Software vereinfacht die Roboterprogrammierung

Software vereinfacht die Roboterprogrammierung

Instruieren statt programmieren

Bisher war die Roboterprogrammierung so aufwendig, dass kleine und mittelständische Unternehmen davor zurückschreckten, in die Automatisierung ihrer Produktionsanlagen zu investieren. Doch nun haben Forscher vom Fraunhofer IPA das Verfahren stark vereinfacht. Mit einer neu entwickelten Software kann ungeschultes Personal innerhalb weniger Minuten komplexe Roboterapplikationen erstellen. Zu sehen ist die neue Lösung z.B. auf der kommenden Hannover Messe sowie auf der Automatica 2018.

Die Software Drag&Bot liefert fertige Programmbausteine, die sich über eine grafische Bedienoberfläche schnell und intuitiv zu komplexen Roboterapplikationen zusammenfügen lassen. (Bild: Fraunhofer IPA/Rainer Bez)

Die Software Drag&Bot liefert fertige Programmbausteine, die sich über eine grafische Bedienoberfläche schnell und intuitiv zu komplexen Roboterapplikationen zusammenfügen lassen. (Bild: Fraunhofer IPA/Rainer Bez)

Bisher ist die Programmierung – egal ob online mit dem Programmierhandgerät oder offline in einer CAD-basierten Simulationsumgebung – sehr aufwendig und setzt fundierte Kenntnisse in Robotik und einer herstellerspezifischen Programmiersprache voraus. Deshalb ist die Umprogrammierung zeit- und kostenintensiv, schränkt die Flexibilität von Robotersystemen stark ein und führt dazu, dass diese bisher vor allem bei großen Stückzahlen und über lange Zeit gleichbleibender Aufgabenstellung wirtschaftlich eingesetzt werden können. Genau deshalb schrecken vor allem kleine und mittelständische Unternehmen davor zurück, viel Geld für die Automatisierung der Produktionsanlagen in die Hand zu nehmen. Denn gerade diese Betriebe leben von ihrer Flexibilität: Sie fertigen in kleinen Losgrößen, bieten ihren Kunden zahlreiche Produktvarianten, häufig sogar Einzelstücke, die exakt auf individuelle Bedürfnisse zugeschnitten sind. Die Kosten, die die Umprogrammierung eines Robotersystems verursachen würde, können sie oft nicht stemmen, zumal sie eigens dafür externe Fachleute engagieren müssten. Aber auch bei großen Stückzahlen wird es immer wichtiger, das Robotersystem schnell und unkompliziert an aktuelle Produktionsbedarfe anzupassen. Immerhin verlangt die vierte industrielle Revolution nach der wandlungsfähigen Produktion, in der Kleinserien und Sonderanfertigungen mit derselben Effizienz hergestellt werden wie Massenware.

Die fertigen Programmbausteine, die sogenannten Skills, sind wiederverwendbar und die Komplexität der Roboterprogrammierung bleibt dem Nutzer verborgen. (Bild: Fraunhofer IPA/Martin Naumann)

Die fertigen Programmbausteine, die sogenannten Skills, sind wiederverwendbar und die Komplexität der Roboterprogrammierung bleibt dem Nutzer verborgen. (Bild: Fraunhofer IPA/Martin Naumann)

Fertige Programmbausteine

„Unnötig kompliziert“ findet Martin Naumann die bislang gängigen Verfahren der Roboterprogrammierung: „Heute kann jeder ohne großes Vorwissen ein Smartphone bedienen. Da ist ein solcher Aufwand doch nicht mehr zeitgemäß“, urteilt der Forscher vom Fraunhofer IPA. Zusammen mit seinen Kollegen hat er deshalb die Software Drag&Bot entwickelt, die den Programmieraufwand stark reduziert. Damit eröffnen Naumann und sein Team dem Mittelstand völlig neue Möglichkeiten zur Automatisierung. Denn auf einmal kann ungeschultes Personal intuitiv und innerhalb weniger Minuten einen Roboter programmieren. Der Clou: Fertige Programmbausteine lassen sich per Drag&Drop schnell und einfach zu komplexen Applikationen zusammenfügen – daher der Name. Die Programmbausteine, Skills genannt, sind einzelne Funktionen, wie das Lokalisieren eines Werkstücks, eine Roboterbewegung oder das Schließen des Greifers. Als Zusatzfunktionen können außerdem mehrere am Fraunhofer IPA entwickelte Software-Lösungen integriert werden: Skills zur kraftgeregelten Montage sowie der sogenannte Griff-in-die-Kiste, also das roboterbasierte Erkennen, Greifen und Ablegen von ungeordnet gelagerten Bauteilen. Über eine grafische Bedienoberfläche, die auf allen gängigen Endgeräten angezeigt wird, lassen sich die Skills mit ein paar Klicks gruppieren oder hierarchisch anordnen. Der Vorteil gegenüber herkömmlichen Verfahren: Die einzelnen Skills sind wiederverwendbar und die Komplexität der Roboterprogrammierung bleibt dem Nutzer verborgen. „Mit Quellcode muss er sich also nicht herumschlagen“, sagt Naumann.

