Robot Valley Dresden

Robot Valley Dresden

Im Tal der Roboter

Das Sillicon Valley kennt jeder. Doch kennen Sie auch das Robot Valley? Es ist nicht auf der anderen Seite des großen Teichs zu finden, sondern in Deutschland. Genauer gesagt in und um Dresden. ROBOTIK UND PRODUKTION hat sich von den aktuellen Projekten und Aktivitäten des Clusters vor Ort ein Bild gemacht.

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Die Barockstadt Dresden ist nicht nur als Ziel für Touristen oder als Wohnort sehr attraktiv, sondern auch für die Industrie. Man findet hier Vorzeigewerke von großen Unternehmen wie Volkswagen, Infineon oder Bosch genauso wie viele mittelständische Unternehmen oder Startups. In deren Spektrum zwischen Halbleiterei und Automobilbau findet sich auch immer mehr Robotertechnik, weshalb der Standort unter dem Claim ‚Robot Valley‘ nun verstärkt Aufmerksamkeit für diese Klientel schaffen will.

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Robotik, 5G und mehr

Ein Zentrum der lokalen Robotikaktivitäten ist das CeTI (Center of Tactile Internet) der TU Dresden. „Hier dreht sich alles um die nächste Stufe des Internets“, bringt es Jens Krzywinski, einer der verantwortlichen Professoren, auf den Punkt. Und weil dafür nicht nur Informatiker benötigt werden, ist eine Vielzahl weiterer wissenschaftlicher Disziplinen in die CeTI-Projekte eingebunden: Maschinenbauer, Nachrichtentechniker, aber auch Psychologen, Philosophen oder sogar die Hochschule für Tanz. „Diese Konstellation ist weltweit einmalig und zeigt, wie groß die Idee von CeTI ist“, fährt der Professor fort. Das nächste Internet-Level soll nicht nur kognitive, sondern auch haptische Fähigkeiten erlauben. Deswegen spielt die Robotik eine wichtige Rolle in vielen CeTI-Projekten. Ein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Vernetzung von Leichtbaurobotern über 5G. Dafür haben Vodafone und Telekom der TU Dresden ein Campus-Netz zur Verfügung gestellt – eine große Chance fürs Forschen und Experimentieren. So schenkt jetzt, nach anderthalb Jahren Laufzeit von CeTI, ein wireless angebundener Kuka-Cobot Drinks aus und ein komplettes Orchester von Franka-Emika-Robotern lässt sich per Handführung dirigieren. Dass die Latenz dabei im Bereich von nur einer Millisekunde liegt, demonstriert ein weiterer Aufbau, den Prof. Gerhard Fettweis realisiert hat. Er ist der Initiator des Standards URLLC (Ultra Reliable and Low Latency Communications), der nach der Fertigstellung 2022 Fernsteuerungsfunktionen innerhalb des 5G-Ökosystems ermöglichen soll, z.B. drahtlose Pick-Prozesse.

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Begegnungsstätte für Mensch und Roboter

Ein weiterer Hotspot für Demonstratoren ist das Open Lab des Barkhausen Instituts in der historischen Villa Bienert. Es versteht sich als Begegnungsstätte, um ins Gespräch mit der Stadtbevölkerung zu neuen Technologien wie Cobots oder 5G zu kommen. In diesem Sinne sind die Versuchsaufbauten extra spielerisch ausgelegt: autonom fahrende Modellautos, ein Airhockey-Roboter mit den Schwierigkeitsstufen 3G, 4G und 5G, einfaches Live-Coding an der Miniaturkinematik oder das in Kunstkreisen berühmte Piet-Mondrian-Zimmer, in dem nach der Art des Malers Bitfehler, Paketverlust oder Latenz visualisiert werden. „So wollen wir Vertrauen für das taktile IoT schaffen“, erklärt Dr. Robert Franke. Genauso wichtig ist es dem Leiter der Wirtschaftsförderung, die Forschungsergebnisse aus der Robotik in die Praxis zu überführen. Allein der Lehrstuhl von Prof. Fettweis bringt es bereits auf 20 Ausgründungen. Für den Austausch von Forschung und Industrie, entsprechende Kooperationen sowie für Startups stellt die Stadt frisch renovierte Flächen in den Universellen Werken zur Verfügung. Hier findet sich z.B. eine flexible WZM-Beladezelle, die komplett ohne Schnittstelle zu Maschinen auskommt und für die der Hersteller IP ein Mietmodell anbietet. Auch das junge Unternehmen Coboworx, das sich auf Beratung und Roboterlösungen für den Mittelstand spezialisiert hat, soll hier als Teil des Robot Valleys einziehen. Als Sparrings-Partner stehen auf dem Areal u.a. die Fraunhofer Institute IWU und IAIS bereit.

