Über Chancen und Hürden auf dem Weg in die Führungsposition

„Wir müssen sichtbar werden“

Der Frauenanteil im Bereich Maschinenbau betrug 2021 lediglich 17 Prozent. Der Expertinnenanteil sogar nur 11 Prozent. Was können heutige Großkonzerne in der Automatisierungsbranche wie Kuka tun, um daran etwas zu ändern? Darüber hat ROBOTIK UND PRODUKTION mit Nadja Doesel, Vice President Global Operations & Governance in der Produktentwicklung von Kuka, gesprochen, aber auch über ihre Rolle als weibliches Vorbild für zukünftige Führungskräfte.
Nadja Doesel ist studierte Betriebswirtin und Fremdsprachenkorrespondentin und arbeitet bereits seit 15 Jahren für Kuka, aktuell als Vice President Global Operations & Governance in der Forschung und Entwicklung des Augsburger Automatisierungskonzerns.
Nadja Doesel ist studierte Betriebswirtin und Fremdsprachenkorrespondentin und arbeitet bereits seit 15 Jahren für Kuka, aktuell als Vice President Global Operations & Governance in der Forschung und Entwicklung des Augsburger Automatisierungskonzerns.Bild: Kuka Deutschland GmbH

Sehr geehrte Frau Doesel, erzählen Sie uns doch einmal etwas über Ihre Position bei Kuka. Was macht ein Vice President in der R&D-Abteilung für Robotik bei Kuka?

Nadja Doesel: Offiziell lautet mein Titel Vice President Global R&D Operations and Gouvernance. Darunter kann man sich vielleicht erst einmal nicht so viel vorstellen. Meine Abteilung ist das Bindeglied zwischen der ersten Idee aus dem Portfolio-Management in Abstimmung mit der Strategie und dem marktreifen Produkt. Wir fragen uns zunächst: Was braucht der Markt? Was sind neue Trends? Welche neuen Produkte wollen wir entwickeln? Zusammen mit dem Portfolio-Management definieren wir dann die globale Roadmap, die in der R&D-Abteilung in globalen Programmen und Projekten abgewickelt wird. Das gesamte Projekt- und Programmmanagement liegt dabei in meiner Verantwortung. Darunter stehen globale Projektleiter, die unsere Projekte in der R&D-Abteilung managen, aber auch alle Schnittstellen mit einbeziehen, die wir in der Produktentwicklung brauchen, wie z.B. Sales, Produktion und auch Marketing. Ich bin also von der Idee bis zur Auslieferung involviert, was meine Tätigkeit sehr vielseitig und spannend macht.

Allerdings bedeutet diese Tätigkeit auch eine Gratwanderung. Neben den Ideen und den Menschen, die diese Idee realisieren, müssen wir auch Strukturen schaffen, die sicherstellen, dass wir am Ende des Tages ein konformes Produkt ausliefern. Gerade mit zunehmender Globalisierung braucht es Prozesse, die sicherstellen, dass die Zusammenarbeit effizient und effektiv abläuft. Hier gilt es, die passende Prozesslandschaft und Infrastruktur zu gestalten. Ich habe also ein sehr großes, breites Tätigkeitsfeld, dass durch die voranschreitende Globalisierung auch zukünftig sehr viel gestalterisches Potenzial bietet.

Die Impulse, wo die technologischen Trends hingehen und was der Markt braucht, kommen dabei in der Hauptsache aus der R&D-Abteilung. Meine Aufgabe ist es, die Anforderungen für das neue Produkt zusammenzutragen und die Entwicklung über das Projekt-Management durch alle Instanzen hindurch zu tragen. Ich bin nicht die verantwortliche Ideengeberin, das ist immer ein gemeinschaftlicher Ansatz. Aber ich bin von der Ideenfindung über die Produktentwicklung bis zur Realisierung involviert.

Frauen im deutschen Maschinenbau 2021

Frauenanteil sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Bereich Maschinenbau: 17%
Frauenanteil unter Studienanfängern im ­Bereich Maschinenbau: 22,8%
Frauenanteil im Bereich Ingenieurwesen: 9,2%
Frauenanteil Beschäftigte mit Experten­tätigkeiten im Bereich Maschinenbau: 11%

Welche Fähigkeiten und Qualifikationen mussten Sie für Ihre Position mitbringen?