der Parametrisierung des Programmablaufs – z.B. bei der Bahnplanung. (Bild: Fraunhofer IPA/Martin Naumann)

Bedien- und Eingabehilfen, die sogenannten Wizards, unterstützen bei der Parametrisierung des Programmablaufs – z.B. bei der Bahnplanung. (Bild: Fraunhofer IPA/Martin Naumann)

Bedien- und Eingabehilfen

Auch die sogenannten Wizards sind eine Erleichterung: Mit diesen Bedien- und Eingabehilfen können Anwender ohne großen Aufwand Skills an die Produktionsprozesse im Unternehmen anpassen. Außerdem unterstützen die Wizards bei der Parametrisierung des Programmablaufs. So ist z.B. die Positionseingabe schnell erledigt: Der Bediener führt den Roboterarm mit der Hand an die gewünschte Stelle und lässt den Wizard die Koordinaten ermitteln und abspeichern. Außerdem helfen die Wizards bei der Parameterdefinition mithilfe der Bildverarbeitung: Über eine Kamera wird z.B. ein Schraubloch lokalisiert und dessen Position automatisch übernommen. Mit einem Klick auf die entsprechende Stelle legt der Nutzer fest, wo der Roboter später sein Schraubwerkzeug ansetzen soll.
Programme über die Cloud übernehmen

Über die Cloud lässt sich die Software firmenintern mit beliebig vielen Robotern vernetzen. „Damit ist es möglich, nicht nur einzelne Skills, sondern ganze Programme mehrfach zu nutzen“, erklärt Naumann. „Wer welche erstellt hat, kann sie über die Cloud den Kollegen zur Verfügung stellen.“ So kann ein und dasselbe Programm an verschiedenen Unternehmensstandorten Anwendung finden. Soll es nicht 1:1, aber zu großen Teilen übernommen werden, kann der Nutzer es mit den Wizards rasch an die Anforderungen vor Ort anpassen.

Offen für Roboter und Hardwarekomponenten

Dabei spielt es keine Rolle, wenn innerhalb eines Unternehmens Roboter verschiedener Hersteller zum Einsatz kommen sollten. Denn die Software ist herstellerunabhängig und unterstützt derzeit die vier Hersteller Kuka, Denso, Fanuc und Universal Robots. Auch wenn das Robotersystem nachträglich um weitere Hardware-Komponenten ergänzt wird, ist die Software offen für die Produkte verschiedener Hersteller. Ob Greifer, Schraubwerkzeug, Nietpistole oder Kamera – mit wenigen Klicks lassen sie sich integrieren und konfigurieren.

Automatica 2018

„Genau genommen wird ein Roboter mit Drag&Bot nicht programmiert, sondern instruiert“, fasst Naumann zusammen. Wie radikal die Skills und Wizards die Roboterprogrammierung vereinfachen, demonstriert der Forscher mit seinen Kollegen auf der Automatica 2018: Auf dem Messestand des Fraunhofer IPA ist er mit einer Roboterzelle vertreten. Dort kann jeder interessierte Messebesucher mit ein paar Klicks selbst Handhabungs- oder Montageanwendungen erstellen. Die vereinfachte Programmierung ermöglicht es Systemintegratoren, ihr Portfolio um Robotersysteme zu erweitern, die jederzeit und ohne großen Aufwand an neue Produktionsbedarfe angepasst werden können. Über eine Lizenz können sie die Software erwerben und dann über einen Online-Shop je nach Bedarf um Wizards und bestimmte Funktionsböcke erweitern. Nun planen Naumann und sein Team, das Fraunhofer IPA zu verlassen und sich mit ihrer Erfindung selbstständig zu machen. Ihr Startup, die Drag and Bot GmbH, haben sie bereits gegründet.

Fraunhofer-Institut IPA
www.ipa.fraunhofer.de

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