Stefan Mooren, Leiter Anwendungstechnik bei Castrol, im Interview

Stefan Mooren, Leiter Anwendungstechnik bei Castrol, im Interview

„One Fits All“

Stefan Mooren ist seit 2007 bei Castrol tätig und leitet derzeit die Abteilung Anwendungstechnik im Bereich der industriellen Schmierstoffe. Mit ROBOTIK UND PRODUKTION spricht er über die Advanced Lubricants for Robotics, Schmierstoffe, die speziell für den Einsatz an industriellen Robotern entwickelt wurden. Dabei geht es auch um die derzeitigen Trendthemen Predicitve Maintenance, kollaborative Robotik und Nachhaltigkeit.

Bild: Castrol Germany GmbH

ROBOTIK UND PRODUKTION: Sehr geehrter Herr Mooren, was ist das Besondere an den ALR-Schmierstoffen von Castrol? Warum eignen sie sich besonders für den Einsatz in Roboteranwendungen?

Stefan Mooren: In der Entwicklung der ALR-Schmierstoffe stecken 30 Jahre Erfahrung, aber auch ganz aktuelle Erkenntnisse, die wir in Zusammenarbeit mit den Roboter- und Getriebeherstellern gewonnen haben. Getriebe für Roboteranwendungen sind sehr präzise, aber auch spielfreie Getriebe, die besonders empfindlich auf Reibungsschwankungen reagieren. Mithilfe von Langzeittests in unseren Entwicklungslaboren konnten wir die optimale Additivierung entwickeln und erproben. Viel entscheidender ist aber die Prüfphase, die die Schmierstoffe direkt vor Ort bei den Roboter- und Getriebeherstellern durchlaufen. Diese verfügen über Testmöglichkeiten, die wir derzeit noch nicht haben. Die ausführliche Prüfung erfolgt dabei nicht nur im Hinblick auf Reibung und Verschleiß, sondern fokussiert auf den Bereich der Dichtungsverträglichkeit. Reibung und Verschleiß haben wir schon länger im Griff. Wichtig ist es aber, vor allem durch die Schmierstoffe die Langlebigkeit der Dichtungen und Getriebe zu erhöhen. Das ist das Besondere an den ALR-Schmierstoffen.

Darüber hinaus ist die Schmierstoffkennzeichnung ein wichtiges Thema. Die ALR-Schmierstoffe erfüllen alle Anforderungen aus dem GHS-System. Unsere Schmierstoffe werden weltweit vertrieben und unser Ziel ist es, Produkte anzubieten, die keiner Kennzeichnungspflicht unterliegen, also unbedenklich sind. Unsere Hauptkunden sind Roboterhersteller, die wir mit großen Mengen an First-Fill-Lieferungen versorgen. Würden unsere Schmierstoffe der Kennzeichnungspflicht unterliegen, hätte dies auch Auswirkungen auf die Kennzeichnungspflicht des Roboters. Der andere Aspekt ist, dass Roboterhersteller z.B. den standardmäßigen Ölwechsel für ihre Kunden und Kundinnen selbst anbieten. Die Mitarbeitenden müssen dann die Schmierstoffe zur Kundschaft mitnehmen, und da ist es natürlich sehr vorteilhaft, wenn die Schmierstoffe unbedenklich und keine Vorsichtsmaßnahmen zu beachten sind.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Für welches Anwendungsspektrum sind die ALR-Schmierstoffe geeignet? Wie steht es um Anwendungen, wie Schweißen oder Plasmaschneiden bzw. Roboter im Gießereiumfeld? Wie verhält es sich mit extrem schmutzigen oder staubigen Umgebungen? Was ist mit Roboterlösungen für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie bzw. den Reinraum?

Mooren: Die Spezifikation der ALR-Schmierstoffe ermöglicht es den Anwendern, diese für die unterschiedlichsten Getriebe in unterschiedlichen Anwendungsbereichen und verschiedenen Robotertypen zu verwenden. Bei der Getriebeerprobung prüft man üblicherweise unter Bedingungen, die die schwersten Bedingungen im realen Einsatz darstellen. Verschiedene Schmierstoffe für verschiedene Anwendungsfälle sind dann nicht mehr notwendig. Damit ist unser Produkt gewissermaßen für bestimmte Anwendungsfälle over-engineered, aber für unsere Kundschaft ist es wichtig, dass sie ein Produkt zur Verfügung haben, mit dem man alle Anwendungen ausführen kann, unerheblich, ob sich der Roboter in einer Gießerei befindet oder zum Schweißen eingesetzt wird. Unsere Schmierstoffe sind für alle Roboter freigegeben. Nur im Bereich Lebensmittel- und pharmazeutische Industrie kommen besondere Schmierstoffe zum Einsatz, die physiologisch unbedenklich sind und über eine spezielle Lebensmittelregistrierung der National Sanitation Foundation verfügen. Das ist aber die einzige Ausnahme. Sonst gilt: One fits all.

