Verschleiß- und wartungsfreie Verbindungen

Energie und Daten per Luftspalt übertragen

Verschleiß- und wartungsfreie Verbindungen

In der industriellen Automatisierung findet die Energie- und Datenübertragung zumeist mit Steckverbindern statt. Müssen diese häufig gelöst und neu gesteckt werden, ist ihre Lebensdauer begrenzt, da Kontakte verbiegen oder verschleißen. Das führt zu ungeplanten respektive unvorhersehbaren Produktionsausfällen und regelmäßigen Wartungsintervallen. Kontaktlose Echtzeit-Kommunikationssysteme können hier Abhilfe schaffen.

Kontaktlos, kompakt, robust: NearFi ersetzt verschleißanfällige und wartungsintensive Steckverbindungen flexibel und einfach. (Bild: Phoenix Contact Deutschland GmbH)

Kontaktlos, kompakt, robust: NearFi ersetzt verschleißanfällige und wartungsintensive Steckverbindungen flexibel und einfach. (Bild: Phoenix Contact Deutschland GmbH)

Ein anschauliches Beispiel für den Verschleiß von Steckverbindern findet sich in der Automobilfertigung: Pro Tag kommt es hier zu hunderten von Steckzyklen zwischen einem Roboterarm und seinem Wechselwerkzeug. Aufgrund der hohen Steckzyklen beim Werkzeugwechsel reduziert sich der Nutzungszeitraum der Steckverbinder deutlich, weil die Kontakte beim ständigen Austauschen abbrennen, verschmutzen oder verbiegen. Als vorbeugende Maßnahme belaufen sich die Kosten für regelmäßige Wartungsintervalle schnell auf einen siebenstelligen Betrag. Steckverbinder werden auch bei fahrerlosen Transportsystemen, Dreh- oder Rundtakttischen sowie Applikationen, die Schleifringe verwenden, oftmals ersetzt. Alle bislang verfügbaren Lösungen erweisen sich entweder als nicht ausreichend performant, fehleranfällig oder wartungsintensiv und damit entsprechend teuer im Betrieb.

Hier bietet sich die kontaktlose Übertragung von Energie und Daten über einen Luftspalt an. Dieser Ansatz erlaubt nicht nur verschleiß- und wartungsfreie Verbindungen, sondern sogar eine Weiterleitung durch Glaswände oder andere nichtleitende Medien, sodass sich vielfältige Anwendungsmöglichkeiten ergeben. Als Beispiel sei die kontaktlose Erschließung nicht- oder schwerzugänglicher Bereiche wie abgeschlossene Schaltschränke, Hochspannungsbereiche oder Reinräume genannt.

Kontaktlose Ethernet-Übertragung

In der industriellen Automatisierung basiert die Datenübertragung heute in der Regel auf Ethernet (100Mbit/s). Bei einigen der genutzten Protokolle – z.B. Profinet IRT, Sercos oder Ethercat – handelt es sich um Echtzeit-Protokolle mit besonders niedriger Latenz. Phoenix Contact stellt jetzt eine kontaktlose Ethernet-Verbindung ohne nennenswerte Latenzzeiten zur Verfügung. Der Datenaustausch basiert auf einer drahtlosen 60GHz-Kommunikation im Nahfeldbereich. Auf diese Weise ist eine Bit-orientierte Übertragung möglich, wie sie z.B. auch bei der LWL-Kommunikation verwendet wird. Sämtliche anderen etablierten Funkübertragungs-Technologien setzen auf eine paketorientierte Weiterleitung der Daten, die stets zu erheblichen Latenzen führt. Denn die Pakete müssen erst empfangen, neu verpackt und drahtlos versendet werden. Ähnlich auf der Empfängerseite, welche die Pakete ebenfalls empfangen, auspacken und wieder ausgeben muss. Dieser Prozess umfasst viele asynchrone und Latenz-verursachende Vorgänge, die bei der Kommunikationslösung von Phoenix Contact komplett unterbleiben. Die Übertragung von Echtzeit-Ethernet-Protokollen erfordert darüber hinaus eine Vollduplex-Weiterleitung, also den gleichzeitigen Datenaustausch in beide Richtungen. Dieser Anspruch stellt etliche Funktechnologien – z.B. WLAN oder 5G – vor ein Problem.

