MRK in der Praxis

MRK in der Praxis

Heute hier, morgen dort

Die Digitalisierung schreitet mit großen Schritten voran, die industrielle Produktion steht vor der nächsten Revolution. Neben gestiegenen Anforderungen an Schnelligkeit und Flexibilität in der Fertigung geht es immer stärker um neue Formen der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Dabei können mobile Produktionsassistenten einen entscheidenden Beitrag leisten – wie im Bosch-Werk in Ansbach bereits zu sehen ist.

Die mobilen Produktionsassistenten im Einsatz im Ansbacher Bosch-Werk (Bild: Robert Bosch GmbH)

Die mobilen Produktionsassistenten im Einsatz im Ansbacher Bosch-Werk (Bild: Robert Bosch GmbH)

Die heutige Produktion muss flexibel, wandelbar und anpassungsfähig sein. Denn im Zeitalter von Industrie 4.0 verändern sich Märkte und Marktanforderungen so rasant wie nie zuvor. Kunden verlangen immer individuellere Produkte bei gleichbleibend hohen Qualitätsansprüchen. Das hat Folgen für die Produktion: Lebenszyklen von Produkten verkürzen sich, Losgrößen werden kleiner. Hinzu kommt ein höherer Zeitdruck durch automatisierte und extrem schnelle Produktionsprozesse. Doch Automatisierung und Geschwindigkeit in der Fertigung reichen nicht mehr aus: Um reibungslose, effiziente und sichere Produktionsabläufe zu gewährleisten, braucht es neue Formen der Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK), bei denen die Präzision und die Ausdauer der Maschine mit dem Wissen und der einmaligen Problemlösungskompetenz des Menschen vereint werden.

Durch die speziell entwickelte Sensorhaut können Mitarbeiter und APAS Assistant ohne Schutzzaun zusammenarbeiten. (Bild: Robert Bosch GmbH)

Durch die speziell entwickelte Sensorhaut können Mitarbeiter und APAS Assistant ohne Schutzzaun zusammenarbeiten. (Bild: Robert Bosch GmbH)

Neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit

Genau dafür hat Bosch die automatischen Produktionsassistenten, kurz APAS, entwickelt: Ob als mobiler Produktionsassistent APAS Assistant oder als integrierte Komponente in eine Linie – die Assistenzsysteme von Bosch schaffen neue Möglichkeiten in der MRK. Dabei können Mitarbeiter mit APAS-Systemen genauso im Mischbetrieb zusammenarbeiten, wie sich mit mehreren Produktionsassistenten Teile der Fertigung komplett automatisieren lassen. Die Produktionsverantwortlichen haben je nach Bedarf die Wahl aus verschiedenen Szenarien. Wie konkrete Lösungen der MRK-Zusammenarbeit aussehen, zeigt der Bosch-Fertigungsstandort im mittelfränkischen Ansbach, wo bereits drei APAS Assistants die Facharbeiter in der Fertigung unterstützen. Die Assistenzsysteme tun dies im Rahmen einer klassischen teilautomatisierten Produktionslinie. Hier geht es im Wesentlichen um das Be- und Entladen von automatisierten Montage-stationen sowie den Transport von Steuergeräten für Lenksysteme im Automobil. Diese werden in Ansbach produziert und abschließend einer elektrischen Prüfung unter verschiedenen Temperaturen unterzogen, bei der die Teile unter anderem stark aufgeheizt werden. Die Prüfung der erhitzten Steuergeräte stellt sicher, dass sie im Alltagsbetrieb im Fahrzeug sicher funktionieren. Die Handhabung der heißen Teile bei der Entnahme aus der Prüfstation war einer der Gründe, das Handling zu automatisieren. Seit nun bereits fast zwei Jahren werden die Stationen durch den APAS Assistant be- und entladen. Anders als bei vielen anderen industriellen Robotern geschieht das in Ansbach ohne besondere Abschirmung zwischen Assistenzsystemen und ihren menschlichen Kollegen.