 (Bild: Castrol Germany GmbH)

“ Durch die Harmonie zwischen ALR-Schmierstoffen und Dichtwerkstoffen können wir neben dem Verschleißschutz und dem Einhalten eines gleichbleibenden Reibungsniveaus die Energieeffinzienz erhöhen und Leckage vermeiden.“ Stefan Mooren, Castrol (Bild: Castrol Germany GmbH)

ROBOTIK UND PRODUKTION: Und wie steht es um die verschiedenen Achsen des Roboters? Gilt hier auch: One fits all?

Mooren: Vor allen Dingen bei sehr großen Robotern ist es so, dass sich die Achse 1, die auf dem Boden fest montiert ist, nur sehr langsam in geringen Winkelauslenkungen dreht. Hier brauchen wir hochviskose, dickflüssige Schmierstoffe. Alle anderen Achsen lassen sich mit den ALR-Schmierstoffen versorgen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Benötigen Cobots bzw. Leichtbauroboter auch keine anderen Schmierstoffe als klassische größere Roboter?

Mooren: Auch bei Cobots und Leichtbaurobotern kommen die ALR-Schmierstoffe zum Einsatz. Bei kleineren Modellen sind die Getriebe allerdings häufig fließfettgeschmiert. Die klassischen großen Industrieroboter, wie sie z.B. in der Automobil-Industrie zum Einsatz ­kommen, sind in der Regel ölgeschmiert. Aber auch Fließfette sind Teil unseres ALR-Schmierstoffprogramms und verfügen über die gleiche Additivierung.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was ist mit Predictive-Maintenance-Anwendungen? Gibt es eine bestimmte Sensorik, die erkennt, wann z.B. ein Ölwechsel nötig ist?

Mooren: Während der Entwicklung und Erprobung werden unsere Schmierstoffe durch Gebrauchtölanalysen sehr engmaschig analysiert. Dabei erlangen wir Erkenntnisse über die maximale Schmierstoffstandzeit, die sehr aussagekräftig in Bezug auf die realen Einsatzbedingungen ist. Dadurch sind wir in der Lage, Ölwechselintervalle vorzugeben. Je nach Einsatzbedingungen werden dabei Betriebszeiten von bis zu 20.000 Stunden erreicht. Das korrespondiert mit dem Intervall, in dem auch die Roboter regelmäßig in Stand gesetzt werden. Eine Online-Überwachung im Hinblick auf eine vorausschauende Wartung wird nicht durchgeführt. Bei Füllmengen von ca. fünf bis sechs Litern reicht es vollkommen aus und ist kostenmäßig überschaubar, wenn man den Getriebeölwechsel bei der turnusmäßigen Roboterwartung einfach mit einplant.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie gehen Sie das Thema Nachhaltigkeit an? Wie steht es um Produktion und Entsorgung der ALR-Schmierstoffe?

Mooren: Im Zuge unserer Neuausrichtung Reinventing bp ist für Castrol das Thema Nachhaltigkeit zu einem Hauptfokus geworden. Ein Ziel ist es, bis 2050 oder früher die Produktion der Schmierstoffe NetZero zu gestalten. Aber bereits heute haben wir durch zahlreiche Maßnahmen in den Produktionswerken den CO²-Ausstoß reduzieren können. Ein wichtiges Thema ist aber auch die Entsorgung. Bei den ALR-Schmierstoffen handelt es sich um vollsynthetische Produkte, die nach den heute gängigen Entsorgungsschlüsseln entsorgt werden müssen. Aber wir arbeiten daran, die Wiederverwendbarkeit zu verbessern. Es ist z.B. möglich, ein Additivkonzentrat zu entwickeln, das man einem gebrauchten Öl zugeben kann, um die abgebauten Additive aufzufrischen und zu ergänzen. So lässt sich nahezu wieder ein Frischölzustand erreichen und der Getriebeölwechsel inklusive Altölentsorgung um ca. drei bis fünf Jahre herauszögern.

Eines unser nächsten Projekte ist es, sowohl Additive als auch Grundöle aus biobasierten Quellen zu entwickeln. Für unsere Roboterschmierstoffe gibt es derzeit zwei Entsorgungsmöglichkeiten. Das ist einmal die Wiederaufbereitung in Raffinerien und zum anderen die Verwendung als Brennstoff.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wie steht es um die Langlebigkeit der ALR-­Schmierstoffe?

Mooren: In den letzten zehn Jahren wurde bei der Getriebe-Performance in der Regel mit 10.000 Betriebsstunden gerechnet. Doch auch hier ist die Entwicklung vorangeschritten. 20.000 Betriebsstunden ist jetzt die Ziel-Betriebsstundenanzahl der Roboter- und Getriebehersteller. Es gibt immer mehr Anwendungsfälle, in denen wir die 20.000 Betriebsstunden erreichen, da unsere Schmierstoffe im Zuge der Weiterentwicklung immer besser zu den jeweiligen Getrieben passen.

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