgestattet, mit denen er seine Umgebung wahrnehmen und Menschen erkennen kann. Lasersensoren in seiner mobilen Plattform ermöglichen ihm, sich kollisionsfrei zu bewegen. Durch hochpräziser Drehmomentsensoren in allen Armgelenken setzt er seine Kraft dabei so feinfühlig und sicher ein, dass er gefahrlos mit Menschen zusammenarbeiten kann. Mit dem ausfahrbaren Torso kann der Seviceroboter seine Größe um 40cm auf über 240cm erhöhen und selbst mit ausgestrecktem Arm ein Gewicht von über 10kg anheben. Armar-6 lernt seine Bewegungsfertigkeiten durch Beobachten des Menschen und verbessert sie durch wiederholtes Ausführen. Autonom kann er in Abhängigkeit der nächsten Aktion, die auf einem Objekt oder mit einem Werkzeug auszuführen ist, entscheiden wie dieses zu greifen ist. Durch das Erkunden seiner Umgebung kann er außerdem Zusammenhänge zwischen seinen Aktionen und der wahrgenommenen Welt erlernen. Hierzu beherrscht er verschiedene Lernverfahren, vom rein explorativen Lernen bis hin zu teaching oder coaching durch den Menschen. Mit seinem menschlichen Partner kommuniziert er über natürliche Sprache. Vier Computer im Roboter stellen die notwendige Rechenleistung für die Algorithmen der Regelung, der Bildverarbeitung, der Interaktion sowie für die Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz bereit. Die Software-Architektur ist in ArmarX realisiert, der am KIT eigens entworfenen Entwicklungsplattform. Um den Entwicklungsprozess zu unterstützen, stellt die Plattform eine Reihe von Werkzeugen zur Verfügung, wie eine grafische Benutzeroberflächen sowie Anwendungen für die Fernwartung und Zustandsüberwachung. Ein großer Akku ermöglicht den kabellosen und völlig autonomen Betrieb. Alle Gelenkantriebe in den Armen bestehen aus eigens entwickelten, robusten und gekapselten Einheiten, die Elektromotor, Getriebe, Sensoren, Elektronik und Regelung enthalten. Schleifringe erlauben eine kontinuierliche Rotation der Gelenke. Unterschiedliche Regelungen ermöglichen die Ausführung von präzisen und kraftgeregelten Bewegungen. Seine ersten Arbeitseinsatz hat der Roboter bereits hinter sich: als Servicetechniker im automatisierten Lagerhaus des britischen Onlineshops Ocado. Denn die sechste Generation der Roboterfamilie ist Teil des 7Mio.-Euro-Projektes SecondHands, das von der Europäischen Union gefördert wird und die Automatisierung in neuen Arbeitsbereichen erforschen soll.

(Bild: Karlsruher Institut für Technologie)

(Bild: Karlsruher Institut für Technologie)

Roboter mit Geschichte

Die erste Armar-Generation (Armar I und Armar II) entwickelte der Karlsruher Forscher bereits in den Jahren 2000 und 2002 im Zuge seines Promotionsvorhabens. Beide Roboter stehen heute im Deutschen Museum in München. Die Zwillingsroboter Armar-IIIa und IIIb folgten ab 2006 und werden noch heute am KIT zur Forschungszwecken und zur Evaluation neuer Ansätze und Methoden der autonomen Robotik und künstlichen Intelligenz eingesetzt. Während Armar-III sich auf Rollen fortbewegt, war Armar-4 als erster zweibeiniger humanoider Roboter im Jahr 2012 mechatronisch fertiggestellt. Im Mittelpunkt standen hier Forschungsfragen der Stabilisierung, die Prädiktion und Prävention von Stürzen sowie die autonome Erkennung von Interaktionsmöglichkeiten in unbekannten Umgebungen. Doch auch Armar-6 stellt laut Asfour noch lange nicht den Endpunkt der Entwicklung dar: „Unsere Vision ist es, Ganzkörper-Roboteranzüge zu realisieren, sogenannte Exoskelette, die motorische Fähigkeiten des Menschen augmentieren, beziehungsweise motorische Limitationen kompensieren.”

Karlsruher Institut für Technologie
www.uni-karlsruhe.de

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: SMW-electronics GmbH
Bild: SMW-electronics GmbH
Kontaktlose Übertragung von Energie und Signalen durch induktive Koppelsysteme von SMW-Electronics

Kontaktlose Übertragung von Energie und Signalen durch induktive Koppelsysteme von SMW-Electronics

Eine wesentliche Rolle auf dem Weg zur digitalen Fabrik spielt smarte Konnektivität. Zur kontaktlosen Übertragung von Energie und Signalen für die Anbindung von Sensoren und Aktoren hat SMW-Electronics induktive Koppelsysteme entwickelt. In den unterschiedlichen Bauformen können sie nicht nur zusätzlichen Nutzen ausspielen, sondern ermöglichen auch ganz neuartige Anwendungen. Endlos rotierende Robotergreifer sind nur ein Beispiel.

Bild: DM-Drogerie Markt
Bild: DM-Drogerie Markt
Kommissionierung von Versandpaletten

Kommissionierung von Versandpaletten

Im Verteilzentrum der Drogeriekette DM in Wustermark bei Berlin sind insgesamt 19 Kuka-Roboter im Einsatz. Sie palettieren, depalettieren und positionieren die Waren vor, die dann vom Verteilzentrum aus ihren Weg in die DM-Filialen finden. Die automatisierten Intralogistiklösungen dort kommen von Swisslog. Das neuartige daran: Um alle Filialen flexibel und individuell mit Waren zu versorgen, kommt ein digitaler Zwilling der Filiale zum Einsatz.