Forschungszulage eröffnet neue Möglichkeiten für die Robotik

Forschungszulage eröffnet neue Möglichkeiten für die Robotik

Innovation und Entwicklung fördern

Mit der sogenannten Forschungszulage können Unternehmen mit Sitz in Deutschland eine Steuergutschrift von bis zu 1Mio.€ pro Jahr erhalten, wenn sie forschen und entwickeln. Interessant ist das insbesondere für mittelständische Unternehmen. Die Spanne der förderwürdigen Projekte ist breit: Unternehmen können die Forschungszulage nicht nur für Grundlagenforschung erhalten, sondern auch für industrielle Forschung, Auftragsforschung oder die Entwicklung neuer Produkte.

 (Bild: ©ridvanarda/stock.adobe.com)

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In der Robotik sorgen aktuell mehrere technologische Trends für Bewegung. So stellen kollaborative Roboter neue Anforderungen an Sensorik, Software und Interfaces. Eine Vielzahl neuartiger Lösungen wie KI-Anwendungen oder schwarmintelligente Transportsysteme halten Einzug und stellen ihre Anwender vor immer neue Herausforderungen. Gleichzeitig ist der globale Wettbewerbsdruck enorm hoch und damit der Zwang zur Innovation. Für alle Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten gibt es in Deutschland seit Kurzem die steuerliche Forschungszulage. Sie ermöglicht es Unternehmen, bis zu 1Mio.€ pro Jahr als Steuergutschrift für ihre Entwicklungstätigkeiten zu erhalten, unabhängig von der Gewinnsituation. Ähnliche Förderinstrumente werden in anderen Ländern seit vielen Jahren erfolgreich angewandt.

Dr. Markus Busuttil, Gründer und CEO von Busuttil & Company (Bild: Busuttil & Company GmbH, Foto: Tobias Hase)

Dr. Markus Busuttil, Gründer und CEO von Busuttil & Company (Bild: Busuttil & Company GmbH, Foto: Tobias Hase)

Besonders für den Mittelstand interessant

Jedes in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen kann die Forschungszulage beantragen. Aufgrund des maximalen Förderbetrags von 1Mio.€ pro Jahr ist die Forschungszulage dabei besonders für kleine und mittlere Unternehmen interessant. Insbesondere für mittelständische Unternehmen, die Robotertechnik aktiv anwenden und entwickeln, bietet die steuerliche Forschungszulage mehrere Vorteile:

1. Die Forschungszulage kann rückwirkend beantragt werden für alle Projekte, die nach dem 1. Januar 2020 begonnen wurden. Diese rückwirkende Beantragung eröffnet neue Möglichkeiten zur Identifizierung von förderfähigen Projekten, da die Definition, was ein F&E-Projekt ist, sehr subjektiv auslegbar ist. Zudem erlaubt sie mehr Flexibilität in der Forschung und Entwicklung, weil Unternehmen mit dem Start eines Vorhabens nicht warten müssen, bis die Förderung bewilligt wurde.

2. Es können beliebig viele Projekte beantragt werden. Ob Unternehmen die Obergrenze der Fördersumme von 1Mio.€ mit einem einzigen Projekt erreichen oder mit mehreren Forschungsinitiativen, spielt keine Rolle.

3. Die Forschungszulage ist themenoffen. Es gibt keinerlei Vorgaben zu Technologien, Trends oder Forschungsthemen. Damit unterscheidet sich die Forschungszulage von vielen anderen Förderinstrumenten, die z.B. nur Projekte zur Digitalisierung, zu Nachhaltigkeit oder Reduktion von CO2-Emissionen fördern.

4. Unternehmen konkurrieren nicht untereinander um die Förderung. Andere Förderprogramme sind endlich und ein Fachgremium entscheidet darüber, welche Unternehmen und Projekte förderwürdig sind. Bei der Forschungszulage entscheidet dagegen einzig und allein, ob ein Projekt die Kriterien erfüllt.

Kriterien zur Projektauswahl

Geprüft wird der Antrag auf Forschungszulage von wissenschaftlichem Fachpersonal bei einer speziell dafür geschaffenen Bescheinigungsstelle. Wenngleich das zuständige Fachgremium nicht jedes Fachgebiet vertieft abbilden kann, so verfügt es dennoch über umfangreiches Fach- und Ingenieurswissen. Aus diesem Grund ist es oft ratsam, die Anträge von Ingenieuren mit Erfahrung in diesem Bereich schreiben zu lassen. Doch zunächst gilt es zu verstehen, was geprüft wird und welche Kriterien für eine Bewilligung ausschlaggebend sind.

Jedes Projekt muss in eine der drei folgenden Kategorien fallen: Grundlagenforschung, industrielle Forschung oder experimentelle Entwicklung. Auch wenn die Grenzen zwischen den Kategorien mitunter fließend sind, so stellen die industrielle Forschung und die experimentelle Entwicklung für die überwiegende Zahl der Unternehmen die wesentliche Option dar, um z.B. Themen aus dem maschinellen Lernen oder der Robotik zu platzieren.

