Interview mit Stefan Riesen, Product Owner bei Ferag

Interview mit Stefan Riesen, Product Owner bei Ferag

Herausforderungen von Logistik 4.0

Das Schweizer Unternehmen Ferag entwickelt die Elektronik und Software für seine Skyfall-Systeme im eigenen Haus. Damit kann es seine Technik kurzfristig an neue Funktionen anpassen und auf die Herausforderungen von Industrie 4.0 bzw. Logistik 4.0 reagieren. ROBOTIK UND PRODUKTION sprach darüber mit Stefan Riesen, der als Product Owner die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Steuerungs- und Leittechnik verantwortet.

„Wir alle – auch die Industrie –
müssen lernen, sehr bewusst mit Daten umzugehen.“ Stefan Riesen, Ferag Bild: Ferag AG

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie sind Sie in Sachen Digitalisierung aufgestellt?

Riesen: Ferag hat von Anfang an die Elektronik für seine Maschinen und Anlagen in-house entwickelt. Dieses über mehrere Jahrzehnte aufgebaute Knowhow im Bereich komplexer Software-Systeme und Optimierungsalgorithmen kommt jetzt auch unserem Intralogistik-Portfolio zugute. Mit dem NAV2-ILO haben wir ein auf Skyfall abgestimmtes Steuerungs- und Prozessleitsystem in unserem Portfolio. Dieser Navigator für die Intralogistik beinhaltet sämtliche Funktionen, um eine Skyfall-Anlage sicher und zuverlässig zu betreiben und vor- und nachgelagerte Prozesse – z.B. bei der Fertigung von Automobilkomponenten oder im Bereich der Warendistribution – anzubinden. Obendrein ist das intelligente Programm in der Lage, im Sinne von Industrie 4.0 mit State-of-the-Art-Algorithmen wie z.B. Dijkstra’s Shortest Path für eine passende Transportstrategie zu sorgen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Das hört sich so an, als ob das Thema Digitalisierung bei Ihnen vollkommen präsent ist. Hilft es Ihnen auch, zusätzliche Geschäfte zu generieren?

Riesen: Systeme für den Materialfluss werden ständig komplexer. Gleichzeitig sind intralogistische und produktionskritische Abläufe zunehmend von vernetzten Systemen abhängig. Der treibende Faktor dahinter ist die Effizienzsteigerung bei verringerten Kosten und verbesserter Qualität. Wir versprechen uns in der Tat von der immer stärker um sich greifenden Digitalisierung und Vernetzung zusätzliche Chancen am Markt – und zwar weltweit.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Liegt der Fokus Ihrer Investitionen in F&E auch in diesem Bereich?

Riesen: In toto stecken wir 12 Prozent unseres Umsatzes in Aufwendungen für F&E. Davon fließt ein hoher Anteil in Neuentwicklungen bei den digitalen Prozessen. In wenigen Monaten ziehen alle Software-Entwickler und Ingenieure, die sich bei uns mit digitalen Themen beschäftigten, in ein neues Technologiezentrum am Firmensitz in Hinwil. Die Konzentration auf einem gemeinsamen Campus schafft nicht nur gute Arbeitsbedingungen, sondern auch vielfältige Synergieeffekte, die wir konsequent für unsere Systemlösungen nutzen wollen. Gleichzeitig holen wir uns gezielt zusätzliche Impulse von außen, indem wir projektbezogen z.B. mit der Hochschule für Technik, kurz HSR, in Rapperswil-Jona und der HSG, Universität St. Gallen zusammenarbeiten.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Worum geht es bei den Projekten mit den beiden Hochschulen?

