Doctor A.I.: Künstliche Intelligenz und Medizinprodukte

Doctor A.I.: Künstliche Intelligenz und Medizinprodukte

Auch in der Medizin hält künstliche Intelligenz (KI) Einzug. Ein Beispiel: Während früher die Herzinfarktdiagnose mittels wiederholtem EKG erfolgte, kommt heute vermehrt spezielle KI-Software zur Unterstützung der ärztlichen Diagnose zum Einsatz. Diese Software kann in Windeseile Profile von RNA-Molekülen auswerten und miteinander verknüpfen, sodass der Herzinfarkt „sichtbar“ wird.

Isabel Jakobs ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei Noerr und auf die Beratung zur Produkthaftung und Product Compliance mit Schwerpunkt Life Sciences & Healthcare spezialisiert. (Bild: Noerr PartG mbB)

Isabel Jakobs ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei Noerr und auf die Beratung zur Produkthaftung und Product Compliance mit Schwerpunkt Life Sciences & Healthcare spezialisiert. (Bild: Noerr PartG mbB)

KI-Software ist darauf ausgelegt, gesammelte Daten zu strukturieren und zu interpretieren und aus diesen Daten abgeleitetes Wissen zu schlussfolgern. Und zwar innerhalb von Sekunden oder Minuten – so schnell, wie ein Mensch ohne technische Hilfe wohl keine entsprechende Diagnose stellen könnte. Den Rechtsrahmen für KI soll künftig der Artificial Intelligence Act (AIA) bilden. Der risikobasierte Ansatz der Verordnung zielt darauf ab, in Gestalt eines präventiven Verbotsgesetzes, ein Rechtsgerüst für vertrauenswürdige KI zu schaffen.

Regulatorische Probleme aufgrund von Doppelregulierung

Für Medizinprodukte gibt es seit Mai 2021 die europaweit harmonisierte EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR). Die MDR regelt unter anderem, dass Produkte mit einer medizinischen Zweckbestimmung als Medizinprodukte zu qualifizieren sind. Medizinprodukte unterliegen besonderen Anforderungen, bevor sie in Verkehr gebracht werden dürfen. Auch KI-basierte Software kann ein Medizinprodukt sein, wenn sie z.B. der Diagnose von Krankheiten dient. In diesem Fall muss für sie Wiederholbarkeit, Zuverlässigkeit und Leistung entsprechend ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung gewährleistet sein. Klassisch programmierte Software bereitet insofern keine besonderen Schwierigkeiten, da sie nach festen Regeln kontinuierlich und gleich funktioniert. KI jedoch soll sich gerade weiterentwickeln und ständig neuen Erkenntnissen anpassen, was Einfluss auf die genannten Kriterien und damit auf die Konformität haben kann. Ganz anders sieht das der AIA-Entwurf: Danach soll ein weitertrainiertes System nicht erneut zulassungsbedürftig sein. Es ist noch unklar, wie dieses Spannungsfeld aufzulösen sein wird.

Einstufung fast aller Medizinprodukte als Hochrisiko-KI-Systeme

KI-Medizinprodukte werden zudem nach dem AIA-Entwurf größtenteils als Hochrisiko-KI-Systeme, mit gesteigerten Anforderungen an die Zulässigkeit eingestuft. Unter anderem sind Anbieter dazu verpflichtet, spezifische Risikomanagementsysteme zu installieren sowie zusätzlichen Anforderungen an die Transparenz der verwendeten Daten zu genügen. Zusätzlich zu den oben bereits dargestellten Anforderungen der MDR werden die Anbieter von KI-Medizinprodukten damit vor hohe regulatorische Hürden gestellt, die sich als Innovationshemmer darstellen können. Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) äußert sich daher – zu Recht – kritisch zur Klassifizierung unter dem AIA-Entwurf: Die Einordnung erfolge zu pauschal und sollte sich stärker am Kontext des konkreten Einsatzes orientieren. Solche Kategorisierungen sind wichtig, um überhöhte regulatorische Hürden abzubauen.

Fazit

Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber mit Blick auf KI-Medizinprodukte noch nacharbeitet, um die EU weiterhin als Standort für Innovation in der Medizintechnik zu erhalten. Wünschenswert wäre eine klare Abgrenzung zwischen den unterschiedlichen Regularien sowie eindeutige Pflichten für Wirtschafstakteure, die den Entwicklungsprozess von KI berücksichtigen. Eine Überregulierung sollte vermieden werden, um keine übermäßigen regulatorischen Hürden aufzubauen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass KI-Produkte differenzierten Regulierungsvorschriften unterliegen und vor allem auch der Datenschutz gewährleistet bleibt. Die Balance zwischen diesen Interessen herzustellen, wird ein gesetzgeberischer Drahtseilakt.

Hochachtungsvoll

Isabel Jakobs

www.noerr.com

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Pilz GmbH & Co. KG
Bild: Pilz GmbH & Co. KG
Zugang im sicheren Fokus

Zugang im sicheren Fokus

In Produktionsumgebungen geben trennende Schutzeinrichtungen dem Menschen das Signal, dass sich hinter der Schutztür ein hochsensibler Bereich befindet und daher Vorsicht geboten ist. Hier erhalten Mitarbeiter über ein HMI oder einen Schlüssel, z.B. von Pilz, Zugang zum Prozess hinter dem Schutzzaun. Aber was, wenn die Person dafür nicht qualifiziert bzw. autorisiert wäre und sich oder andere Menschen in Gefahr bringen würde?

Bild: ©Fröhlich Max (LVT)/Liebherr-Verzahntechnik GmbH
Bild: ©Fröhlich Max (LVT)/Liebherr-Verzahntechnik GmbH
Vorabsimulation per digitalem Zwilling

Vorabsimulation per digitalem Zwilling

Die virtuelle Inbetriebnahme einer Palettierzelle mit automatischer Beladung einer Wälzschälmaschine per Roboter von Liebherr-Verzahntechnik konnte die Projektdauer bei einem Getriebehersteller signifikant verkürzen. Die Vorabsimulation per digitalem Zwilling sparte bei der realen Inbetriebnahme Zeit und Kosten und sorgte für Planungssicherheit zum Produktionsstart.

Bild: TeDo Verlag GmbH
Bild: TeDo Verlag GmbH
Wenn das FTS mit dem Roboter…

Wenn das FTS mit dem Roboter…

Autonome mobile Roboter und kollaborierende Knickarmroboter sind zwei Evergreens im Robotik-Trendkarussell. Relativ neu ist allerdings die Möglichkeit beide Helferlein zu kombinieren. Der autonome mobile Roboter erweitert den Arbeitsbereich des Cobots oder auch eines größeren Roboters enorm und macht ihn mobil. Das bietet neue Möglichkeiten z.B. bei der Maschinenbe- und entladung, beim Werkstück- und Materialtransport oder in der Qualitätsinspektion.

Bild: Fronius International GmbH
Bild: Fronius International GmbH
Hohe Bauteilvielfalt

Hohe Bauteilvielfalt

Das österreichische Unternehmen Anton Paar fertigt Messgeräte für vielerlei Branchen. Da zunehmender
Fachkräftemangel und permanent steigende Stückzahlen intelligente Produktionslösungen erfordern, investierte das Unternehmen in eine Roboterschweißzelle von Fronius. Mit der Zelle ist es möglich, einen kompletten Schweißauftrag in einem Zug abzuwickeln, auch wenn eine Charge mehrere unterschiedliche Objekte umfasst.