KI und Machine Learning für mobile Robotersysteme

Heterogene Robotik

Kooperative, heterogene Roboter in unstrukturierten Umgebungen allein zu lassen, ist keine gute Idee. Erst eine KI-gestützte Management-Lösung versetzt sie in die Lage, komplexe Aufgaben zu lösen, ohne Schaden anzurichten. Das Fraunhofer IKS arbeitet an einem solchen System.
Bild: ©piai/stock.adobe.com

Mobile Roboter wie fahrerlose Transportsysteme in der Logistik arbeiten sehr effizient, wenn sie in abgeschlossenen Bereichen zu Dutzenden, wenn nicht sogar zu Hunderten ihre Aufträge ausführen und ihre Ladung mit hoher Geschwindigkeit von A nach B bringen. Das erledigen sie horizontal oder sogar vertikal per Lift oder eigenem Antrieb. Um Kollisionen zu vermeiden, kommt in den meisten Fällen eine zentrale Steuerung zum Einsatz, die den Überblick über alle Aufträge, das Wegenetz und die Position der einzelnen Roboter hat.

Sollte es dennoch zu Problemen kommen, besitzen die Roboter Sensoren, um Hindernisse zu erkennen und zu umfahren. Der Großteil der Umgebung ist jedoch strukturiert. Das bedeutet, dass in einer Lagerhalle zwar einzelne Paletten vorübergehend den Weg versperren können, aber die Umgebung – das Hallenlayout samt Säulen, dem Hallenboden und den Regalen – fest vorgegeben ist. Die meisten fahrerlosen Transportsysteme verwenden gleichartige mobile Einheiten, die das Zusammenspiel und deren Austauschbarkeit vereinfachen. Systemwechsel bzw. die Übergabe der Last zwischen verschiedenen mobilen Robotersystemen geschehen an Übergabestationen, sei es manuell oder automatisiert.

Mitarbeitende im Umfeld

Wird nun der abgeschlossene Bereich für Mitarbeitende geöffnet, muss das Transportsystem in der Lage sein, entsprechende Safety-Anforderungen zu Lasten der Effizienz zu erfüllen. Fahrerlose Transportsysteme müssen im Falle einer Begegnung die Geschwindigkeit reduzieren, stehen bleiben und wenn möglich eine alternative Route wählen. Weitet man das Szenario aus, trifft man im Gemischtbetrieb neben mobilen Robotern und Personen auch auf konventionelle Gabelstapler und Routenzüge. Wenn man zudem den aktuellen Trend mit einbezieht, dass die automatisierte Logistik nicht nur in der Halle, sondern auch vor der Halle stattfindet, erhöht sich die Komplexität noch einmal. Eine zentrale Steuerung, wenn nicht sogar das ganze Transportsystem, kann hier schnell an seine Grenzen stoßen, wenn nicht sogar zusammenbrechen.

Das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme (IKS) hat sich die Aufgabe gestellt, genau solche Fälle zu betrachten und die Bearbeitung von Aufträgen durch heterogene mobile Roboter auf Basis eines eigenen Managementsystems deutlich zu verbessern. Dazu wird nicht nur der Logistikbereich genau betrachtet, sondern auch der chaotische Betrieb auf einer Baustelle oder die Servicerobotik im Bereich Healthcare, z.B. im Krankenhaus. In allen Szenarien lassen sich konkrete Beispiele finden, in denen künftig durch den Einsatz heterogener Robotik Probleme auftreten werden, die sich nur mit einem von künstlicher Intelligenz unterstützten Managementsystem lösen lassen.

Heterogene Robotik

„In einem heterogenen System arbeiten Roboter zusammen, die sich etwa in der Wahl ihrer Sensoren, ihrem Aufbau, ihren Fähigkeiten oder auch dem Hersteller unterscheiden“, erklärt René Beck, Architekt der Managementlösung am Fraunhofer IKS. Das würde nicht nur die Möglichkeit öffnen, leicht neue oder andere Modelle mit in den Betrieb aufzunehmen, sondern auch eine viel größere Bandbreite an Aufgaben und Problemen erlauben, die ein homogenes Multi-Robot-System allein nicht lösen kann. Aus Sicht des Management-Moduls führe dies aber natürlich zu einer drastischen Komplexitätssteigerung, nämlich der Frage, welche Aufgaben von welchen Robotern mit welcher Qualität und Sicherheit gelöst werden könnten, so Beck.

Die Nutzung verteilter Sensorinformationen ist ein wesentlicher Baustein der Lösung. Ein Beispiel dafür stellt die dynamische Erstellung einer Landkarte aus den Sensordaten verschiedener Roboter zu gleicher Zeit dar, das so genannte Collaborative Simultaneaous Localisation And Mapping (CSLAM). Wo hier das Managementsystem zum Einsatz kommt, wäre z.B. der Wechsel des Transportguts zwischen Roboter A zu Roboter B, weil Roboter A mit dem aktuellen Terrain nicht zurechtkommt. Der Forschungsansatz für das KI-gestützte Managementsystem soll mit der Middleware ROS2 und einer Simulation des Systems prototypisch umgesetzt werden. Das soll den Umgang mit den Roboterverbünden vereinfachen und die Skalierbarkeit garantieren. ROS2 und die Simulationsumgebung Webots bieten entsprechende Möglichkeiten, um den Ansatz zu evaluieren.

Simulation von Multi-Roboter-Szenarien

René Beck ist PhD-Student und Architekt
der Managementlösung am Fraunhofer IKS – Bild: Fraunhofer IKS

Steuerungssysteme für fahrerlose Transportsysteme gibt es seit Jahrzehnten, inzwischen auch für Fahrzeuge, die nicht nur einer vorgegebenen Bahn folgen, sondern auch Hindernisse erkennen und diese umfahren können. Wo kommen diese an ihre Grenzen?

René Beck: Die genannten Systeme stoßen meist an ihre Grenzen, wenn sie den ihnen vertrauten, regelmäßigen und planbaren Rahmen verlassen. Das passiert z.B. in unstrukturierten Outdoor-Umgebungen, wo sich nicht vorab definieren lässt, wie der Roboter seine Aufgabe erfüllen kann.

Wie ist der aktuelle Stand Ihrer Arbeiten und bis wann erwarten Sie die Ergebnisse eines Proof of Concept?

Aktuell verfolgen wir das Ziel, eine leicht benutzbare Simulationsumgebung für Multi-Robot-Szenarien zu erstellen. Der Fokus liegt dabei in der Bereitstellung von roboterübergreifenden hardwarenahen Funktionen wie CSLAM für komplexe Anwendungen. Damit wird die darauf aufsetzende Entwicklung von Anwendungsszenarien deutlich vereinfacht. Bis Ende des Jahres sollte eine erste Version des Aufgabenmanagements bereitstehen.

Was wären die nächsten Schritte, sobald Ihr Management-System erfolgreich evaluiert ist?

Um unser System in einen produktnahen Zustand zu bringen sind vor allem Safety-Betrachtungen für ausgewählte Anwendungen notwendig. Dazu ist jedoch noch Forschungsarbeit nötig, vor allem wenn es zu Interaktionen zwischen mobilen Robotern und Menschen kommt.

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