Ich bin studierte Betriebswirtin und habe eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin absolviert, weil ich neugierig auf unterschiedliche Kulturen, Sprachen und den Menschen an sich bin. In einem dynamischen Umfeld, wie der Automatisierungsbranche, braucht man Freude am Gestalten und organisatorische Stärke. Das sind auf jeden Fall Schlüsselqualifikationen, die in meiner Position relevant sind. In meinem Job muss man Projekte ordnen, priorisieren und auch letztendlich durchsetzen können. Es braucht fachliche Expertise zum Projekt-Management und Prozessverständnis, aber auch Interesse für Innovationen, Offenheit für neue Themen und eine ordentliche Portion Pragmatismus.

Welche Herausforderungen mussten Sie auf dem Weg in Ihre Position meistern?

In einem Maschinenbauunternehmen, wie Kuka, meinen persönlichen Karriereweg zu gestalten, war schon eine Herausforderung für mich. Chancen, die sich bieten, zu nutzen, aber auch aktiv den Karrierefortschritt einzufordern, ist nicht immer leicht. Ich arbeite in einer Abteilung, die nicht autark arbeiten kann. Wenn sich in der Produktion etwas verändert, müssen wir uns mit verändern. Die Offenheit, diese Entwicklungen mitzugestalten und sich nicht zu verschließen, sondern Veränderung als Wachstumschance zu sehen, ist auch eine Herausforderung, die meine Position mit sich bringt. Und natürlich ist es auch als Frau eine Herausforderung, die eigene Karriere aktiv voranzutreiben und eine Führungsposition einzunehmen.

Eine weitere Herausforderung, die mich vom ersten Tag an begleitet, ist es, das richtige Maß zwischen festen Rahmenbedingungen und Flexibilität zu finden. Der Kuka-Konzern ist über die letzten Jahre kontinuierlich gewachsen und es gibt immer neue Anforderungen an die Automatisierung. Zum Beispiel haben wir im Moment den Trend, Automatisierungslösungen auch für kleine und mittelständische Unternehmen attraktiv und umsetzbar zu gestalten. Hinzu kommt die digitale Transformation und die intelligent vernetzte Produktion. All das stellt uns immer wieder vor Herausforderungen, die ich mit meinem Team meistern muss. Dabei geht es darum, Strukturen zu schaffen, die Guidance und Governance ermöglichen. Wir müssen die richtige Balance finden, was wir zentral und was wir lokal organisieren. Wir müssen außerdem ein Arbeitsumfeld schaffen, mit dem wir als globaler Arbeitgeber attraktiv sind und erfolgreiche und innovative Produkte in den Markt bringen. Kurze klare Entscheidungswege, um schnell und effizient zu arbeiten, das ist dabei unsere zentrale Aufgabe.

Was glauben Sie, warum Positionen wie die Ihre immer noch selten mit Frauen besetzt sind?

Die Frauenquote in MINT-Berufen und im Maschinenbau ist niedrig. Im Kuka-Konzern sind wir derzeit bei etwa 20 Prozent Frauenanteil. Um das zu ändern, müssen wir die Vielfalt der Berufsmöglichkeiten in einem großen Technologiekonzern aufzeigen. Hier gilt es, Transparenz zu schaffen. Es ist wichtig, das Interesse bei jungen Menschen schon sehr früh für eine Ausbildung oder ein Studium in diesem Bereich zu wecken.

Ein Grund für den geringen Frauenanteil ist sicherlich immer noch der Fakt, dass es die Frauen sind, die die Kinder bekommen. Wenn eine Frau sich heute für den Weg ‚Kind und Karriere‘ entscheidet und die Rahmenbedingungen des Arbeitgebers noch so gut sind, bleibt es trotzdem eine Herausforderung, das zu organisieren. Zugegeben, hier hat sich viel verändert in den vergangenen Jahren. Der Trend geht in die richtige Richtung, aber wir sind noch nicht da angekommen, wo wir sein sollten.