Industrielle Forschung

Definiert ist die industrielle Forschung als das planmäßige Forschen oder kritische Erforschen zur Gewinnung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln oder wesentliche Verbesserungen bei bestehenden Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen herbeizuführen. Angewendet auf die Robotik könnte das bedeuten, einen neuartigen Greifmechanismus zu entwickeln, experimentelle Werkzeuge zur Bilddatenerfassung zu erproben, alternative Sensorkonzepte zur Orientierung oder Kollaboration zu erforschen, durch KI-Werkzeuge die Autonomie des Roboters zu steigern oder innovative Konzepte für Steuerung und Assistenzsysteme zu entwerfen. So wäre es z.B. denkbar, im Rahmen der industriellen Forschung eine Augmented-Reality (AR)-Schnittstelle zu konzipieren, die es dem Anwender ermöglicht, Prozessoperationen aus sicherer Entfernung mit hoher Präzision durchzuführen und dabei mit echtzeitfähigen Analysewerkzeugen Prozessparameter zu überwachen. Viele Unternehmen stehen aktuell vor der Herausforderung, die Digitalisierung und Automatisierung vorantreiben zu müssen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben jedoch nicht die Expertise und Kapazität, das eigenständig anzugehen. Das bestätigt Dr. Malte Stonis, Geschäftsführer des Instituts für Integrierte Produktion Hannover (IPH): „Wir als F&E-Dienstleister spüren den Druck bei unseren Projektpartnern und Kunden sowie den Willen, sich den Herausforderungen zu stellen. Die Forschungszulage ist ein hervorragendes Werkzeug, um sich die Unterstützung durch externe Experten auf dem Gebiet fördern zu lassen.“

Experimentelle Entwicklung

Die technologische Hürde ist bei der experimentellen Entwicklung deutlich niedriger. Wenngleich es noch keine offiziellen Statistiken des Bundesfinanzministeriums hierzu gibt, werden nach unserer Einschätzung dieser Kategorie die meisten Anträge auf Forschungszulage eingereicht. Definiert ist sie als Erwerb und Kombination vorhandener wissenschaftlicher und technischer Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, neue oder verbesserte Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln. Hier ist es also nicht zwingend notwendig, völlig neue Technologien zu entwickeln oder Verfahren anzuwenden. Es reicht bereits aus, vorhandenes Wissen neu zu kombinieren oder auf einen anderen Bereich zu übertragen. So könnte es ausreichen, eine Sprachsteuerung, wie sie in Smartphones oder intelligenten Lautsprechern genutzt wird, erstmals als Interface für einen Cobot zu nutzen. Denkbar wäre auch, eine Fertigungstechnik erstmals für die eigenen Roboter einzusetzen, die bislang nur in den Bereichen Aerospace und Automotive verwendet wurde.

Unabhängig von der Kategorie muss jedes Projekt fünf Kriterien für Forschung und Entwicklung erfüllen, die im Frascati-Handbuch der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert sind. Demnach muss ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt unter anderem neuartig und ungewiss sein. Ungewiss bedeutet, dass das Ergebnis der Entwicklungsarbeit bei Start des Projektes nicht sicher ist. Hier ist anzumerken, dass der Erfolg nicht ausschlaggebend ist für die Förderung durch die Forschungszulage. Auch gescheiterte Projekte werden gefördert, sofern sie alle Kriterien erfüllen.

So funktioniert die Antragstellung

Die Antragstellung besteht aus einem zweistufigen Verfahren. Im ersten Schritt ist ein Online-Antrag bei der neu geschaffenen Bescheinigungsstelle für die Forschungszulage einzureichen. Der Antrag ist stark limitiert in der Zeichenzahl. Die meisten Antworten sind auf 1.000 Zeichen begrenzt. Darin liegt eine der Herausforderungen bei der Antragstellung, wenn man keine Erfahrung mit dem Instrument der Forschungszulage hat oder schlichtweg über keine Ressource für Fördermittelanträge im Unternehmen verfügt. Die Bescheinigungsstelle Forschungszulage entscheidet darüber, ob es sich bei den eingereichten Projekten um Forschung & Entwicklung im Sinne der gesetzlichen Definition handelt. Eine positive Bescheinigung begründet einen Rechtsanspruch auf die Forschungszulage. Im zweiten Schritt wird die Zulage beim zuständigen Finanzamt beantragt und als Steuergutschrift verrechnet oder ausgezahlt. Das Finanzamt wird ein Projekt inhaltlich nicht in Frage stellen, sehr wohl aber die geltend gemachten Personalkosten, die Einhaltung des Projektplans und andere Formalien prüfen. Somit bestehen beim Antrag auf Forschungszulage auch gewisse Risiken, die Unternehmen mit einer gewissenhaften Dokumentation der Projekte reduzieren können.

Auch Auftragsforschung ist förderfähig

Auch Auftragsforschung kann bei der Forschungszulage geltend gemacht werden, sofern der Auftragnehmer ein Unternehmen im EU-Raum ist. Denkbar wäre z.B. das folgende fiktive Szenario: Ein Prozessschritt in der Konfektionierung führt wiederkehrend zu Störungen in der Produktionskette. Dieser ist gegenwärtig nur schlecht skalierbar und geht mit einer hohen Arbeitsplatzbelastung und unter Umständen einer Einschränkung der Arbeitssicherheit einher. Der Unternehmer möchte den Prozess ersetzen oder zumindest teilweise automatisieren und wendet sich zu diesem Zweck an einen Forschungsdienstleister. Gemeinsam erarbeiten sie ein robotisches Konzept und testen dieses unter kontrollierten Bedingungen, um es schließlich im Unternehmen einzuführen.

Wichtig ist, dass bei der Beauftragung eines solchen Projekts der Forschungscharakter zum Ausdruck kommt und die Arbeitsschritte, die Ergebnisse und vor allem die geleisteten Stunden der beteiligten Mitarbeiter nachvollziehbar erfasst werden. Diese Dokumentation erfolgt im Idealfall digital und ist so angelegt, dass sie auch nach fünf Jahren bei einer Nachprüfung plausibel und nachvollziehbar ist. Empfehlenswert ist zudem, die beteiligten Wissenschaftler zur Forschungszulage und den Anforderungen zu schulen und Prozesse zur Dokumentation von Arbeitsschritten und Arbeitszeiten zu etablieren.

 

 

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