Führungssystem zur exakten Positionierung von Erntewerkzeugen
Ernteroboter für grünen Spargel
Der Spargel ist das Lieblingsgemüse der Deutschen und zählt zu den teuersten Feldfrüchten Europas. Denn Erntehelfer müssen in mühevoller Arbeit jede Stange einzeln stechen, 2015 insgesamt 112.100t. Ändern könnten das Ernteroboter mit Erntewerkzeugen, die auf Präzisionsschienen fahren.
Zwar gibt es zahlreiche Ansätze, doch keine Maschine konnte dem Menschen beim Ernten von Spargel bislang das Wasser reichen. Im Projekt Green Asparagus Harvesting Robotic System (Garotics) wurde dieser Ruf gehört und ein Ernteroboter für grünen Spargel entwickelt. Mit an Bord sind das Bremer Centrum für Mechatronik (BCM), der Verpackungsmaschinenhersteller Strauss und der britische Landwirtschaftsbetrieb C. Wright & Son.
Roboter erkennt erntereifen Spargel mit Kamerasystem
Basis des Ernteroboters ist ein Fahrgestell mit vier Rädern und Vorderradantrieb. Mittig zwischen den Vorderrädern ist ein Kamerasystem installiert, das die grünen Spargelstangen während der Vorbeifahrt filmt. Anders als weißer Spargel wachsen sie über der Erde. Eine Bildverarbeitungs-Software unterscheidet dann erntereife Stangen von solchen, die noch zum Wachsen in der Erde bleiben müssen. „Es würde keinen Sinn machen, eine Art Rasenmäher zu bauen, der alles abmäht, da die Stangen unterschiedlich schnell wachsen“, erklärt Sebastian Allers, Konstrukteur bei Strauss. „Eine der Herausforderungen war es daher, eine Bildverarbeitung zu implementieren, die verschiedene Wachstumsstadien differenziert.“
Linearführungsschiene zur Positionierung des Erntewerkzeuges
Eine Software leitet die Koordinaten der reifen Exemplare dann an den Werkzeugkopf weiter, der unter einer gehärteten und präzisionsgeschliffenen Linearführungsschiene aus Edelstahl von Hepcomotion montiert ist – das britische Unternehmen hat sich seit 1969 auf die Entwicklung von Linearführungssystemen und Automatisierungskomponenten spezialisiert. Auf einem zahnriemenbetriebenen Laufwagen fährt der Werkzeugkopf über die volle Fahrzeugbreite von Seite zu Seite. Ähnlich wie die Patronen in einem Drucker. Den Antrieb übernimmt ein Wechselstromgetriebemotor mit Schneckengetriebe, der an der Seite der Linearführungsschiene sitzt. „Die Motoren des DLS-Systems erreichen eine Leistung von bis zu 1,1kW, die Getriebe eine Untersetzung von 5:1 bis 75:1“, erklärt Mark Völkers, Gebietsleiter Außendienst Norddeutschland bei Hepcomotion. „Das lässt Antriebskräfte bis 1.225N und Geschwindigkeiten von bis zu 2m/s zu, mit speziellen Motoren lassen sich sogar über 5m/s erreichen.“ Der Ernteroboter arbeitet mit zwei Werkzeugköpfen gleichzeitig, die sich auf zwei hintereinander positionierten Schienen unabhängig voneinander bewegen. Das soll einen höheren Durchsatz ermöglichen.
Schwenkbewegung mit nur einem Antrieb
Sobald der Werkzeugkopf positioniert ist, schwenkt er einen Greifarm von hinten nach unten. Für diese Bewegung haben die Ingenieure ein weiteres System von Hepcomotion eingesetzt: das PRT2. Es handelt sich dabei um ein Spektrum an Ringen und Ringsegmenten aus Edelstahl. Sie lassen sich mit geraden Führungsschienen zu einer Vielfalt offener und geschlossener Schienenstrecken zusammensetzen. Beim Spargelroboter sind an beiden Innenseiten des Werkzeugkopfs 90°-Bögen mit angeschlossenen geraden Stücken montiert. Der Greifarm ist auf einen Laufwagen mit sogenannten V-Nut-Zapfenlagern geschraubt, die zentrisch und exzentrisch angeordnet sind. Diese Rollen greifen von oben und unten in die induktionsgehärtete V-Laufbahn des Ringsegments. Die Bewegung kommt zustande, indem ein Zahnriemen den Laufwagen samt Greifarm über die 25mm breite Schiene zieht und damit eine Schwenkbewegung erzeugt. Der Motor ist an der Außenseite des Werkzeugkopfes montiert. „Das Besondere ist, dass wir aufgrund des Schienensystems in der Lage waren, eine lineare Bewegung und eine Rotation des Greifarms mit nur einem platzsparenden Antrieb zu realisieren“, sagt Lasse Langstädtler, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bremer Instituts für Strukturmechanik und Produktionsanlagen (bime) im Fachbereich Produktionstechnik der Universität Bremen. „Die Rollenführung macht es zudem möglich, dass sich der Greifarm relativ schnell senken lässt und durch die Kombination aus linearer Bewegung und Rotation beim Absenken ein geringer Abstand zwischen zwei Stangen Spargel ausreicht.“ Bei einer langsameren Bewegung, die entsprechend früher starten müsste, wäre es hingegen möglich, dass der Greifarm einen vorangehenden Spargel beschädigt, der noch zum Reifen in der Erde bleiben soll. Sobald der Greifarm abgesenkt ist, wird ein über einen Pneumatikzylinder angetriebenes Abscheren und gleichzeitiges Greifen des Spargels ausgelöst, während sich der Roboter kontinuierlich mit 0,5m/s vorwärtsbewegt. Der gesamte Werkzeugkopf fährt dann an die Seite und legt den Spargel auf einem Förderband ab. Da es auf den Spargelfeldern heiß und kalt, staubig und nass zugeht, haben sich die Ingenieure noch aus einem weiteren Grund für Hepcomotion entschieden: Die Führungssysteme halten den rauen Umgebungsbedingungen stand. „Das V-Führungsprinzip ist quasi selbstreinigend“, sagt Völkers. „Während der Fahrt des Laufwagens drücken die Lager den Schmutz von der Schiene.“ Zudem entfällt anders als bei Kugelumlaufsystemen die Schmierung und alle Komponenten sind korrosionsbeständig. Der Spargel trifft somit niemals auf Rost. „Das ist eine der Grundvoraussetzungen, die es im Lebensmittelbereich zu erfüllen gilt.“
Tests auf dem Feld
Bislang existiert ein Prototyp der Spargelerntemaschine, den die Ingenieure mit ihrem Projektpartner aus England unter realen Bedingungen testen. „Wir wollen bei diesen Feldtests u.a. herausfinden, wie lange die Akkus die Maschine mit Energie versorgen“, sagt Strauss. Eine der Herausforderungen sei auch die Geschwindigkeit der Erntewerkzeuge. „Bislang sind sie nicht schneller als menschliche Erntehelfer.“ Dafür könnten sie aber bei ausreichender Energiezufuhr später ohne Probleme 24h auf dem Feld arbeiten. Das könnte die Ernte in Zukunft wirtschaftlicher und den Spargel günstiger machen.