Werner Kraus, Abteilungsleiter Roboter- und Assistenzsysteme, im Interview

50 Jahre Robotik am Fraunhofer IPA

Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA ist von Beginn an eng mit der jahrzehntelangen Geschichte der noch jungen Disziplin der Robotik verwoben. 1973 noch Handhabungstechnik genannt, hat das Fraunhofer IPA die Robotik von Anfang an gefördert und vielfältige Anwendungen realisiert. Das Ziel war und ist es, den Einsatz von Robotern auch dort zu ermöglichen, wo es noch keine zufriedenstellenden Lösungen gibt oder die technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu groß sind. Unter dem Motto #whatsnextrobotics feiert das Institut die Geschichte von 50 Jahren Robotik und blickt gleichzeitig in die Zukunft. Zu diesem Anlass befragte ROBOTIK UND PRODUKTION Werner Kraus, Abteilungsleiter Roboter- und Assistenzsysteme, zu den derzeitigen Herausforderungen in der Entwicklung von Robotersystemen.
Bild: Fraunhofer IPA

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was sind die Stärken des Fraunhofer IPA, auch innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft?

Werner Kraus: Das Fraunhofer IPA ist mit über 1.000 Mitarbeitenden und über 1.000 Industrieprojekten pro Jahr nach dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS das größte Institut innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft. Thematisch sehr breit aufgestellt, liegt insbesondere die Robotik in der DNA des Instituts. Eine besondere Stärke ist die Unterstützung von Ausgründungen. Mit zwei Ausgründungen pro Jahr seit 2015 gehört das Fraunhofer IPA international zu den aktivsten Gründerinstituten. Mit 3,5 Spin-Offs pro 1.000 Vollzeitbeschäftigte ist die Zahl der Ausgründungen aus dem Institut mehr als eineinhalbmal so hoch wie am Institute for Technology MIT in Boston. Eine weitere Stärke des Fraunhofer IPA ist die klare Ausrichtung auf die Lösung von Endkundenproblemen. Das Institut konzentriert sich darauf, Industriepartner bei der Anwendung neuester Technologien zu unterstützen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Dabei setzen die Fraunhofer-Experten weniger auf die eigene Roboterentwicklung, sondern vielmehr auf die Entwicklung von Anwendungen und die Automatisierung von Engineering-Prozessen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was sind die großen Herausforderungen der Robotik?

Eine der größten Herausforderungen in der Robotik ist die Installation und Inbetriebnahme. Derzeit erfordert dieser Schritt ein hohes Maß an Prozess- und Roboter-Knowhow. In Zukunft sollen sich Roboter selbstständig an neue Produkte oder Rahmenbedingungen anpassen und rekonfigurieren können. Das erfordert eine Demokratisierung der Robotik, um aus dem universellen Industrieroboter eine Automatisierungslösung zu bauen, die auch für kleine Losgrößen wirtschaftlich von Relevanz ist. Eine weitere Herausforderung ist die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Es gilt, die Effizienz und Sicherheit in der Produktion zu erhöhen, indem wir Roboter in die Lage versetzen, in unstrukturierten und dynamischen Umgebungen zu arbeiten und flexibel auf Veränderungen reagieren zu können. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist auch die Erschließung neuer Märkte. Wir müssen ausgetretene Pfade verlassen, um den Herausforderungen der Gesellschaft zu begegnen. Dabei geht es nicht nur um Anwendungen in der Industrie, sondern auch um Lösungen für die stationäre Pflege, die Reinigungs- oder die Agrarrobotik. Wir müssen ganzheitlich denken und Themen wie einfache Bedienbarkeit, Sicherheit, Roboterdesign, Finanzierungsmöglichkeiten und gesellschaftliche Akzeptanz einbeziehen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was trägt das Fraunhofer IPA zu deren Lösungen bei?

Das Fraunhofer IPA setzt auf die Entwicklung von Technologien und Systemen, die eine schnelle Anpassung und Rekonfiguration von Produktionsanlagen ermöglichen. Gleichzeitig erforschen wir die Mensch/Maschine-Interaktion, um Assistenzsysteme wie die Robo-Dashcam zu entwickeln, die die Ergonomie und Sicherheit am Arbeitsplatz verbessern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Einsatz von KI-Lösungen, um Lücken in der Produktion zu schließen und Roboter autonomer, flexibler und robuster zu machen. Die IPA-Ausgründung Assemblio z.B. unterstützt die Montageplanung mit einer KI-gestützten Planungssoftware, die CAD-Daten auswertet und automatisch Montageanleitungen und -assistenzen generiert. Der Planungsaufwand wird so reduziert und weniger fehleranfällig. Durch eine virtuelle Machbarkeitsprüfung beim KI-basierten Bin Picking erkennt der Roboter selbstständig Verhakungen und plant den Griff so, dass diese gelöst werden. So können hohe Kosten oder eine manuelle Vereinzelung vermieden werden. Insgesamt arbeiten wir an der Weiterentwicklung und Demokratisierung der Robotik, um aus dem universellen Industrieroboter eine Automatisierungslösung zu bauen, die auch für kleine Losgrößen wirtschaftlich sinnvoll ist. Unser Ziel ist es, das notwendige Roboterwissen zu reduzieren. Außerdem wollen wir dazu beitragen, dass Roboter auch ganz neue Aufgaben außerhalb der Produktion übernehmen können, bei denen viele kognitive Fähigkeiten gefragt sind. Hier sind wir bereits in den Bereichen der stationären Pflege aber auch in der Agrarrobotik mit dem Outdoor-Roboter Curt_Mini sehr aktiv.

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