Zur Fahrlässigkeitshaftung im Kontext der Mensch/Roboter-Kollaboration

Fallbeispiel für rechtliche Probleme und Haftungsrisiken bei MRK

Industriearbeiter A arbeitet im Werk des Automobilherstellers X. Seit ein paar Monaten wird in der Fertigung ein Roboter eingesetzt, mit dem die Arbeiter direkt zusammenarbeiten – die Arbeiter dirigieren den Weg, der Roboter setzt die Teile ein und die Arbeiter kontrollieren einer unternehmensinternen Bestimmung entsprechend das Produktionsergebnis. Der Roboter ist nicht zertifiziert, entspricht jedoch ISO10218 und wird nach einer Risikobeurteilung unternehmensintern als sicher eingestuft. U.a. hört er mit seiner automatisierten Bewegung auf, wenn er einen Menschen in einer bestimmten Safety Zone bemerkt. Eine weitere unternehmensinterne Richtlinie besagt, dass man sich dem Roboter nur frontal nähern soll. A hat mit dem Roboter zunächst nichts zu tun, als jedoch ein Kollege erkrankt, bittet ihn sein Vorgesetzter, dessen Arbeitsplatz zu übernehmen, gibt A die unternehmensinternen Richtlinien und kurze Anweisungen zur Bedienung. A macht sich an die Arbeit. Zunächst funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Roboter reibungslos. Einige Male gelangt A aber in die Safety Zone, die von seinem erkrankten Kollegen eingestellt wurde. Da danach jedes Mal der Roboter still steht, beschließt A, die Safety Zone kleiner zu stellen. Das ist zwar möglich, widerspricht allerdings den unternehmensinternen Richtlinien.Der Kollege des A, C, geht davon aus, dass alle Roboter eine ähnliche Safety Zone haben und nähert sich deshalb unbekümmert dem Roboter. Tatsächlich erkennt der Roboter ihn aufgrund der geänderten Einstellung nicht schnell genug und der Greifer verletzt C am Oberarm. A argumentiert, dass der Roboter immer noch der ISO-Norm entsprochen hätte und unternehmensinterne Richtlinien keine rechtliche Relevanz hätten. Außerdem sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen, dass C – der sonst einen ganz anderen Arbeitsbereich hat – gerade an diesem Tag in die Nähe des Roboters geht. Der Roboter solle gerade individuell einstellbar sein und nur das habe er ja gemacht – dass der Roboter bei seinen Bewegungen jemanden mit dem Greifarm schädigen könne, hätte er als Laie wohl nicht wissen können. C meint, er habe auch nicht wissen können, dass der Roboter so reagiere.

An diesem Beispiel zeigen sich verschiedene rechtliche Probleme: So ist der konkrete Unfall jedenfalls für Programmierer und Hersteller des Roboters keinesfalls vorhersehbar. Auch haben sie aufgrund des konkreten Trainings durch Nutzer A keinen Einfluss mehr auf die spezifische Sicherheit gerade dieser Maschine. A konnte jedoch ebenfalls nicht vorhersehen, dass gerade ein solcher Unfall eintreten könnte. Es zeigt sich hier zudem, dass die bloße Einhaltung von außerrechtlichen Normen nicht zu einem Haftungsausschluss für die Beteiligten führt. Selbst wenn die unternehmensinternen Richtlinien tatsächlich keine Rechtskraft haben, dienen sie doch der Orientierung, zumindest solange sie die Werte der Gesamtgesellschaft nicht außer Acht lassen – dafür gibt es hier keine Hinweise.

Der Fall zeigt auch, dass insbesondere das Einstellen auf den unbekannten Akteur ‚Maschine‘ noch eine Weile dauern wird und bis dahin das Risiko von Schädigungen erhöht ist. Das zeigt sich umso mehr, wenn das maschinelle Handeln unbeteiligte Dritte betrifft: Im Folgenden dreht der Roboter bei einigen Kfz eine Schraube nicht ganz fest – ein Risiko, das vorher vom Hersteller des Roboters mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 Prozent eingeschätzt und deshalb als zu vernachlässigen angesehen wurde. Das Risiko wurde den Firmen, die den Roboter einsetzten, aber kommuniziert.Aufgrund der falsch eingesetzten Schraube kommen einige Autos von der Straße ab, wodurch drei Passanten verletzt werden. Die Ursache des Fehlers kann im Nachhinein nicht sicher festgestellt werden; denkbar ist ein Fehler des Programmierers, des Herstellers, aber auch desjenigen,der die Roboter im Automobilunternehmen einsetzte und an die Aufgaben anpasste. Es lässt sich jedoch feststellen, dass eine Kontrolle durch A – wie sie in den unternehmensinternen Richtlinien vorgeschrieben ist – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur rechtzeitigen Entdeckung des Fehlers geführt hätte. Zutreffend ist aber auch,dass bei einer Arbeitsteilung mit einem Kollegen bei ähnlichen Aufgaben im Unternehmen keine gegenseitige Kontrolle stattfindet,da sich dies als unnötig erwiesen hatte. A weiß, dass er eigentlich das Produkt kontrollieren sollte- da er sich aber auch bei Kollegen auf deren Arbeit verlassen könne, müsse das doch bei Robotern erst recht gelten, da die doch noch genauer arbeiten.

Neben der Komplexität bei der Fehlerermittlung zeigt dieses Beispiel auch, dass aufgrund der Unbekanntheit der Maschine derzeit noch kein Vertrauen auf deren Verhalten möglich ist. Ob und unter welchen Bedingungen eine Maschine zuverlässig handelt, ist von außen nicht erkennbar. Besteht die Möglichkeit, dass die Maschine auch unbeteiligte Dritte schädigt, ist deshalb besonders vorsichtig zu agieren. Sind Kontrollen vorgeschrieben, ist es für die Sicherheit aller potenziell Betroffenen essentiell, sie durchzuführen.

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Leibniz Universität Hannover
www.ipeg.uni-hannover.de

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