Von Marktzuwächsen und Preisunterschieden

Frank Thomas, Associate Senior Consultant bei ARC Advisory, im Interview

Von Marktzuwächsen und Preisunterschieden

Die ARC Advisory Group hat kürzlich eine Marktstudie zur industriellen Robotik veröffentlicht. Anders als z.B. bei den Studien der International Federation of Robotics geht es hier weniger um Stückzahlen, sondern um Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Der Autor der Studie, Frank Thomas, Associate Senior Consultant bei ARC, erläutert im Interview unter anderem, welche Wachstumsaussichten er für industrielle Roboter sieht und welche Trends seiner Meinung nach den Markt dominieren.

Bild: ©Nay/stock-adobe.com

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Thomas, die Branche der Industrieroboter ist doch durch die jährliche Marktstudie der International Federation of Robotics sehr transparent abgedeckt, warum veröffentlicht ARC dennoch eine eigene Marktstudie zu dieser Branche?
Frank Thomas: In der Tat ist der jährliche Marktbericht der IFR sehr umfassend. Aber hier liegt der Schwerpunkt auf Stückzahlen. Investitionsentscheidungen und deren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden aber nun einmal auf Basis von US-Dollars oder der zutreffenden Währung getroffen. Deswegen erfasst die ARC-Marktstudie zu Industrierobotern den Markt in US-Dollar, wie übrigens jede andere unserer Marktstudien auch. Zusätzlich wird den Kunden die Möglichkeit gegeben, sich über die separate Tabellenkalkulationsdatei Mira, was Market Intelligence & Rapid Analysis bedeutet, die Daten passend zur gewünschten Betrachtungsweise zu filtern. Und last but not least können unsere Kunden sich auch zu dieser Marktstudie Marktmodelle von ARC erarbeiten lassen, die die Daten noch feingranularer für Investitionsentscheidungen, Vertriebsstrategien oder Produktentwicklungen aufbereiten.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Was sind die Wachstumsaussichten für industrielle Roboter?
Thomas: ARC hat die Daten vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges erhoben und schon da waren die Wachstumserwartungen für die kommenden fünf Jahre sehr verhalten und nicht mehr zweistellig wie in vielen vorangegangenen Jahren. Der Haupttreiber für den Einsatz von Industrierobotern, die Automobilindustrie, ist nicht mehr das Zugpferd. Hier kommen einige Gründe zusammen: Corona, die Lieferkettenprobleme insbesondere bei Halbleitern und die Umstellung auf E-Mobilität.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wo sind Ihrer Meinung nach jetzt die stärksten Zuwächse zu verzeichnen?
Thomas: Ganz klar im Segment der Cobots. Die kollaborativen Roboter erobern zunehmend mittelständisch geprägte Maschinenbaubranchen. Hier ist auch ein Wandel festzustellen von großen Stückzahlen und sich endlos wiederholenden Roboterbewegungsabläufen hin zu flexibler Produktion mit eher kleineren Stückzahlen. Hinzu kommen benutzerfreundliche Teach-In-Verfahren und somit wird der Einsatz von Cobots auch für diesen Teil der Maschinenbaubranche attraktiv.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Wo sieht ARC die wesentlichen Trends bei industriellen Robotern?
Thomas: Zunächst einmal, wie eben ausgeführt, der Einsatz von Cobots. Darüber hinaus zieht natürlich auch in der Roboterbranche Digitalisierung und Industrie 4.0 ein, vom digitalen Zwilling bis zur In-line-, videogestützten und KI-basierten Qualitätskontrolle. Diese Entwicklung stellt die Branche vor enorme Herausforderungen, wenn es um den Vertrieb geht. War der Roboter bisher ein Serienprodukt mit starken Vertriebsanteilen über Distributoren, geht es jetzt auf einmal um die Einbettung des Roboters in die IT/OT-Umgebung beim Endkunden. Es ist eine umfassende Applikationsanalyse erforderlich und die Abwägung, welche Industrie-4.0-Funktionen jetzt einen echten Mehrwert bieten. Große Endkunden, wie die Automobilindustrie oder die Halbleiterindustrie, sind hier sicher passend aufgestellt, aber viele andere Endanwenderbranchen müssen durch die Roboterhersteller hinsichtlich der Integration von Industrie 4.0 qualifiziert beraten werden. Das Robotergeschäft wird sich also teilweise vom Seriengeschäft zum System- bzw. Lösungsgeschäft entwickeln.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Das ist interessant, was bedeutet denn dieser Trend für die Preisgestaltung von Industrierobotern? Bisher ist das ja ein hart umkämpfter Markt.
Thomas: ARC hat sich in dieser Marktstudie auch mit den Roboterpreisen befasst und bei Knickarm- und Scara-Robotern Preisvergleiche analysiert zwischen Herstellern aus Europa und Fernost. Die Unterschiede bei etwa gleicher Last (Payload) und maximaler Auslenkung (Reach) sind enorm und überraschend. Da spielen außerdem noch viele andere Faktoren mit hinein, wie die Positioniergenauigkeit und Geschwindigkeit. Aber zu Ihrer Frage: ARC beobachtet nicht nur in der Roboterindustrie, sondern auch in anderen Maschinenbaubranchen, dass die Hersteller eigene Geschäftseinheiten gründen, die sich mit den Digital Services befassen und eine eigene P&L Line haben. Somit kann man den Maschinen- bzw. Roboterumsatz von den Beratungsleistungen und I4.0-Software- und Dienstleistungsumsätzen besser trennen.

