Kolumne Robotik, Recht, Risiko: Cobots im Mantel des Produktsicherheitsrechts

Kolumne Robotik, Recht, Risiko: Cobots im Mantel des Produktsicherheitsrechts

Woher das ‚Co‘ in Cobots stammt, wird für kundige Leser keine neue Erkenntnis sein. Kollaborierende Roboter dürfen, anders als ihre Kollegen, die Industrieroboter, quasi über den Schutzzaun springen und direkt mit dem Menschen interagieren. Sodann stellt sich meist die spannende Frage: Wer haftet für Fehler, die hierbei passieren können? Doch heute möchte ich mit Ihnen einen Schritt zurückgehen, um zu schauen, welche produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen der Cobot überhaupt erfüllen muss, um über eben diesen Zaun springen zu können.

Corinna Georg ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei Noerr. Sie berät Mandanten im Bereich Product Compliance, Produkthaftung und bei der Durchführung internationaler Rückrufe. (Bild: Noerr LLP)

Corinna Georg ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei Noerr. Sie berät Mandanten im Bereich Product Compliance, Produkthaftung und bei der Durchführung internationaler Rückrufe. (Bild: Noerr LLP)

Die Basis für alle produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen findet sich in der Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Maschinen. Der Cobot – als (unvollständige) Maschine – muss die in Anhang I der Maschinenrichtlinie aufgelisteten grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen erfüllen und sich hierbei unter anderem einer umfassenden Risikobeurteilung unterziehen (Art. 5 Absatz 1 a der Maschinenrichtlinie). Die Maschinenrichtlinie nennt hierfür kryptische Begriffe, wie ‚bestimmungsgemäße Verwendung‘ oder ‚jede vernünftigerweise vorhersehbare Fehlanwendung‘ (Anhang I Punkt 1). Im Grundsatz ist eine Maschine so zu konstruieren und zu bauen, dass sie ihrer Funktion gerecht wird und betrieben werden kann, ohne eine Person zu gefährden (Anhang I Punkt 1.1.2). Doch was bedeutet das im Einzelnen? Hierbei hilft die technische Norm EN ISO10218-1,2:2011, die grundlegende Sicherheitsanforderungen für Industrieroboter aufstellt. Der Vorteil bei der Anwendung dieser technischen Norm – sie ist europäisch harmonisiert. Folgt man den sicherheitstechnischen Anforderungen, wird allein dadurch davon ausgegangen, dass auch die Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie eingehalten werden (Art. 7 Absatz 2 der Maschinenrichtlinie).

Technische Spezifikationen für Cobots

Die EN ISO10218:2011 behandelt jedoch vorrangig nur Industrieroboter. Für kollaborierende Roboter geht es daher noch einen Schritt weiter – mit der ISO/TS 15066:2016. Sie beschreibt detaillierte technische Spezifikationen, vor allem zur Frage der biomechanischen Grenzwerte bei einem Kontakt zwischen Robotersystem und Mensch: Handführung durch den Menschen, Stopp-Funktion bei Betreten des Arbeitsumfeldes durch den Menschen, Geschwindigkeits- und Abstandsüberwachung, Leistungs- und Kraftbegrenzung.

Enge Zusammenarbeit bereits im Entwicklungsprozess

Doch auch wenn all diese Hürden erklommen wurden, muss noch der Feinschliff erfolgen, um den Cobot im Betrieb einsetzen zu können. Wie dieser auszusehen hat, erläutert die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln: die Betriebssicherheitsverordnung. Da der Cobot als Arbeitsmittel eingesetzt wird, bedarf es vor der Verwendung einer Gefährdungsbeurteilung und daraus abgeleiteten notwendigen und geeigneten Schutzmaßnahmen gem. § 3 Abs. 1 der Betriebssicherheitsverordnung. Der Arbeitgeber hat sogar bereits vor der Auswahl und Beschaffung die Eignung des Arbeitsmittels, die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation zu berücksichtigen. Um diesen letzten Schritt zu vereinfachen, bietet es sich daher an, dass Arbeitgeber und Hersteller bereits im Entwicklungsprozess eng zusammenarbeiten.

All dies erscheint auf den ersten Blick aufwendig. Doch gerade in Zeiten einer Pandemie wird der Cobot zum Schutze der Gesundheit der Mitarbeiter ein unumgängliches Arbeitsmittel werden müssen.

Ihre

Corinna Georg

Noerr LLP
www.noerr.com

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