Die Entzauberung

Die Entzauberung

Mensch/Roboter-Kollaboration, kurz MRK, war einige Jahre das Zauberwort der Branche. Mensch und Maschine vereinen ihre Stärken als gleichwertige Partner und arbeiten Seite an Seite zusammen. Soweit die Theorie. In der Praxis hat sich jedoch für Anwender und Anbieter herausgestellt: So einfach ist das gar nicht.

Mathis Bayerdörfer, Chefredakteur, ROBOTIK UND PRODUKTION (Bild: TeDo Verlag GmbH)

Weil sich mit MRK – zumindest auf den ersten Blick – die industrielle Robotik neu erfinden lässt, ist das Thema seit Jahren auf jeder Branchenveranstaltung und Fachmesse präsent. Mittlerweile führt auch jeder namhafte Roboterhersteller eigene Cobot-Lösungen in seinem Portfolio. Ergänzend dazu sind neue Marktteilnehmer aufgetaucht, die sich ausschließlich auf Cobots bzw. Leichtbauroboter spezialisieren. Wie breit das MRK-taugliche Angebot insgesamt ist, verdeutlicht die exklusive Marktübersicht in dieser Ausgabe ab Seite 41.

Stand heute hat der Trend jedoch einiges von seinem Zauber verloren. Denn die Praxis holt die Theorie ein und so haben verschiedene Faktoren einen schnellen und flächendeckenden Einzug der kollaborativen Roboter in der Produktion bisher verhindert – und den damit verbundenen Paradigmenwechsel. Allen voran die Sicherheit. Auch wenn MRK-Kinematiken auf Leichtbau basieren oder feinfühlige Kraft/Momenten-Sensorik nutzen, so lässt sich ein Verletzungsrisiko für Menschen in unmittelbarer Nähe nicht pauschal ausschließen. Die Sicherheitsbetrachtung muss alle Werkzeuge, Werkstücke und Umgebungsfaktoren der Applikation mit einbeziehen – ein aufwändiger Prozess, der spezifisch für jede Applikation neu durchgeführt werden muss.

Trotzdem bleibt das Potenzial hoch: Aktuelle Studien gehen von 60 Prozent Marktwachstum bei MRK allein in diesem Jahr aus. Entsprechende Roboter haben sich für die meisten Anbieter aber bisher nicht zu Highrunnern entwickelt. Der entsprechende Aufwand aus Entwicklung, Produktion und Vermarktung wird sich erst mittelfristig wieder einspielen lassen. Dass Anbietern dabei der Atem ausgehen kann, zeigt die Insolvenz des Cobot-Pioniers Rethink Robotics, der die Branche mit seinen Robotern Sawyer und Baxter in den vergangenen Jahren durchaus geprägt hatte.

Wer als Anbieter die Startschwierigkeiten übersteht, auf den wartet in Sachen MRK eine vielversprechende Zukunft. Mit den gesammelten Erfahrungen und der technologischen
Weiterentwicklung im Rücken wird in Zukunft ein nicht unbeachtlicher Anteil aller Robotikanwendungen auf Cobot-Basis gelöst werden. Auch heute gibt es schon vielversprechende praxistaugliche Umsetzungen, die konkreten Mehrwert durch die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter erschließen. Eine Auswahl finden Sie in dieser Ausgabe von ROBOTIK UND PRODUKTION ab Seite 30. In diesem Sinne wünsche ich eine angenehme Lektüre.

TeDo Verlag GmbH
www.tedo-verlag.de

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