Kolumne von Michael Lind

Kolumne von Michael Lind

Kein Prima Klima

Die Abgasaffäre. Für die einen eine Geschichte von Betrug und Täuschung, Halb- und Unwahrheiten, von beamteter Ahnungslosigkeit und Wegschauen, Kumpanei, seltsamen Briefen und Protokollen. Für die anderen eine Geschichte von bürokratischer Indoktrination, die freies Unternehmertum einschränkt und deshalb ganz anders erzählt werden müsste.

 (Bild: Michael Link)

Michael Lind schreibt seit fast 30 Jahren für und über die nationale und internationale Roboter- und Automatisierungsbranche. Er war knapp zwei Jahrzehnte lang Chefredakteur (später auch Herausgeber) einer Zeitschrift zu diesen Themen. (Bild: Michael Link)

Im Jahr 2008 gab die zur Klimakanzlerin hochgejubelte Angela Merkel als eines ihrer Regierungsziele aus, bis 2020 eine Million Fahrzeuge mit Elektroantrieb auf Deutschlands Straßen bringen zu wollen. So konnte sie zeigen, wie sie höchstpersönlich eines der von ihr EU-weit geforderten Klimaziele, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu senken, im eigenen Lande aktiv vorantreibt. Doch selbst eine Bundeskanzlerin kann wollen was sie will – wenn die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind, wird’s nur Krampf. 2008 gab es kein bundesweit flächendeckendes Netz an Ladestationen, keine normierten Ladestecker, keine Konzepte für das zeitsparende Laden von Batterien. Allen Bedenkenträgern voran orakelte der Verband der Automobilindustrie (VDA) auch noch, dass Elektroautos wegen der aufwendigen Technik auf viele Jahre hinweg bis zu 10.000€ teurer sein werden als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

2008 favorisierte Volkswagen die Hybridtechnologie als Kombination von Elektro- und Verbrennungsmotor. BMW dagegen werkelte an der Entwicklung von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen und stellte das Projekt nach etwa zehn Jahren 2009 ein. Daimler wiederum versuchte sich seit 2003 an einem Elektroauto mit Brennstoffzelle. Doch trotz erfolgreich bestandener Feldversuche und bestätigter Alltagstauglichkeit kommt das Brennstoffzellenauto bislang nicht in die Gänge. Ein unrühmliches Ende nahm auch die von Daimler gemeinsam mit der Evonik-Tochter Li-Tec begonnene Entwicklung und Fertigung von Lithium-Ionen-Batterien. Doch die Akkus kamen lediglich in den Elektro-Smarts zum Einsatz. Zu wenig und zu teuer, befand Daimler und verscherbelte Ende 2015 das Fertigungsequipment der Vorzeigefabrik Li-Tec Battery an den Akkubauer Liacon.

Bei reinen Elektro-Pkw haben Nissan, Renault, Hyundai, Tesla und Co. den deutschen Automobilbauern längst den Rang abgefahren. Verlorenes Terrain versuchen BMW, Daimler oder VW mittlerweile mit ersten E-Modellen wiederzugewinnen. Doch echtes Engagement für die Elektromobilität sieht anders aus. Ist ja auch irgendwie verständlich aus Sicht deutscher Automobilhersteller. Sie haben schließlich die ihrer Meinung nach weltbesten Verbrennungsmotoren. Und wenn die mehr Stickoxid oder CO2 ausstoßen als zulässig, dann muss man halt konstruktiv kreativ tätig werden; auch mit rechtlich unzulässigen Mitteln wie Abschalteinrichtungen in den Abgasreinigungsanlagen von Diesel-Fahrzeugen.

Für die Messung von deren Stickoxid-Werten ist im Rahmen der Typzulassung das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zuständig. Doch das KBA hat überhaupt kein eigenes Prüfzentrum. Es nutzt für Abgasmessungen ‚Technische Dienste‘ wie Tüv oder Dekra. Das Pikante daran: Das tun auch die Automobilhersteller im Rahmen der Vorentwicklung neuer Fahrzeugmodelle und -teile. Und sie zahlen dafür. Ein Interessenkonflikt? Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Gegen den Vorwurf, Abgasprüfberichte wohlwollend durchgewinkt zu haben, wehrt sich KBA-Präsident Ekhard Zinke heftig. Allerdings gibt es da die Korrespondenz zwischen seinem Amt und dem Bundesverkehrsministerium über einen Prüfbericht zum Diesel-Porsche Macan, an dessen Ausfertigung die Zuffenhausener kräftig beschönigend mitgeschrieben haben. Belegt ist ferner, dass KBA-Mitarbeiter Passagen des Prüfberichtes zu einem anderen Fahrzeug wohlwollend umformuliert haben – auf Intervention von Opel hin.

Gerne auch schicken Automobilhersteller ihre Lobbyisten ins Feld. 2013 hatte der Umweltausschuss des EU-Parlaments beschlossen, ab 2025 für die Flotten der Automobilhersteller den Kohlendioxid-Ausstoß je Kilometer auf maximal knapp 80g zu begrenzen. Prompt schrieb der Präsident des Verbands der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, an die „Liebe Angela“ Merkel einen Brief. In ihm forderte Wissmann unter anderem den „Verzicht auf die … Grenzwertfestlegung für 2025“. Das zu wissen, ist wichtig, denn die neue GroKo hat in ihren Sondierungsgesprächen beschlossen, nicht länger an den Klimazielen von 2007 festzuhalten, in Deutschland den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Das hat nicht nur (aber auch) mit dem Festhalten am Verbrennungsmotor zu tun. Drängt sich da nicht die Frage auf, wer eigentlich hierzulande Politik macht?

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