Robotik gestern, heute und morgen

Robotik gestern, heute und morgen

Anwendungen in allen
Lebensbereichen

Joe Engelberger, den wir in der Erstausgabe von Robotik und Produktion ausgiebig vorgestellt haben, war nicht nur der ‚Vater der Robotik‘, sondern auch Mitbegründer der Robotic Industries Association (RIA). Für die aktuelle Ausgabe unterhielten wir uns mit Jeff Burnstein, Präsident der RIA, der über Aufgaben seiner Organisation, seine enge Zusammenarbeit mit Engelberger, die Entwicklung der Robotik sowie aktuelle Trends berichtet.
ROBOTIK: Mr Burnstein, Sie sind der Präsident der Robotic Industries Association. Was sind die Hauptaufgaben der RIA?

Jeff Burnstein: Die RIA unterstützt und fördert den Einsatz von Robotik mit der Bereistellung von Schulungen, Konferenzen, Workshops und Webinars, sie sammelt Marktstatistiken, tritt als Sponsor bei Messen auf, entwickelt Industrie-Standards und bietet nicht zuletzt eine inhaltsreiche Webseite, die zahlreiche Informationen für all jene liefert, die sich für die Robotik interessieren. Ein weitere Schlüsselaufgabe ist unser sogenanntes Certified Robot Integrator-Programm, das Kunden darüber informiert, welche Systemintegratoren Industrie-Benchmarks gesetzt haben.

ROBOTIK: Sie haben eng mit Joe Engelberger, dem sogenannten ‚Vater der Robotik‘, zusammengearbeitet. Wie würden Sie Ihre Zusammenarbeit beschreiben?

Burnstein: Ich traf Joe in den frühen 1980er Jahren, kurz nachdem er seine Firma Unimation an Westinghouse verkauft hatte. Er war sehr gut mit meinem Vorgänger im Amt Don Vincent befreundet, mit dem er die RIA im Jahr 1974 ins Leben gerufen hatte. In den frühen 1980er Jahren war er damit beschäftigt, die Transitions Research Corporation und Helpmate zu gründen. Er und seine Tochten Gay waren sehr aktiv in unserer International Service Robot Associaltion involviert. Joe war für mich und andere in der Industrie immer eine große Inspiration. Die von der RIA vergebenen Joseph F. Engelberger Robotics Awards waren jedes Jahr ein großer Höhepunkt, da er die Awards immer persönlich verlieh und jeden Gewinner stets sehr eleoquent würdigte.

ROBOTIK: Was würden Sie als Mr. Engelbergers Hauptcharakteristiken hervorheben, und welches sind seine größten Leistungen im Hinblick auf die Robotik, außer dass er diese begründet hat?

Burnstein: Joe war sehr leidenschaftlich, wenn es um Robotik ging. Er war zutiefst davon überzeugt, dass diese Technologie nicht nur unsere Fabriken verändern, sondern auch unser Leben verbessern wird. Daher war er immer dazu bereit, sein Wissen und seine Vision zu teilen, indem er auf wichtigen Veranstaltungen in der ganzen Welt sprach, Bücher schrieb, die die Robotik maßgeblich beeinflussten, und mit der Presse sprach, um deren Aufmerksamkeit auf die Robotik zu lenken. Seine Fähigkeit, mit einfachen Worten und dennoch leidenschaftlich zu kommunizieren, war von unschätzbarem Wert für das Wachstum der Robotik.

ROBOTIK: Angenommen Joe Engelberger und George Devol hätten sich 1956 nicht bei der berühmten Cocktail-Party getroffen: Würden wir uns dann heute überhaupt über Robotik unterhalten, oder wäre die Technologie dann lediglich mit einer gewissen Verspätung ins Leben gerufen worden?

Burnstein: Diese Frage ist wirklich sehr schwer zu beantworten. Ich denke, dass sich diese Industrie schon irgendwie entwickelt hätte, da Firmen nach Wegen suchten, ihre Prozesse zu automatisieren. Allerdings ist es meiner Meinung nach keineswegs sicher, dass die Robotik ohne Joes visionäre Arbeit in Japan und anderswo einen solchen Siegeszug angetreten wäre.

ROBOTIK: Die RIA wurde 1974 gegründet. Haben Sie mit Joe von Anfang an zusammengearbeitet?