Riesen: Das Projekt mit der HSR fällt in den Bereich statistische Analyse großer Datenmengen. Die Experten von der HSR werten für uns die Daten verschiedener Pilotanlagen im Rahmen ihrer anwendungsbezogenen Forschung wissenschaftlich aus. Parallel dazu entwickeln sie gemeinsam mit uns analytische Methoden, um unsere Systeme noch effizienter zu gestalten und entsprechend zu modifizieren, z.B. damit wir die bei unserer Skyfall-Hängefördertechnik eingesetzten opto-elektrischen Sensoren noch besser platzieren und justieren können. Die Ergebnisse fließen in die Konstruktion künftiger Anlagen ein, sodass sich diese beim Kunden schneller und einfacher montieren lassen und sich deren Auslastung und Laufzeiten durch permanentes Monitoring erhöhen. Auch vorausschauende Wartung bzw. Instandhaltung ist in diesem Kontext ein Thema. Das heißt: Die von uns gebauten Anlagen sollen in Zukunft eine Störung bereits erkennen, bevor diese überhaupt auftritt, und diese innerhalb gewisser Grenzen gleich selbst beheben. Damit verbinden wir die Hoffnung, dass sich Kosten durch Ausfälle und Betriebsunterbrechungen reduzieren lassen. Was sich daraus für Geschäftsmodelle generieren lassen und wie wir dieses Konzept innerhalb unserer Unternehmensgruppe organisatorisch und unter vernünftigen wirtschaftlichen Bedingungen umsetzen, ist u.a. Inhalt des zusammen mit der HSG initiierten Projekts.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wo sehen Sie Hemmnisse auf dem weiteren Weg der Digitalisierung, die noch überwunden werden müssen?

Riesen: Ein erwähnenswerter Punkt ist sicherlich die viel zu geringe Standardisierung. Wir behelfen uns damit, dass wir unsere Technologie mit Schnittstellen zu allen am Markt relevanten Systemen ausstatten. Gleichzeitig legen wir allergrößten Wert auf absolute Kommunikationsstabilität und Datenschutz. Deshalb verzichten wir völlig auf cloudbasierte Dienste und installieren die komplette für den Betrieb der Anlage notwendige Infrastruktur vor Ort. Bei Zugriffen von außen arbeitet unsere Support-Abteilung ausschließlich mit sicheren VPN-Tunnels und verschlüsselten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen. Die Informationssicherheit muss in jedem Fall gewährleistet sein und die Sensibilität dafür muss gestärkt werden, sonst hat all das, was unter Industrie 4.0 im Raum steht, auf Dauer keine Chance. Schon jetzt verhindern übrigens Bedenken in dieser Hinsicht den weiteren Ausbau der Digitalisierung.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was kann man dagegen tun?

Riesen: Wir müssen dafür sorgen, dass die Technik zu hundert Prozent zuverlässig und sicher funktioniert, bevor sie auf den Markt kommt. Zudem muss die Software unter dem Aspekt der Wartbarkeit entwickelt werden, damit wir bei neuen Erkenntnissen aus der Security-Forschung im Rahmen unserer Service-Dienstleistungen Updates aufspielen können. Uns als eher konservativ denkendem Unternehmen ist das von jeher ein zentrales Anliegen. Damit haben wir überall auf der Welt das Vertrauen für sehr langfristige Kundenbeziehungen gewonnen. Gleichzeitig müssen wir alle – auch die Industrie – lernen, sehr bewusst mit Daten umzugehen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Riesen, vielen Dank für das Gespräch.

Ferag auf der Logimat:

Ferag stellt auf der Logimat 2019 den Vertikalsorter Denisort Compact vor. Das mobile, in seiner Grundausführung sehr kompakte System eignet sich zum Sortieren von Gütern bis zu einem Gewicht von 12kg. Es ist daher für KEP-Dienste und Anwender aus dem Bereich E-Commerce gedacht, die nach einer Sortiermaschine für die Durchsatzsteigerung in Spitzenzeiten suchen. Auch für die Abwicklung von Retouren lässt sich das auf einen Durchsatz von bis zu 4.000 Einheiten pro Stunde konfigurierbare System einsetzen. Wie sein großer Bruder Denisort bringt das System die Eigenschaften von Kipp- und Rutschschalen-Sortern als integrale Lösung mit sich.

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