Kein Störspektrum im Geräteumfeld

In der NearFi-basierten Lösung von Phoenix Contact werden zwei 60GHz-Verbindungen – ein Uplink und ein Downlink – parallel auf getrennten Frequenzbändern genutzt, um einen Vollduplex-Betrieb zu ermöglichen. Zum Vergleich: WLAN erzeugt bei einer Ethernet-Kommunikation eine Latenz von rund 10 bis 20ms (10.000 bis 20.000µs). 5G strebt für die Zukunft 1ms (1000µs) an. NearFi bietet hingegen eine Latenz von weniger als 1µs, ist somit circa 1000 Mal schneller als 5G. Außerdem erlaubt NearFi eine kontaktlose und nahezu latenzfreie Ethernet-Übertragung bis 100 Mbit/s in Echtzeit und arbeitet protokollunabhängig.

Da die Funkkommunikation im Nahfeldbereich über einen sehr geringen Abstand erfolgt, entsteht quasi kein Störspektrum im Umfeld der Geräte, sodass sich zahlreiche NearFi-Systeme parallel nutzen lassen sowie eine Koexistenz mit vorhandenen Funklösungen (z.B. WLAN oder Bluetooth) gegeben ist. Industrielle Störspektren, wie sie etwa beim Lichtbogenschweißen auftreten, können NearFi ebenfalls nicht beeinflussen. Die Technologie verwendet Phoenix Contact erstmals in seinen neuen Kopplern. Die Geräte ermöglichen die Weiterleitung von 50W Energie (24V, 2A) sowie von Echtzeit-Ethernet-Daten über einen Luftspalt bis zu einer Entfernung von einigen Zentimetern. Aufgrund des robusten IP65-Gehäuses mit M12-Anschlüssen für Ethernet und Spannung lassen sich die NearFi-Koppler auch in anspruchsvollen Umgebungen einsetzen.

Automatische Kopplung

Die Energieübertragung geschieht induktiv. Der Base-Koppler erzeugt über eine Spule ein magnetisches Feld, das in die Spule des Remote-Kopplers induziert wird. Die aktive Regelung wählt immer die bestmöglichen Parameter für die Energieübertragung aus. Dadurch reduziert sich die Leistung nicht über den Abstand, sondern wird auf dem gesamten Arbeitsbereich konstant bei 50W gehalten. Endgeräte wie I/O-´Module oder Switches lassen sich also kontaktlos mit Energie versorgen. Die Kopplung erfolgt automatisch, es ist somit keine Konfiguration oder Programmierung erforderlich.

Im Gegensatz zu üblichen Steckverbindern können die Base- und Remote-Koppler aus beliebigen Richtungen oder auch rotierend zueinander geführt werden. Darüber hinaus muss der Anwender die Geräte nicht exakt zentrieren; sie können sich mit einem Versatz oder einem tangentialen Winkel gegenüberstehen. Dies verringert die Präzisionsanforderungen an die mechanische Bewegung von zwei unabhängigen Anlagenteilen. Bei einem Steckverbinder sind Stecker und Buchse hingegen sehr präzise zu positionieren, weil die empfindlichen Stifte ansonsten schnell beschädigt werden.

In rotierenden Anwendungen kommen manchmal Schleifringe oder optische Drehübertrager zur Anwendung. Bei beiden Systemen tritt ein hoher mechanischer Verschleiß auf. Zudem müssen sie genau gefertigt werden, was die Kosten und die Ausfallraten in die Höhe treibt. NearFi-Kopplern reicht dagegen eine einfache, unpräzise Positionierung von Base- und Remote-Gerät aus, um eine zuverlässige, verschleißfreie Übertragung sicherzustellen. Die Koppler werden direkt oder über Befestigungswinkel von drei verschiedenen Seiten mit M5- oder M6-Schrauben fixiert.

Phoenix Contact Deutschland GmbH
www.phoenixcontact.com

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