Burnstein: Ja, Joe war von Anfang an involviert und arbeitete wie erwähnt bereits mit meinem Vorgänger Don Vincent und anderen zusammen. Er hatte erkannt, dass sich Wettbewerber durchaus in einem Raum zusammensetzen und darüber diskutieren konnten, wie eine Wirtschaftsorganisation sie gemeinsam voranbringen konnte. Ich denke, er hat persönlich die Engelberger Awards ins Leben gerufen, um führende Robotik-Entwickler zu honorieren und andere zu inspirieren. Er hat außerdem dabei geholfen, die ersten Robotik-Messen sowie zahlreiche Konferenzen zu initiieren.ROBOTIK: Wie war die Situation der Robotik in den USA Mitte der 1970er Jahre? Wurde sie bereits auf breiter Basis eingesetzt?

Burnstein: Nein, Mitte der siebziger Jahre wurde die Robotik noch nicht auf breiter Basis in den USA eingesetzt. Joe war über die langesame Entwicklung dieser Technologie in den USA sehr frustriert, wo auf kurzfristige Renditen mehr Wert gelegt wurde als auf langfristige Investitionen. Der Grund dafür, dass er den Unimate-Roboter in den späten 1960er Jahren für Kawasaki lizensierte ist darin zu suchen, dass er in Japan auf ein weitaus interessierteres Publikum traf.

ROBOTIK: Das Phänomen, dass der asiatische Markt – und hier speziell Japan – dem Gebrauch von Robotern in der industriellen Produktion wesentlich offener gegenübersteht als die besipielsweise die US-Amerikaner, hält ja bis heute an. Ist dies in erster Linie ein Imageproblem, oder sind es vielleicht doch eher kulturelle Probleme, die schwerer zu überwinden sind? Oder denken Sie, dass der vermehrte Gebrauch von Robotern als Rasenmäher oder Staubsauger ein Umdenken in der Gesellschaft zur Folge haben wird?

Burnstein: Die Japaner haben Roboter schon immer wohlwollender betrachtet. Sie haben eine Kultur, die Roboter eher als freundliche Helfer, nicht als Terminatoren betrachtet, wie dies in der poulären US-Kultur der Fall ist. Um ehrlich zu sein muss man allerdings auch sagen, dass aus demografischen, aber auch aus Qualtitätsgründen die Japaner Roboter in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren nötiger hatten als die Amerikaner. Angesichts der zunehmend umkämpften Märkte sowie eigener demografischer und qualitativer Aspekte in den letzten Jahren, sind die US-Amerikaner heute Robotern gegenüber deutlich positiver eingestellt.

ROBOTIK: Gegenwärtig ist die kollaborative Robotik – wo die menschliche Arbeitskraft durch Roboter nicht nur im Produktionsumfeld, sondern auch im Bereich Instandhaltung, Logistik, etc. unterstützt wird – ein heißes Thema. Aufgrund der Kosten für solche Roboter werden diese aber vornehmlich von Unternehmen eingesetzt, die bereits eine gewisse Größe und einen vergleichsweise hohen Produktionsumfang erreicht haben. Wie kann diese Technologie Ihrer Meinung nach auch für kleine und mittelgroße Unternehmen bezahlbar gemacht werden?

Burnstein: Im Grunde ist einer der Treiber für den Gebrauch kollaborativer Roboter die Reduktion von Kosten, und zwar in erster Linie die Verringerung der Kosten für Integration, Sicherheit und Gebäudefläche. Mithin sind kleinere und mittelgroße Unternehmen durchaus am Einsatz kollaborativer Roboter interessiert.

ROBOTIK: Bei all der Zuverlässigkeit und Präzision, mit der heutige Roboter arbeiten: Werden Fertigungsbetriebe, die sich dem Einsatz von Robotern verweigern, in absehbarer Zukunft überhaupt konkurrenzfähig sein, oder werden sie abgehängt werden?

Burnstein: Ich bin davon überzeugt, dass im heutigen hart umkämpften globalen Marktgeschehen die Unternehmen, die ihre Produktion nicht erfolgreich automatisieren, tatsächlich abgehängt werden. Roboter sind nicht immer die passende Antwort, aber sie sind es in zunehmenden Maße, besonders im Zuge des technologischen Fortschritts, wie in der kollaborativen Robotik. Kosten werden reduziert und neue Anwendungen entwickelt.

ROBOTIK: Abgesehen von den Entwicklungen, von denen wir bereits sprachen: Welche sind für Sie die kommenden Mega-Themen im Bereich Robotik?

Burnstein: Es gibt zahlreiche aufregende Entwicklungen im Bereich lernende Maschinen, künstliche Intelligenz, Bildverarbeitung, Greifen oder Mobilität. Diese Entwicklungen werden es Robotern erlauben, Anwendungsfelder außerhalb der Fabrik in allen Bereichen unseres Lebens zu finden, inklusive unserer Häuser.

Robotic Industries Association

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