Matthias Ehnert, Enwito, im Interview

Matthias Ehnert, Enwito, im Interview

Unternehmen suchen Nachfolger – trotz Pandemie

Matthias Ehnert studierte Betriebswirtschaft an der TU Dresden und verantwortet heute als geschäftsführender Gesellschafter die Geschicke der Firma Enwito. Für deren Marke Intelligentis ist der 40-Jährige aktiv als M&A-Berater in der Unternehmensnachfolge für Betriebe der Robotik und Automation tätig. Im Gespräch mit ROBOTIK UND PRODUKTION berichtet er über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Robotikbranche, über Firmenverkäufe und die Aufgaben eines M&A-Beraters.

 (Bild: Enwito GmbH)

„Nach der Pandemie werden die Unternehmen verstärkt in Automatisierung investieren, um sich unabhängiger zu machen von menschlicher Gesundheit.“ Matthias Ehnert, Enwito (Bild: Enwito GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Ehnert, warum haben Sie in den vergangenen Jahren so viele Firmenverkäufe in der Branche Robotik und Automation beobachtet?

Matthias Ehnert: Bei Unternehmensnachfolgen in der Robotik sprechen wir von einem sogenannten Verkäufermarkt: Internationale Branchengrößen aus Deutschland, Japan oder China haben großes Interesse, Know-how und Spezialisten, aber auch Marktanteile und etablierte Marken aus dem Mittelstand zu kaufen. Denn der globale Markt wächst kontinuierlich und agiert sehr dynamisch. Produktionsunternehmen weltweit investieren massiv in digitale Technologien und den Ausbau der Automatisierung. Dem gegenüber stehen nicht ganz so zahlreiche Unternehmer, die einen Nachfolger für ihr Lebenswerk suchen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie aktuell auf die Suche nach Nachfolgern?

Ehnert: Viele Unternehmen – gerade in der Automobil- und Zuliefererindustrie, aber auch in anderen Branchen – mussten in den vergangenen Wochen ihre Produktion herunterfahren, zum Teil bis auf Null. Die Kontaktsperre und andere Einschränkungen werden aber schon bald wieder schrittweise zurückgenommen werden. Jetzt ist es an der Zeit, die Unternehmen für den Wiederanlauf vorzubereiten. Mit Wiederaufnahme der Produktion rechne ich – wie auch andere Robotik-Branchenkenner – mit einem deutlichen Anstieg der Nachfrage. Zwar belasteten Umsatzrückgänge und ein schrumpfender Auftragseingang in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit die Sparte Robotik und Automation, der weltweite Absatz z.B. von Industrierobotern stieg aber kontinuierlich. Ursachen für den nationalen Umsatzrückgang sah der VDMA in der schwächelnden Weltkonjunktur sowie in Sättigungseffekten in wichtigen Märkten. Nach der Pandemie werden die Unternehmen jedoch verstärkt in Automatisierung investieren, um sich unabhängiger zu machen von menschlicher Gesundheit. Ich sehe damit einen weiter wachsenden globalen Markt.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wird es 2020 nach der Corona-Krise noch weitere Unternehmensverkäufe im Automations- und Robotikmarkt geben?

Ehnert: Davon gehe ich aus, da es einerseits liquiditätsstarke potenzielle Käufer gibt, die Marktanteile und Knowhow gewinnen wollen, andererseits eine Vielzahl von Firmeninhabern, die eine Nachfolgelösung suchen, ihr Unternehmen aber familienintern nicht weitergeben wollen oder können. Diese Inhaber suchen externe Käufer, die aber keinesfalls immer nur Global Player sein müssen. Strategische Zukäufe durch Mittelständler oder die Übernahme durch eine Privatperson sind ebenfalls erfolgreiche Übergabemodelle. Da viel Risikokapital zur Verfügung steht und Anleger aufgrund des weltweiten Zinstiefs händeringend nach Renditechancen suchen, wird die Zahl der Unternehmensübernahmen weiter steigen. Ein unterstützender Treiber für die M&A-Aktivitäten ist meiner Meinung nach das Thema Industrie 4.0. Neue Produktionsumgebungen bis hin zu wandlungsfähigen Smart Factorys erhöhen den Wettbewerbsdruck und stellen vor allem mittelständische Unternehmen vor neue Herausforderungen. Das haben strategische Käufer erkannt.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie wird sich das Preisniveau bei Firmenverkäufen entwickeln?

Ehnert: Unternehmenswert und späterer Verkaufspreis einer Firma sind natürlich sehr individuell. Obwohl wir in der Branche der Robotik und Automation einen Verkäufermarkt haben, sind für das bestmögliche Ergebnis eine gute Branchenkenntnis und großes Verhandlungsgeschick beim Unternehmensverkauf gefragt. Aufgrund der sinkenden Umsätze und der lahmenden Konjunktur – nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie – pausieren viele Transaktionen im Moment. Allerdings wird sich das mit Anziehen der Konjunktur auch wieder ändern. Schon heute führen wir vor allem mit Finanzinvestoren entsprechende Gespräche.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was raten Sie Unternehmern, die ihre Firma mittelfristig in andere Hände geben wollen – abwarten oder zügig verkaufen?

