Hinweise zur Planung eines Schutzgittersystems

Hinweise zur Planung eines Schutzgittersystems

Ist eine roboterfeste Schutzeinrichtung wirklich nötig?

Dass man in den meisten Fällen einen Schutzzaun braucht, wenn ein Roboterarbeitsplatz abzusichern ist, steht außer Zweifel. Auf die Frage, wozu die Absicherung aber im konkreten Fall benötigt wird, gibt es mehrere mögliche Antworten. Und oft wird man bei genauer Betrachtung feststellen, dass die oft genannte Forderung nach einem roboterfesten Schutzzaun gar nicht realistisch ist.

Bei der Konfiguration eines Schutzgittersystems sollten Firmen sich vorab darüber im Klaren sein, welche Risiken abzusichern sind. (Bild: Brühl Safety GmbH)

Bei der Konfiguration eines Schutzgittersystems sollten Firmen sich vorab darüber im Klaren sein, welche Risiken abzusichern sind. (Bild: Brühl Safety GmbH)

Welche Aufgabe muss ein Schutzzaunsystem erfüllen, welches einen Roboterarbeitsplatz absichert? Diese Frage ist nicht so trivial, wie sie vielleicht scheint. Denn genau besehen gibt es drei mögliche Sicherheitsfunktionen eines Schutzzauns: Zum einen verhindert er, dass Personen Zugang zum Gefahrenbereich haben. Zum anderen schützt er vor der Gefahr herausfliegender Werkstücke. Weiterhin verhindert ein Schutzzaun eine Personengefährdung, wenn ein Roboter den programmierten Arbeitsbereich verlässt. Der Anwender sollte für sich definieren, für welche der drei Aufgaben die Schutzeinrichtung tatsächlich benötigt wird. Denn von der Antwort hängt die Dimensionierung des Schutzzauns bzw. die Auswahl des geeigneten Systems ab.

Welche Art der Absicherung wird wirklich gebraucht?

Viele Hersteller oder Betreiber von Anlagen, in denen Roboter tätig sind, verzichten auf diese differenzierte Betrachtung und wünschen einen roboterfesten Schutzzaun. Mit diesem Wunsch werden die Berater des deutschen Herstellers von Schutzzaunsystemen, der Firma Brühl Safety, immer häufiger konfrontiert. Mit dieser Bezeichnung ist ein Zaunsystem gemeint, das dem Einschlag eines Roboterarms oder des Handling-Gutes standhält. Solche Systeme kann man natürlich konfigurieren. Dennoch ist der Anwender besser beraten, wenn er sich fragt: Brauche ich tatsächlich eine derart stabile Schutzeinrichtung, um den Roboterarbeitsplatz abzusichern?

Was sagt die Maschinenrichtlinie?

Um diese Frage grundlegend zu beantworten, hilft zunächst ein Blick auf die Gesetzes/-Normenlage. Im Anhang I der Maschinenrichtlinie (2006/42/EG) steht unter Punkt 1.4.1 (Anforderungen an Schutzeinrichtungen): „Trennende und nichttrennende Schutzeinrichtungen müssen stabil gebaut sein“, wobei die Eigenschaft ’stabil‘ nicht weiter erläutert wird. Etwas weiter heißt es: „Ferner müssen trennende Schutzeinrichtungen nach Möglichkeit vor einem Herausschleudern oder Herabfallen von Werkstoffen und Gegenständen sowie vor den von der Maschine verursachten Emissionen schützen.“ Diese Forderung ist auch bei Roboterarbeitsplätzen sinnvoll: Wenn der Greifer ein Werkstück schlecht fasst und das Handling-Gut dann durch die Luft fliegt, muss der Schutzzaun das Personal schützen.

DGUV-Information 209-074 gibt Auskunft

Konkretere Auskunft gibt die DGUV-Information ‚Industrieroboter‘ vom Januar 2015. Unter Punkt 4.2.1.3 ‚Eingeschränkter Bewegungsraum‘ wird gesagt: „Ein eingeschränkter Raum ist mindestens dort einzurichten, wo sich häufig Personen aufhalten. Dabei sind Personen auch außerhalb der Umzäunung durch zusätzliche Schutzmaßnahmen vor fehlerhaften Verfahrbewegungen des Roboters zu schützen. Diese Maßnahmen müssen entsprechend den örtlichen Gegebenheiten und dem zu mindernden Risiko ausgewählt werden.“ Allerdings ist auch hier nicht definiert, was mit ‚ausreichender‘ Festigkeit gemeint ist.

Von der Hardware in die Software

Der Anwender sollte genau abwägen, welche der angegebenen Optionen bzw. Kombinationen er nutzt. Viele Roboterhersteller bieten inzwischen sicherheitsgerichtete 2-Kanal-Steuerungen an, bei denen der Roboter selbst überwacht, ob er sich im programmierten Arbeitsbereich befindet. Sobald die Steuerung erkennt, dass sich der Roboterarm aus diesem Bereich herausbewegt bzw. sich mit zu hoher Geschwindigkeit dem Grenzbereich nähert, wird ein Stopp der Bewegung veranlasst. So verlagert man eine Sicherheitsaufgabe von der Hardware in die Software und kann den Schutzzaun schlanker dimensionieren. Als wesentliche Risiken, die abzusichern sind, bleiben dann das Eindringen von Personen in den Arbeitsbereich des Roboters und das Herausschleudern von Teilen, falls z.B. ein Spannwerkzeug oder ein Greifer versagt. Um diesem Risiko zu begegnen, sollte man bei der Projektierung auch die Höhe des Schutzzauns entsprechend auslegen. Der Roboter darf bei einer Fehlsteuerung keinesfalls in der Lage sein, über die Schutzeinrichtung zu reichen.

Schutzziele im Rahmen einer Risikobeurteilung definieren

Interessanterweise nennt die Norm keine Grenzwerte für die Belastbarkeit bzw. die Verformbarkeit der Schutzzäune. Für Hersteller und Anwender heißt das: Sie sollten gemeinsam, am besten während einer Risikobeurteilung, die Schutzziele definieren und daraus ein Maßnahmenpaket bilden, das z.B. aus einer sicherheitsgerichteten Robotersteuerung, mechanischen Anschlägen und einem Schutzzaun besteht. In Abhängigkeit von weiteren Faktoren (zu denen die Häufigkeit des Aufenthalts von Personen in den angrenzenden Bereichen gehört) kann dann die Belastbarkeit des Schutzzauns festgelegt und gegebenenfalls getestet werden.

Fazit: Erst das Schutzziel festlegen, dann planen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nur das Zusammenspiel von verschiedenen Schutzmaßnahmen zur technisch und wirtschaftlich optimalen Lösung führt. Die individuelle Betrachtung der Schutzziele wird in vielen Fällen zum Ergebnis führen, dass ein roboterfester Schutzzaun gar nicht benötigt wird. Dass die neue Norm ISO14120 diese pragmatische Herangehensweise fördert, ist aus Sicht der Anwender sicher zu begrüßen.

Brühl Safety GmbH
www.bruehl-safety.com

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