Im Rahmen der Veranstaltung hatte Schunk im Oktober an seinen Automatisierungs-Standort in Brackenheim-Hausen eingeladen. „An zwei Tagen wurde intensiv über die Möglichkeiten der roboterbasierten Bauteilbearbeitung diskutiert“, zog Daniel Mayer, Head of Product Sales bei R-Emendo, ein erstes Fazit. „Hochkarätige Speaker aus der Branche gaben Einblicke in die aktuellen Trends, moderne Technologien und neue Produkte.“ Über 70 Teilnehmer (40% international) nutzen die Gelegenheit zum Networking und der Information über neue Lösungen und Use Cases aus der Praxis.
Einblick in die Fertigung
In Brackenheim-Hausen produziert und montiert Schunk einen Großteil seiner Greifer. Dabei nutzt der Anbieter eine Vielzahl eigener Produkte in automatisierten Anwendungen. Im flexiblen Fertigungssystem (FFS) mit neun angebundenen Toyoda-Maschinen genauso wie in einem weiteren FFS von Schuler Automation mit Heller-Bearbeitungszentren. Bei der Beschickung von SW-Werkzeugmaschinen mit Cellro-Automation kommen ebenfalls Greif- und Spannlösungen aus dem hauseigenen Portfolio zum Einsatz. Gerade solche Applikationen bieten aus Sicht des Unternehmens auch in der eigenen Fertigung noch Potenzial, um die vorgelagerten Roboter während der Maschinenlaufzeit besser auszulasten. Das Thema roboterbasierter Bearbeitungsprozesse reicht bei Schunk also von der eigenen Fertigung bis tief in das Portfolio für die Automatisierung.
Teil des Standorts Hausen ist eines von mittlerweile sieben Co-Lab genannten Roboter-Applikationszentren, in dem Schunk eine attraktive Umgebung für das Networking geschaffen hat. Während dort normalerweise Kunden bei der Lösung individueller Problemstellungen unterstützt werden, waren im Rahmen der Expert Days verschiedene Partner anwesend, die das Themenspektrum rund die automatisierte Bauteilbearbeitung komplettierten.
Vielseitiges Vortragsprogramm
Ergänzend dazu wurde ein abwechslungsreiches Vortragsprogramm angeboten. Anfangs ging es primär um geeignete Werkzeuge und die Eigenschaften, die sie für den Einsatz am Roboter bieten müssen. Nicolas Huth von der Firma Pferd räumte ein, dass sich zwar auch Werkzeuge für die manuelle Bearbeitung oft am Roboter nutzen lassen. Werden hingegen spezielle Werkzeuge verwendet, wirkt sich das durchaus positiv auf Lebensdauer, Bauteilqualität und Verfügbarkeit der Applikation aus. Prinzipiell solle man zudem erst das geeignete Werkzeug definieren und sich dann um den passenden Roboter kümmern – nicht umgekehrt. Dominik Messaros von Kempf ging in seinem Vortrag der Frage nach, ob man extrem harte Materialien wie Keramik bei Bearbeitungsaufgaben mit dem Roboter überhaupt einsetzen kann, z.B. bei der Entgratung von Querbohrungen. Auf jeden Fall, so seine Antwort. Aber man müsse dem extrem harten Material größtmögliche Flexibilität verleihen. Kempf gelingt dies mit einem Fiber Brush, der aus vielen einzelnen Fasern aus Keramikpartikeln auf einem Compound-Träger aufgebaut ist.