Männer müssen auch bereit sein, Flexibilität bei ihrem Arbeitgeber einzufordern, um Frauen familienbezogene Pflichten überhaupt abnehmen zu können. Mann und Frau müssen sich die Familienarbeit aufteilen und gemeinsam passende Strukturen finden. Gemeinsam mit meinem Team haben wir uns auf ein Zusammenarbeitsmodell geeinigt, dass sowohl Verbindlichkeit dem Arbeitgeber gegenüber ermöglicht, aber auch genügend Flexibilität für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereithält. Hier muss man als Führungskraft gemeinsam mit seinen Mitarbeitern lernen, offen und flexibel zu bleiben.

Frauen in Führungspositionen bei Kuka

Frauenanteil im gesamten Unternehmen: 20%
Frauenanteil Aufsichtsrat: 33%
Frauenanteil 1. Führungsebene unter dem Vorstand: 14%
Frauenanteil 2. Führungsebene unter dem Vorstand: 19%

Was tun Sie und Ihr Unternehmen, um Frauen im Technikbereich zu fördern? Wie unterstützen Sie es, dass Frauen dabei zunehmend auch höhere Führungspositionen erreichen?

Bei Kuka haben wir ein Mentoring-Netzwerk implementiert, innerhalb dessen Mentoren ihre Schützlinge fördern und auf ihrem Weg begleiten. Dazu gehört es auch, gemeinsam Karrierepläne zu entwickeln. Außerdem haben wir mit OrangeWin ein Netzwerk für Frauen geschaffen, das zum Erfahrungsaustausch und zur Talentsuche genutzt werden kann. Neben dem Managementzweig gibt es bei Kuka zudem die Möglichkeit, über einen fachlichen Karrierezweig aufzusteigen. So können Frauen und Männer auch über eine rein technische Qualifikation eine adäquate Führungsposition erreichen.

Was die Förderung von Frauen im Technikbereich und in Führungspositionen angeht, versuche ich persönlich mit gutem Beispiel voranzugehen. Beim Zusammenstellen von Teams ist mir Diversität sehr wichtig. Denn Teams leben von unterschiedlichen Perspektiven, Ideen und Hintergründen. Als Vorbild habe ich auch die Möglichkeit, das Bewusstsein für Diversität im Unternehmen zu schärfen und so Kolleginnen und Kollegen zu inspirieren. Bei diesem Thema darf man aber auch die Bedeutung von Netzwerken für Frauen, wie OrangeWin, nicht unterschätzen. Denn Männer sind heutzutage immer noch besser und stärker vernetzt. Hier ist es aber wichtig, dass keine reinen Parallelnetzwerke geschaffen werden. OrangeWin soll kein Netzwerk ausschließlich für Frauen von Frauen sein. Wir laden selbstverständlich auch männliche Vortragende ein und versuchen, den Dialog geschlechterübergreifend herzustellen. Außerdem ist es immer noch so, dass Frauen sich schwerer damit tun, in neue Bereiche vorzudringen und dafür auf andere Personen zuzugehen. Hier können ein paar Tipps und Tricks nicht schaden. Manchen Frauen fällt es auch gerade zu Beginn der Karriere einfacher sich zu öffnen, wenn andere Frauen dabei sind. Häufig haben sie immer noch Sorge, von männlichen Kollegen und Vorgesetzten belächelt zu werden.

Wir müssen versuchen, die Unterschiede von Männern und Frauen zu nutzen und davon zu profitieren. Unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven sind immer eine Bereicherung, unabhängig vom Geschlecht. Aber Kuka muss auch die nötigen Gestaltungsmöglichkeiten geben. Wir müssen uns heutzutage auf flexible Arbeitsmodelle einstellen, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein und die Bedürfnisse unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erfüllen, unabhängig davon, ob es sich um Elternzeit, Pflege von Angehörigen, ehrenamtliche Tätigkeiten oder zeitintensive Hobbys handelt.

Was raten Sie jungen Menschen, die Ambitionen haben, einen ähnlichen Weg wie Sie einzuschlagen?

Das wichtigste ist Begeisterung. Wenn man für ein Thema brennt und aktiv etwas gestalten will, dann muss man es artikulieren und somit sichtbar werden. Man muss andere Menschen von seiner Idee begeistern und diese dann gemeinsam im Team durchsetzen und realisieren. Dazu gehört aber auch Verbindlichkeit und die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen. Wichtig ist es auch, Rückschläge und Veränderungen nicht negativ aufzunehmen, sondern daraus zu lernen und positiv nach vorne zu schauen.

http://www.kuka.com
Kuka Deutschland GmbH

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