Smarte Robotik bei Verpackungsmaschinenbauer Schubert

Smarte Robotik bei Verpackungsmaschinenbauer Schubert

Der Highspeed-Cobot

Die Firma Schubert ist nicht nur bekannt als Taktgeber im Verpackungsmaschinenbau, sondern auch für eine außergewöhnliche Wertschöpfungstiefe. Die verbauten Steuerungen entwickelt und fertigt das Unternehmen selbst, genauso wie Roboterkinematiken, moderne Bildverarbeitungslösungen oder die dazugehörige Software. Jetzt hat Schubert sogar einen Cobot aus eigener Entwicklung angekündigt. Grund genug für einen Besuch von ROBOTIK UND PRODUKTION vor Ort.

 (Bild: Schubert Business Development GmbH)

(Bild: Gerhard Schubert GmbH)

Über alle Branchen hinweg gilt: Eine moderne Maschine setzt sich aus den Kerndisziplinen Mechanik, Elektronik und Software zusammen. „Wir bei Schubert sind der Meinung, dass man sich nicht nur auf die Mechanik konzentrieren darf“, skizziert Geschäftsführer Ralf Schubert den eigenen Anspruch als Maschinenbauer. Deshalb ist die Wertschöpfungstiefe bei Schubert in allen drei Bereichen sehr hoch. Während viele Maschinenbauer einen anderen Weg eingeschlagen und auf am Markt verfügbare Elektronik-, Steuerungs- und Softwarelösungen zugegriffen haben, hat man bei Schubert die eigene Wertschöpfung nochmals erweitert. So zählt der Verpackungsmaschinenbauer längst auch die Bildverarbeitung und die Robotik zu den hauseigenen Kernkompetenzen.

„Der Einsatz marktüblicher Leichtbauroboter kann nicht unser Weg sein, denn wir verstehen uns längst als Roboterhersteller.“ Ralf Schubert, Schubert (Bild: Gerhard Schubert GmbH)

Wertschöpfung + Integration = USP

„Diese Expertise bringt uns große Vorteile“, versichert der Geschäftsführer. Fast alle Teile einer Schubert-Verpackungsmaschine werden im eigenen Haus entwickelt und produziert: Vom mechanischen Grundgerüst über die CNC-Achsen und die Steuerungssoftware bis hin zu HMIs, OPC-Server oder Vision-Lösungen. „Das gesamte System kommt von uns“, bekräftigt Schubert. So entstehen am Stammsitz in Crailsheim rund 15 Teilmaschinen pro Woche, die in der Endmontage zu kompletten Verpackungsanlagen zusammengesetzt und in Betrieb genommen werden. Aus der hohen Wertschöpfung generiert Schubert einen zentralen USP: die vollständige und nahtlose Integration aller Maschinenbestandteile. Es gibt keine unnötigen Schnittstellen und Gateways, die sich negativ auf die Performance auswirken. „Man kann längst nicht mehr sagen, dass ein bestimmtes Teil einer Maschine das wichtigste ist“, fährt der Unternehmer fort. „Am wichtigsten ist das Zusammenspiel aller Bestandteile. Dabei darf man keine Kompromisse eingehen.“ Mit diesem Ansatz hat sich der Maschinenbauer auch der Robotik gewidmet.

Schon seit den 1980er-Jahren setzt Schubert auf die hohe Performance von Scara-Kinematiken. (Bild: TeDo Verlag GmbH)