Für den flexiblen Einsatz in der Fertigung konzipiert: der APAS assistant von Bosch (Bild: Robert Bosch GmbH)

Für den flexiblen Einsatz in der Fertigung konzipiert: der APAS assistant von Bosch (Bild: Robert Bosch GmbH)

BG-zertifizierte direkte Zusammenarbeit

Möglich macht dies eine Besonderheit der Bosch-Lösung: Neben einem sensitiven Greifer und einem 3D-Kamerasystem verfügt jeder APAS Assistant über eine speziell entwickelte sensible Sensorhaut. Sie umschließt den Roboterarm des knapp 1,70m großen und 230kg schweren Produktionsassistenten nahezu komplett. Die in diesen Überzug integrierten kapazitiven Sensoren überwachen die nahe Umgebung des Roboters. So erkennt der APAS Assistant innerhalb von Sekundenbruchteilen, wenn ihm ein Mitarbeiter zu nahe kommt. Noch bevor Mensch und Maschine sich berühren, stoppt der Roboter seine Arbeit. Er wartet ab, bis der Mitarbeiter sich wieder entfernt hat, und setzt dann seine Arbeit genau an der Stelle fort, an der er sie zuvor unterbrochen hatte. Dieses berührungslose Sicherheitskonzept hat die deutsche Berufsgenossenschaft (BG) überzeugt: Sie hat den APAS Assistant als ersten Industrieroboter für die direkte Zusammenarbeit mit dem Menschen ohne zusätzliche Schutzvorrichtung zertifiziert. Eine optionale Zusatzfunktion ermöglicht es dem APAS Assistant darüber hinaus, einen erweiterten Fernbereich beispielsweise per Laserscanner zu überwachen. Dadurch kann der APAS Assistant seine Arbeitsgeschwindigkeit flexibel an die An- beziehungsweise Abwesenheit von Menschen anpassen. Solange kein Mitarbeiter in der Nähe ist, arbeitet er mit maximalem Arbeitstempo. Betritt ein Mensch den applikationsspezifischen Fernbereich, wechselt der Assistent automatisch in eine sichere Geschwindigkeit. Besonders in den Fällen, in denen Menschen nur zeitweise in der unmittelbaren Nähe eines Roboters arbeiten müssen, beispielsweise für einen Teile- oder Formatwechsel, kann der APAS Assistant mit einer hohen Prozessgeschwindigkeit arbeiten. Das Ergebnis: hohe Produktivität bei voller Kollaborationsfähigkeit.

Konzentration auf das Wesentliche

Wie gut sich Mensch und Maschine ergänzen können, zeigt der konkrete Anwendungsfall in Ansbach, bei dem der APAS Assistant das Handling der erhitzten Steuermodule übernimmt. Er legt jedes Modul in ein Testgerät ein, holt es nach der Prüfung wieder heraus und übergibt es dann dem Mitarbeiter. Dadurch bleiben dem Mitarbeiter aber nicht nur der Kontakt mit den hohen Temperaturen, sondern auch das monotone Ein- und Auslegen in das Testgerät erspart. Denn gerade bei monotonen Tätigkeiten, die eine hohe Aufmerksamkeit und Präzision erfordern, ermüden Menschen mit der Zeit. Folglich steigt die Fehleranfälligkeit. Wie in Ansbach sollen auch woanders solche und ähnliche Aufgaben, etwa mit ergonomisch ungünstigen Bewegungsabläufen, künftig von den roboterbasierten Kollegen erledigt werden.

Auch räumlich hochflexibel

In Ansbach profitiert man auch von der räumlichen Flexibilität der mobilen Assistenten. Die Verantwortlichen in der Fertigung können wählen, wie sie ihre Roboter einsetzen wollen. Während Industrieroboter üblicherweise auf eine Aufgabe spezialisiert und ortsfest installiert sind, kann der Produktionsassistent von Bosch schnell für neue Einsatzbereiche eingerichtet werden. Über eine dialoggesteuerte, grafische Bedienoberfläche können neue Arbeitsabläufe auch ohne besondere Programmierkenntnisse Schritt für Schritt eingelernt, abgespeichert und problemlos jederzeit wieder abgerufen werden. So kann der APAS Assistant heute an dem einen und morgen an einem anderen Ort in der Produktion eingesetzt werden. Aufgrund standardisierter Schnittstellen lässt er sich außerdem sowohl mit anderen Assistenzsystemen als auch mit weiteren Anlagen vernetzen. Diese Flexibilität hat sich in Ansbach und weiteren Bosch-Werken bereits bewährt. Auch andere Unternehmen aus verschiedenen Industriesegmenten, beispielsweise dem Automobilbereich, setzen die Roboter erfolgreich ein – und zeigen, dass die Koexistenz von Mensch und Roboter am Arbeitsplatz bereits heute Realität ist.

Robert Bosch GmbH
www.bosch.de

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