Die nächsten Referenten zielten in Richtung von Schleifmitteln und -aufsätzen. Die finnische Firma Mirka hat hier mittlerweile ein breites Portfolio für Roboter – vornehmlich Cobots – aufgebaut. „Aufgrund der eintönigen und belastenden Tätigkeit sowie des Fachkräftemangels nimmt die Nachfrage in diesem Segment stark zu“, erklärte Evald Lassus. „Bei der Automatisierung solcher Prozesse lassen sich zudem deutliche Vorteile bei Qualität und Genauigkeit generieren.“ Um passgenaue Lösungen anzubieten, setzt Mirka auf ein modulares Tool-Programm. Es umfasst nur nicht verschiedene Größen und Formen an Schleifaufsätzen, sondern auch Kombinationsmöglichkeiten mit Sensorik oder Aktoren, die Höhenunterschiede des Bauteils ausgleichen. Das Großunternehmen 3M – in der öffentlichen Wahrnehmung eher als Hersteller von Pflastern oder Post-its bekannt – versorgt seit Jahrzehnten die Industrie mit Schleifmitteln. Darunter sind auch Produkte für die automatisierte Oberflächenbearbeitung, die sich durch ihre hohe Langlebig auch bei heutigen Nachhaltigkeitsansprüchen auszahlen. Welche zu Roboteranwendungen passenden Support und Safety-Konzepte ergänzend angeboten werden, wurde auf den Expert Days ebenfalls erklärt.
Roboter und Prozesse
Was ist für Bearbeitungsprozesse besser geeignet: Industrieroboter oder Cobots? „Wir brauchen beide“, betont Danny Denk vom Integrator Ecosphere. Sein Unternehmen hat in nur drei Jahren 75 Roboterlösungen für Material Removal in Betrieb genommen. Je nach Anforderung sei immer die eine oder andere Roboterart besser geeignet. Im Rahmen seines Vortrags führte Denk durch die verschiedenen Überlegungen und Vorbereitungen, die für die erfolgreiche Umsetzung einer automatisierten Anwendung ausschlaggebend sind – vom Engineering, über die Inbetriebnahme bis zu Betrieb und Service. Anschauliche Lösungsbeispiele hatte auch Florian Krukemeyer mitgebracht, die sein Unternehmen IBK als Projektpartner bereits realisiert hat: vom Entgraten über das Schleifen bis hin zum Bürsten.
Als frischgebackener CEO der schwedischen Firma Svenska Elektrod stellte sich Karl Ericsson vor zwei Jahren der Frage: „Kann man mit Cobots schleifen?“ Schließlich versteht er seine Aufgabe mitunter darin, neue Technologien in das Angebot seiner Firma aufzunehmen. Schnell folgte damals ein erstes Cobot-Projekt. Heute ist Svenska Elektrod zertifizierter UR-Partner und hat bereits eine Vielzahl an Schleifapplikationen gelöst. Die Robustheit von Cobots sei dafür vollkommen ausreichend. Auch die Wiederholgenauigkeit lasse sich mit gewissen Mechanismen sicherstellen. Das ausschlaggebende Alleinstellungsmerkmal schreibt Ercisson der einfachen Programmierung zu. Das sieht Dr. Felix Hähn von Boll Automation genauso: „Mit unserer Lösung Robomill sind Polier-Anwendungen in wenigen Minuten umsetzbar – komplett unabhängig von der vorhandenen Robotikexpertise.“ Um diese Aussage direkt vor Ort zu verifizieren, konnten die Konferenzteilnehmer die Cobot-Schleiflösung im Co-Lab selbstständig parametrieren und in Betrieb nehmen.
Software und die große Perspektive
Standen auf den Expert Days bis dahin Werkzeuge und Roboter im Vordergrund, erweiterte sich die Perspektive am zweiten Veranstaltungstag auf Technologietrends, die Endkundensicht und das große Themenfeld Software. Die Keynote startete mit der Kette an aktuellen Herausforderungen, denen sich produzierende Unternehmen heute stellen müssen. Cornelia Tepper von der TU Darmstadt zeigte Wege auf, diesen mit Hilfe von Robotern zu begegnen. Dabei gab sie auch einen Einblick in die Historie bereits gelöster Roboteranwendungen beim Bohren, Drehen, Fräsen, Schleifen und Polieren sowie bei der additiven Fertigung. Allen Lösungen gemein ist der Fokus auf die Flexibilität. Denn in Bezug auf Kraft und Steifigkeit kann der Roboter bis heute nicht mit klassischen Maschinen mithalten. Deshalb werden Roboter – so die Referentin – Werkzeugmaschinen auf absehbare Zeit nicht verdrängen. „Aber sie erweitern den Lösungshorizont für den Anwender und bieten in einigen Fällen eine smarte Alternative“, so Tepper.