Zwei Messen Vorsprung

Heute ist das aktuelle Portfolio deutlich breiter, doch die Firma Schubert kommt historisch aus der Endverpackung. In den 1980er-Jahren konkurrierten in der Branche verschiedene Verfahren, um ein Produkt zu verpacken. Das sogenannte Toploading, bei dem die Produkte von oben in die Verpackung kommen, galt im Vergleich ursprünglich als zu kompliziert. „Das änderte sich durch die technologischen Fortschritte in der Robotik“, blickt Ralf Schubert zurück. „Deswegen haben wir uns dieses Prinzips angenommen – und der Robotik.“ In der Folge zeigte das Unternehmen 1981 auf der Interpack den ersten vierachsigen Verpackungsroboter. „Die Besucher waren begeistert“, erinnert sich der Geschäftsführer, „sie hatten ja noch nie einen Roboter gesehen.“ Eine Fachmesse später – im Jahr 1984 – zeigte Schubert bereits eine komplette Roboterpackstraße mit vierachsigen Kinematiken. „Der Wettbewerb hat uns einen nachhaltigen Erfolg mit diesem Konzept nicht zugetraut und abgewartet.“ Erst zwei Fachmessen darauf, also sechs Jahre später, haben Marktbegleiter nachgezogen und ebenfalls Roboterlösungen vorgestellt. Bemerkenswert: Heute gibt es außer Schubert keinen Verpackungsmaschinenhersteller mehr, der seine Roboter selbst baut. Doch war es mitnichten einfach, die Robotik fit für Verpackungsanwendungen zu machen. Denn die frühen Robotersteuerungen waren nicht schnell genug. „Wir haben damals deshalb selbst einen PC-basierten Controller entwickelt“, erzählt Ralf Schubert. Damit waren zumindest 50 Takte pro Minute möglich. „Klassische Controller hätten höchstens 30 Takte geschafft.“ Um Performance-Probleme endgültig zu eliminieren, realisierte Schubert in den 1990er-Jahren ein komplettes Steuerungssystem: die Verpackungsmaschinensteuerung VMS. Daraus hervorgegangen ist das Tochterunternehmen Schubert System Elektronik, das die Steuerungstechnik für die hauseigenen Anlagen bis heute entwickelt und produziert.

Vom Robot zum Cobot

Das Spektrum der bei Schubert verbauten Kinematiken ist breit. Schon früh setzte das Unternehmen allerdings auf Scara-Roboter. „So haben wir bereits in den 1980er-Jahren eine Pralinenpackstraße realisiert“, erinnert sich Schubert. Heute ist das Verhältnis bei Pick-Vorgängen in den Maschinen etwa 80 Prozent Scaras zu 20 Prozent Deltas. Als das Thema der kollaborativen Robotik immer mehr Beachtung in der Branche fand, stellte sich für Schubert – zumindest theoretisch – wieder einmal die Frage: Eine gängige Lösungen zukaufen oder selbst machen? „Viele Wettbewerber setzen z.B. marktübliche Leichtbauroboter auf einer siebten Achse ein. Das kann aber nicht unser Weg sein“, betont Schubert. „Denn wir verstehen uns längst als Roboterhersteller.“ Entsprechend fiel die Entscheidung nicht schwer. Als Ziel wurde ein kompletter Baukasten für Cobot-Lösungen definiert, der eine fünfachsige Scara-Kinematik, ein Vision-System, Zuführbänder, Formatteile und vieles mehr umfasst. Kernelement ist eine einfach zu konfigurierende Steuerung, mit der das Unternehmen dem steigenden Programmieraufwand sowie dem Mangel an Spezialisten begegnen will. Mithilfe von KI-Algorithmen und neuronalen Netzen soll sich der Cobot fast wie von selbst auf die zu handhabenden Produkte einstellen.

MRK oder Highspeed?

Ein Manko gängiger Cobots ist die Geschwindigkeit. Sie wird deutlich reduziert, damit der Roboter im direkten Umfeld des Menschen seinen Dienst verrichten kann. Verpackungsmaschinen gelten hingegen als Paradebeispiel für Highspeed-Anwendungen. Wie kam Schubert dann überhaupt auf die Idee mit dem Cobot? „Wir reduzieren den Cobot nicht auf die Kollaboration mit dem Werker“, erklärt Volker Haaf, der bei Schubert für das Cobot-Projekt verantwortlich ist. „Das wäre zu kurz gegriffen, denn aus unserer Sicht steckt viel mehr hinter dem Begriff.“ In der Tat werden die wenigsten Cobots heute ohne Schutzzaun und zur direkten Zusammenarbeit mit dem Menschen eingesetzt. „Das zentrale Merkmal für den Erfolg der Cobots ist ihre Einfachheit“, fährt Haaf fort. „Sie lassen sich schnell einrichten und an neue Aufgaben anpassen.“ Diese Eigenschaft sei in Zeiten von Losgröße 1 immer öfter die entscheidende und der Hauptaugenmerk beim Schubert-Cobot. Abseits davon soll er, wie in der Verpackungstechnik gefordert, sehr schnell sein. „Die Geschwindigkeit wird im Cobot-Markt bislang nicht adressiert“, so der Projektverantwortliche. „Nachdem wir dort unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal besetzen wollten, mit dem wir uns auskennen, lagen Pick-Prozesse mit Scara ja quasi auf der Hand.“ In der Folge soll der Pick&Place-Cobot von Schubert zwar nicht kollaborativ, aber durchaus kooperativ oder koexistent mit dem Mitarbeiter zusammenarbeiten. Kommt ein Mensch in die Nähe, verringert er seine Geschwindigkeit oder stoppt komplett. „Er passt sich der jeweiligen Situation an“, bringt es Haaf auf den Punkt. Umgekehrt soll er sich unkompliziert an neue Situationen bzw. Aufgaben anpassen lassen. Im Zweifel von derjenigen Person in der Produktion, die die jeweilige Aufgabe bisher selbst erledigt hat. „Das ist nur mit einem sehenden System möglich“, unterstreicht Haaf. „Deshalb ist die Kombination von Robotik und Vision ohne aufwändige Schnittstellen eine zentrale Voraussetzung.“