Ehnert: Weder die Warteschleife noch der Zeitdruck sind gute Ratgeber. Inhaber sollten sich langfristig auf den Unternehmensverkauf vorbereiten. Firmenchefs, die in den nächsten Jahren an einen Nachfolger veräußern wollen, sollten den Verkaufsprozess in Ruhe aber konzentriert und mit einem klaren Ziel vor Augen anstoßen. Wer sich schon länger mit dem Verkauf beschäftigt, bereits Abhängigkeiten reduziert und kaufpreiserhöhende Faktoren identifiziert hat, dem empfehle ich, zügig zu handeln. Denn im aktuellen Umfeld lässt sich ein guter Erlös für das Lebenswerk sichern. Ich rate dabei allerdings von Alleingängen ab.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Warum?

Ehnert: Ein Unternehmensverkauf ist komplex – sowohl für Käufer als auch für Verkäufer. Unternehmenswerte müssen richtig eingeschätzt, die zielführenden Strategien festgelegt und rechtliche Rahmenbedingungen geprüft werden. Durch den Verkäufer beauftragte Berater, sogenannte M&A-Spezialisten, helfen dabei, Stärken zu fördern, Schwächen zu reduzieren und damit den Unternehmenswert zu verbessern. Das sollte natürlich passieren, bevor das Unternehmen offiziell zum Verkauf angeboten wird. Idealerweise bringt der Inhaber mindestens ein Jahr Vorlaufzeit mit und lässt sich professionell begleiten. Nur dann ist sichergestellt, dass der Unternehmer sein Lebenswerk erfolgreich zu angemessenen Konditionen übergeben und während des Verkaufsprozesses das operative Geschäft weiter voranbringen kann.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Welche potenziellen Käufer wird ein M&A-Spezialist ansprechen?

Ehnert: Als Käufer in der Branche Robotik und Automation kommen zum einen strategische Investoren aus den Reihen der Global Player sowie aus dem Mittelstand in Betracht. Zum anderen stehen Finanzinvestoren bereit, um Mehr- oder Minderheitsanteile an interessanten Unternehmen zu erwerben. So sind neben Private-Equity-Fonds verschiedene Family Offices oder Einzelinvestoren auf der Suche nach Beteiligungen, um private Vermögen anzulegen. Welche dieser potenziellen Käufergruppen adressiert werden soll, analysiert der M&A-Berater in der Verkaufsvorbereitungsphase. Natürlich hat Diskretion im gesamten Prozess höchste Priorität.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie wird dabei die Vertraulichkeit gewahrt?

Ehnert: Den konkreten Unternehmensnamen kommunizieren wir z.B. sehr spät im Prozess – erst nachdem anonymisierte Firmeninformationen und Vertraulichkeitsvereinbarungen ausgetauscht wurden, potenzielle Käufer analysiert und vom Verkäufer zur Ansprache freigegeben wurden. Zudem müssen diese Investoren ihr Kaufinteresse seriös bekräftigt haben. Die Vertraulichkeit bleibt durch die Zusammenarbeit mit einem Verkaufsspezialisten bestens gewahrt, wohingegen sie beim Selbstverkauf durch das fehlende Prozess-Knowhow meist von Beginn an gefährdet ist.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was spricht noch gegen einen Selbstverkauf?

Ehnert: Statistiken sagen, dass mehr als 70 Prozent aller Selbstverkäufe scheitern. Die Gründe liegen meist in überzogenen Kaufpreiserwartungen der Inhaber, unbearbeiteten Schwachstellen im Unternehmen, Garantieforderungen, psychologischen Tricks wie Last-Minute-Preisdiskussionen und nicht selten auch in den Zahlungsmodalitäten. Ein weiterer Risikofaktor ist die Emotionalität, die ein Inhaber natürlicherweise beim Verkauf seines Lebenswerkes einbringt, die aber oftmals eine sachlich geprägte Verhandlungsführung behindert. Nach einem gescheiterten Selbstverkauf spricht sich der Verkaufswunsch schnell in der Branche herum. Das führt in der Regel zu einem Preisverfall bei erneuten Verkaufsversuchen oder bei Weiterführung des Betriebs gar zu einem Reputationsproblem im täglichen Geschäft. Verkäufer brauchen daher frühzeitig einen erfahrenen Partner an ihrer Seite, der den Verkaufsprozess steuert, Potenziale entdeckt, Stolpersteine eliminiert und in Sachen Unternehmenswert, Marketing und Prozesse bis hin zum Vermögensmanagement berät. Dieser Partner sollte erfolgsabhängig vergütet werden und damit gleichgerichtete Verkaufspreisinteressen wie der Unternehmensinhaber haben. Nur so kann ein Firmeninhaber meiner Meinung nach sein Lebenswerk zu einem zufriedenstellenden Preis mittels eines guten Prozesses an einen Nachfolger übergeben.

www.enwito.de

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