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Smartes Programmier-Tool

Eine mittlerweile recht bekannte Ausgründung aus der Dresdner Forschungslandschaft ist das Startup Wandelbots. „Wir machen dem Roboter neue Aufgaben einfach vor“, unterstreicht Mitgründerin Maria Piechnick das eigene Credo. Damit das technisch umsetzbar ist, hat das Unternehmen den TracePen entwickelt, ein stiftähnliches Tool, mit dem der Anwender die Bahn des Roboters händisch abfährt und ihn sogleich programmiert. Ergänzt um ein Tablet mit HMI-Oberfläche und im Hintergrund ablaufende KI-Algorithmen soll die Inbetriebnahme damit durchschnittlich 90 Prozent schneller ausfallen – speziell bei bahnintensiven Applikationen wie Kleben oder Lackieren. „Mit der TracePen-Lösung ist jetzt ein Tool verfügbar, das den Prozessspezialisten auch zum Roboterspezialisten macht“, verdeutlicht Piechnick den Nutzen. Vom Start weg unterstützt der TracePen die UR-Roboterpalette. Bis Jahresende sollen Schnittstellen für ABB und Yaskawa folgen. Mittelfristig will Wandelbots auch Roboter von Kuka, Stäubli oder Denso einbinden. Das Startup hat in der letzten Finanzierungsrunde große Namen wie Siemens oder Microsoft als Investoren akquiriert, die Serienproduktion steht quasi in den Startlöchern. Bis Sommer 2021 sollen 1.000 Anwendungen in der Praxis realisiert sein.

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Außergewöhnliche Anwendungen

Pilotanwender nutzen das neue Tool aber bereits heute, so z.B. Volkswagen. Der Automobilhersteller hat verschiedene Inspektionsanwendungen auf diese Weise gelöst. Im Werk Zwickau inspizieren per Tracepen programmierte UR-Roboter den Unterboden der Fahrzeuge. In der Gläsernen Manufaktur kontrolliert ein Kuka-Cobot den Motorraum des E-Golf – auch hier kam für die Programmierung der komplizierten Bahn der TracePen zum Einsatz. Wie stark das VW-Vorzeigewerk in Dresden neuartige Roboterlösungen treibt, wird auch an einer weiteren Applikation deutlich: nämlich der Montage des Dachhimmels per Roboter. Diese für Menschen höchst unangenehme Tätigkeit galt bis dato als nicht automatisierbar. Vor rund anderthalb Jahren fanden die VW-Entwickler doch eine Lösung – nach monatelangem Tüfteln. Jetzt führt ein großer Kuka-Sechachser den Dachhimmel frontal ein und befestigt prozesssicher alle 16 Clips. Dabei wird auf einen Schutzzaun verzichtet. Laserscanner sorgen für die Sicherheit der Werker im Umfeld. Ausschlaggebend für die Umsetzung der Lösung waren übrigens nicht Kosten- oder Produktivitätsgründe, sondern das Ziel von VW, möglichst viele rote – also für die Mitarbeiter besonders unergonomische – Arbeitsschritte zu eliminieren.

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Robotik im Reinraum

Auch Infineon setzt in seiner Halbleiterfabrik in Dresden auf moderne Roboterlösungen. Das Werk umfasst neben einer recht jungen 300mm-Wafer-Produktion auch einen Fertigungsbereich für 200mm-Wafer, der schon deutlich länger existiert. Aus Gründen der Rentabilität stellte sich hier vor einigen Jahren die Frage: Diesen Teil des Werks still legen oder weitestmöglich automatisieren? Um den Großteil der Arbeitsplätze zu erhalten, entschied man sich für letzteres. Seitdem wurde in den Reinräumen der 200mm-Fertigung eine Vielzahl an Roboterlösungen integriert. Rund 70 Stäubli-Kinematiken verrichten in festen Einhausungen Zuführ- oder Prüftätigkeiten. Über 100 weitere Roboter des gleichen Herstellers versorgen – montiert auf mobilen Einheiten – die Maschinen mit neuen Wafern oder holen bearbeitete Halbleiterrohlinge ab. Die meisten davon werden über Schienen geführt, es gibt aber auch komplett autonom navigierende Einheiten aus dem Hause Fabmatics. Ein weiteres Highlight sind vier autonome Messroboter, die mit Gassensoren und Co. die Luftqualität in der Infineon-Fertigung überwachen.

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Blick über den Tellerrand

Es wird spannend sein, zu beobachten, wo die Dresdner Robotikreise in den nächsten Jahren hingeht. Das Robotik-Cluster im dänischen Odense – in dem einst der Cobot-Marktführer Universal Robots das Licht erblickte – sei „mit Sicherheit eine tolle Inspirationsquelle für das Robot Valley“, merkt Coboworx-Geschäftsführer Olaf Gehrels an. Die Robotik biete tolle Chancen für die gesamte Region. Deswegen blickt man in Dresden an vielen Stellen auch über den Tellerrand der industriellen Einsatzmöglichkeiten hinaus. So etwa auch im Bereich der Medizin. Im Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Digitale Gesundheit der TU Dresden forschen Ingenieure, Informatiker und Mediziner gemeinsam an Lösungen der Zukunft. Zusammen mit dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) werden z.B. neuartige Robotersysteme beforscht. So gibt es im NCT Dresden einen brandneuen experimentellen OP-Saal, der allein für Forschungszwecke verschiedene Roboterapplikationen bereitstellt. Neben einem Da-Vinci-Medizinroboter, von dem auch drei Modelle im Klinikalltag eingesetzt werden, gibt es z.B. eine Testapplikation mit Leichtbauroboter für minimalinvasive Eingriffe. Auch für die Professur für Agrarsystemtechnik gilt: Hier arbeiten unterschiedliche Disziplinen an den Lösungen der Zukunft. Dort entwickeln die Wissenschaftler gemeinsam einen autonomen Plantagenroboter für den Wein- und Obstbau – interdisziplinär, mit neuen Ideen und neuen Technologien. (mby)

Bild: TeDo Verlag GmbH

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