Der Griff in den Haufen

Die großen Endanwender der Verpackungsbranche interessieren sich durchaus für Cobots. „Ein marktgängiger Leichtbauroboter stellt für uns aber keinen Wettbewerb dar“, versichert Ralf Schubert. „Wir machen heute auf zwei Meter Maschinenlänge 800 Picks pro Minute – das ist mit gängigen Cobots undenkbar.“ Dennoch muss sich das Unternehmen dem Trend zu immer öfter wechselnden, immer kleineren Batches stellen. Deshalb schreibt Schubert dem Cobot die Rolle eines Technologieträgers zu. „Obwohl unsere Maschinen heute schon unglaublich flexibel sind, wird der Cobot für uns zu einem Schlüsselelement“, sagt der Geschäftsführer. Schließlich beschäftige man sich dabei nicht nur mit der neuesten Technik, sondern auch mit neuartigen Prozessen und Geschäftsmodellen, die künftig in der Branche mehr Gewicht erhalten. Ziel ist es, dass der Cobot durch die Kombination von KI und Vision ein dreidimensionales Bild in Echtzeit auswerten kann. Das würde ihn in die Lage versetzen, Produkte in Hochgeschwindigkeit zu vereinzeln oder zuzuführen – ohne dass diese sortiert angeliefert werden müssen. Sozusagen der Highspeed-Griff in die Kiste. Nur ohne Kiste. Denn bei Geschwindigkeiten, wie sie die Verpackungsbranche fordert, würden allein die erhöhten Ränder einer Kiste den Prozess zu langsam machen. Schubert spezialisiert den Cobot also eher auf einen „Griff in den Haufen“. Ursprünglicher Launch-Termin für diese Pick&Place-Lösung wäre die Interpack in diesem Jahr gewesen. Durch die Covid19-Pandemie verschiebt sich diese Premiere nun um fast ein Jahr. Ralf Schubert ringt der Situation aber auch etwas Positives ab: „Jetzt haben wir mehr Zeit bis zur Premiere und können den Cobot noch besser machen.“ Mittelfristig solle die Cobot-Familie zudem wachsen. „Wir haben viele Ideen und sehen großes Potenzial für weitere solche Lösungen.“

„Wir reduzieren den Cobot nicht auf die Kollaboration mit dem Werker. Das wäre zu kurz gegriffen.“ Volker Haaf, Schubert (Bild: Gerhard Schubert GmbH)

Nächster Halt: Digitaler Zwilling

Geht es um die Zukunft, ist das Projekt Cobot aber nur eine Station für den Maschinenbauer. Getrieben von steigender Komplexität, Losgröße 1 und flexibler Software sei der Trend zu immer größeren Anlagen aus einer Hand unverkennbar. „Wir ermöglichen heute nicht nur Aufrichten, Füllen und Verschließen in einem Aufwasch, sondern integrieren auf Wunsch noch viele weitere Prozessschritte in unsere Anlagen“, schildert Schubert die Situation. In der Folge nimmt der Programmieraufwand stark zu. „Es kann heute sein, dass Techniker mehrere Monate an einem Programm arbeiten.“ Geht es nach Ralf Schubert, soll sich das bald ändern. Die Lösung sieht der Unternehmer im digitalen Zwilling, konkret in der hauseigenen Software Titan, die 2023 vorgestellt werden soll. „Mit Titan wird jeder Mechaniker in 30 Minuten eine Verpackungsmaschine konfigurieren, programmieren und simulieren können“, blickt Schubert voraus. Durch die komplette Integration der Anlage benötige man statt SPS-Programmierer, Roboterspezialisten und Anwendungsexperten nur noch eine Person. „Die programmiert dann die gesamte Maschine und nicht nur eine Komponente – ein riesiger Unterschied und der Traum jedes unserer Kunden.“ Der integrierte Ansatz von Schubert und die hohe Wertschöpfungstiefe sollen also auch in Zukunft – mit und durch Titan – der USP des Maschinenbauers bleiben. (mby)

www.schubert.group/de

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