Einen zukunftsgerichteten Blick auf das Thema Material Removal warf ArtiMinds. Dabei unterstrich Dr. Andreas Hermann, welch elementaren Anteil smarte Software-Tools auch bei Roboteranwendungen dieser Art künftig einnehmen. Die grafische Programmierung, Templates für eine Vielzahl an Bearbeitungsarten sowie eine kontinuierlicher Prozessverbesserung durch KI und Analytics bilden dann die Basis für mehr Effizienz, Produktivität und Qualität. Ein entsprechendes Pilotprojekt mit SHL, um beim Roboterschleifen prozessrelevante Parameter einfach zu identifizieren, läuft bereits. Wie nicht anders zu erwarten, stand moderne Software auch bei Erik Pleško von Wandelbots im Vordergrund. Er präsentierte den Zuhörern die Programmiersprache Wandelscript als Teil der hauseigenen Development Plattform. Damit sollen Anwender künftig auch selbstständig Roboterapplikationen entwickeln und umsetzen – unabhängig vom verwendeten Roboter.
Jede Minute ein neues Programm
Spannende Einblicke in die Audi-Produktion gestattete Mathias Mayer. Er stellte ein Entwicklungsprojekt aus dem Karosseriebau vor, in dem es um roboterbasierte Bearbeitungsprozesse geht. Weil sich Karosserieteile selbst in der Serienfertigung in Nuancen voneinander unterscheiden, kombiniert der Automobilbauer verschiedene Technologien, um die Nachbearbeitung zu optimieren. In der Pilotanlage in Neckarsulm erfassen acht Kameras inline etwa die Qualität von Schweißpunkten in wenigen Sekunden mit einer Vielzahl von Bildern. Ein neuronales Netz erkennt daraufhin Stellen, die nachbearbeitet werden müssen, und gibt die Daten an eine Siemens-SPS weiter. Daraus wiederum werden individuelle Parameter für jede Karosserie berechnet, die die Roboter dann für die Bearbeitung nutzen – bei einer Zykluszeit von 58 Sekunden wird also quasi jede Minute ein neues Steuerungsprogramm in den Roboter-Controller geladen.
Den thematischen Abschluss machten Vorträge von SHL und Supfina. Der Integrator SHL hat bereits über 3.000 Bearbeitungslösungen realisiert. Daraus abgeleitet erläuterte Reinhold Stehle, wie man zusammen mit dem Kunden am besten in ein Projekt startet sowie welche Vorbereitung und Überzeugungsarbeit dafür im Vorfeld zu leisten sind. Martin Geppert von Supfina ging in seinem Vortrag auf moderne Messtechnik ein, die für bestmögliche Ergebnisse beim Schleifen und Polieren sorgt.
Vielseitiges Fazit
Auch wenn Schlagwörter wie Fachkräftemangel oder Easy-to-Use auf den Expert Days immer wieder auftauchten, so kamen insgesamt doch jede Menge Aspekte rund um das Thema Material Removal auf den Tisch: moderne Möglichkeiten, passgenaue Anwendungen, künftige Technologien, einfaches Programmieren, smarte Softwarelösungen sowie visionäre Pilot-Anwendungen. Durch die großzügig bemessenen Networking-Pausen hatten die Teilnehmer ausgiebig Zeit, die für sie wichtigen Punkte untereinander oder mit den Referenten nochmals zu vertiefen. Die Demonstratoren und Partnerapplikationen im Co-Lab boten zudem die Chance, Theoretisches direkt vor Ort in der Praxis live zu erleben.