 (Bild: ARC Advisory Group GmbH & Co KG)
„Der Haupttreiber für den Einsatz von Industrierobotern,
die Automobilindustrie, ist nicht mehr das Zugpferd.
Gründe dafür sind: Corona, die Lieferkettenprobleme
und die Umstellung auf E-Mobilität.“
Frank Thomas, ARC (Bild: ARC Advisory Group GmbH & Co KG)


ROBOTIK UND PRODUKTION: Und wer sind die Marktführer bei den Industrierobotern?
Thomas: Um diese Frage zu beantworten, müsste man eigentlich sehr in die Applikationssegmente gehen. Natürlich sind die großen international aufgestellten Roboterhersteller wie ABB, Fanuc und Kuka die Platzhirsche im Markt der Industrieroboter. Aber wenn man z.B. nach Robotern für das Handling von Wafern sucht oder nach Lackierrobotern, dann sind auch andere Hersteller in diesen Segmenten anwesend. In der Branche der Spritzgießmaschinen z.B. stellen deren Hersteller oftmals auch selbst die Roboter für die Entnahme der Spritzlinge nach jedem Formvorgang her. ARC hat deshalb bewusst darauf verzichtet, Marktanteile der Roboterhersteller auszuweisen, denn nach unserer Erfahrung – wie in vielen anderen Maschinenbaubranchen – haben die Hersteller ihre jeweils eigenen Modelle, ihre Marktposition zu erfassen.

ROBOTIK UND PRODUKTION: Herr Thomas, vielen Dank für das Gespräch.

www.arcweb.com

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: DM-Drogerie Markt
Bild: DM-Drogerie Markt
Kommissionierung von Versandpaletten

Kommissionierung von Versandpaletten

Im Verteilzentrum der Drogeriekette DM in Wustermark bei Berlin sind insgesamt 19 Kuka-Roboter im Einsatz. Sie palettieren, depalettieren und positionieren die Waren vor, die dann vom Verteilzentrum aus ihren Weg in die DM-Filialen finden. Die automatisierten Intralogistiklösungen dort kommen von Swisslog. Das neuartige daran: Um alle Filialen flexibel und individuell mit Waren zu versorgen, kommt ein digitaler Zwilling der Filiale zum Einsatz.

Bild: Igus GmbH
Bild: Igus GmbH
Auf dem Weg zum Leuchtturm

Auf dem Weg zum Leuchtturm

Die Idee, ein Fahrerloses Transportsystem mit einem Leichtbauroboter zu kombinieren, ist beileibe nicht neu. Entsprechende Lösungen werden auch bereits als marktreif vorgestellt. Neu ist hingegen, das Ganze auf Lowcost-Level umzusetzen. Diesen Plan hegt Igus – und wieder einmal sind dessen Dimensionen ziemlich groß, wie der Robotik-Verantwortliche, Alexander Mühlens, im Gespräch mit ROBOTIK UND PRODUKTION verrät.

Bild: Igus GmbH
Bild: Igus GmbH
Machine Planner von RBTX: Kostengünstige Roboterlösungen in wenigen Minuten zusammenstellen

Machine Planner von RBTX: Kostengünstige Roboterlösungen in wenigen Minuten zusammenstellen

Getrieben durch Arbeitskräftemangel und steigenden Wettbewerbsdruck sind auch immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) am Thema Automation interessiert. Doch häufig steht die Frage im Raum: Wo fange ich überhaupt an? Die Investitionskosten scheinen hoch und die Integration komplex. Hier soll der Machine Planner auf dem Robotikmarktplatz RBTX Abhilfe schaffen.