Einstieg in die flexible Fertigung
Zeit für den Wandel
Die Abkehr vom Palettenwechsler hin zu einer Produktion mit einem Flexiblen Fertigungssystem (FFS) kann beim Anwender zu einem Kulturwandel führen. So z.B. im Unternehmen SMW: Hier wurde bei der FFS-Einführung die komplette zerspanende Fertigung reorganisiert – in einem rasanten Tempo.
Die Firma SMW Metallverarbeitung fertigt mit rund 100 Mitarbeitern für die Kernbranchen Eisenbahnindustrie, Aufzugsindustrie sowie Maschinenbau- und Bauindustrie mit Schwerpunkten in den Bereichen Zerspanung, Blechbearbeitung, Oberflächenbearbeitung und Montage. „Wir haben eine hochflexible Zerspanung mit losgrößenbezogener Serienfertigung. Damit meinen wir keine Serienfertigung im klassischen Sinne mit hohen Stückzahlen, sondern mit kontinuierlichen, die über gewisse Zeiträume zu größeren Serien führen“, erklärt Manfred Mühringer, Geschäftsführer der SMW Metallverarbeitung. Oberste Priorität hat in diesem Zusammenhang der Wiederholfaktor. Ende 2013 investierte das Unternehmen in ein Multi-Level-System (MLS) von Fastems. Manfred Zorn, zweiter Geschäftsführer, berichtet: „Mit einigen unserer Fräsmaschinen fertigten wir rund 80h in der Woche im Dreischichtbetrieb. War es nötig, eine Maschine auf ein Erstteil, also auf eines unserer wiederkehrenden Teile, umzurüsten, dann dauerte das relativ lange.“ Verantwortlich hierfür waren u.a. zu wenig Werkzeugplätze an den Maschinen, die ein zeitaufwendiges Umrüsten auf neue Werkzeuge inklusive Einmessung notwendig machten. „Wir verloren oftmals einen kompletten Tag, z.B. wenn ein Umrüster kurz vor der Nachtschicht seine Arbeiten abschloss. Das betraf jedoch nicht nur eine Maschine, sondern gleich mehrere Anlagen und bis zu vier Maschinen.“
Teilefertigung ins Flexible Fertigungssystem verlagert
Die Installation des Multi-Level-Systems MLS-MD (Medium Duty) mit einer Tragkraft von 1.500kg je Palette erfolgte parallel zur Investition in ein horizontales Bearbeitungszentrum (BAZ) von Okuma der Baureihe MA-600. Zunächst sammelten man grundlegende Erfahrungen und erweiterte das Flexible Fertigungssystem (FFS) nach und nach. „Dabei wurden Teile, die wir bislang auf Stand-Alone-Maschinen fertigten, sukzessive in das flexible Fertigungssystem verlagert“, so Zorn. Knapp ein Jahr nach der Erstinstallation waren bereits zwei BAZ am MLS angebunden, das zu dieser Zeit 42 Maschinenpaletten fasste. Das Unternehmen startete zunächst mit zwei Maschinenpaletten, wobei im Durchschnitt pro Woche jeweils eine Maschinenpalette hinzu kam.
Konsequente Investitionen
Nach zweieinhalb Jahren befanden sich auf zwei Ebenen insgesamt 146 Maschinenpaletten im MLS, davon 128 in den Maßen 500x500mm und 18 in den Maßen 630x630mm. 27 Palettenplätze sind noch frei. Das System, das aktuell über drei Be- und Entladestationen verfügt, wurde in diesem Zeitraum zweimal verlängert, von 38 auf 45m und dann auf insgesamt 63m. Zeitgleich investierte das Unternehmen auch in die Modernisierung des Maschinenparks. „Wir haben die älteren Fräsmaschinen durch BAZ ersetzt und die komplette Zerspanung bis auf eine Ausnahme auf das FFS verlagert“, erklärt Zorn. Mittlerweile sind fünf Okuma MA-600 und eine Okuma MA-500, eine Bestandsmaschine, im MLS miteinander verkettet.
Technologische Herausforderungen
„Wir standen vor neuen technologischen Herausforderungen, denn mit dem FFS wurde die gesamte Technik und die damit zusammenhängende Organisation komplexer“, meint Mühringer. Vor diesem Hintergrund setzten sich die Mitarbeiter auch verstärkt mit Themen wie Digitalisierung auseinander. „Wir investierten z.B. in neue Systeme für die Werkzeugvermessung und setzen hier 3D-Scanner ein. Alle Vorrichtungen für die Werkstücke werden jetzt außerdem in CAM gezeichnet.“ Aus Sicht von Mühringer hat sich vieles verändert und damit auch die gesamte Fertigungsphilosophie, wodurch ein regelrechter Kulturwandel stattfand: „Wir sind noch sorgfältiger in der Planung geworden und legen großen Wert darauf, unsere Mitarbeiter umfassend mit dem FFS und der Technik vertraut zu machen. Letztendlich führt ein FFS dazu, Produktionsprozesse auf einem höheren Niveau abzusichern – bis hin zur Dokumentation der Drehmomente für die Werkstückaufspannungen.“
Höhere Produktivität und Flexibilität
Der radikale Umbau in Rekordzeit hat sich gelohnt, denn nach Auffassung der Geschäftsführer sei die Zerspanung nicht nur produktiver, sondern auch flexibler geworden. „Mit dem FFS ließ sich die Produktion im Vergleich zu vorher um rund 50 Prozent steigern. Das gesamte System bietet viel Potenzial für höhere Produktivität und somit auch Kapazitäten für Neuaufträge. Vor diesem Hintergrund sind wir jetzt auch in der Lage, Losgröße 1 mit Wiederholfaktor ohne Mehrkosten zu fertigen. Selbst wenn wir einen eiligen Auftrag erhalten, sind wir in der Lage, diesen mit dem FFS zeitnah zu bearbeiten, da wir hierfür keinen Rüstaufwand haben und die bestehende Planung einfach neu priorisieren“, erklärt Zorn und betont: „Durch das FFS sind wir zudem in der Lage, Aufträge anzunehmen, die wir früher aus technologischer und wirtschaftlicher Sicht nicht bewältigt hätten.“
Neue Perspektiven
Mit dem FFS deckt das Unternehmen derzeit bis zu 21 Schichten in der Woche ab, wobei drei Mitarbeiter pro Schicht für das System verantwortlich sind. Durch die Schichtrhythmen ist es möglich, täglich vier Stunden, von 6 bis 8 Uhr morgens und von 18 bis 20 Uhr abends, mannlos zu fertigen. Zudem ist bereits eine siebte Maschine, eine weitere Okuma MA-600, für das MLS von Fastems eingeplant. Darüber hinaus haben die positiven Erfahrungen mit dem FFS dazu geführt, Perspektiven in neue Richtungen ins Auge zu fassen, wie Zorn berichtet: „Wir denken darüber nach, in zwei größere Maschinen zu investieren, um sie ebenfalls an ein MLS von Fastems anzubinden. Mit diesem FFS wollen wir dann größere und komplexere Werkstücke bearbeiten.“