Kolumne von Michael Lind
Wege übers Land
Innerhalb der Automatisierungsbranche suchen Roboterbauer und Systemintegratoren nach neuen Absatzmärkten mit großem Bedarf an ihren Produkten. Im Fokus haben sie dabei fast ausschließlich Anwendungen in der produzierenden Industrie und übersehen dabei einen quasi vor der Tür liegenden Wirtschaftsbereich, der richtig Wachstumspotenziale hat: die Landwirtschaft.
Man kann darüber streiten, ob der diesjährige Hitzesommer mit monatelanger Trockenheit nur Wetter war oder ein Beweis für den von Menschen verursachten Klimawandel. Dass es den gibt, ist offenkundig, aber beileibe keine Erkenntnis der jüngeren Zeit. Schon in den 1970er Jahren hatte ein Sponti-Spruch die Gesamtsituation sehr treffend benannt: „Die Menschheit geht mit dieser Erde um, als hätte sie eine zweite im Keller.“
Auf eben dieser Erde lebten vor 50 Jahren etwa 3,5 Milliarden Menschen, aktuell sind es mehr als 7,6 Milliarden. Leider ist die weltweit verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche nicht adäquat mitgewachsen. Sie beträgt mit nominal weltweit rund 4,8 Milliarden Hektar zwar eine Milliarde Hektar mehr als noch vor 50 Jahren. Doch das Bild täuscht. Real schrumpft die landwirtschaftliche Nutzfläche stetig. Laut einer Expertenstudie wird im Jahre 2025 für jeden Erdenbürger auf 1.700 Quadratmetern landwirtschaftlicher Nutzfläche Ackerbau betrieben, Vieh gezüchtet, dessen Futter sowie Obst und Gemüse angebaut. Dieses Areal entspricht nicht einmal der Hälfte eines Fußballfeldes und ist um die Hälfte kleiner als noch vor 50 Jahren.
Einer der Hauptgründe für diesen Rückgang ist natürlich die rasante Bevölkerungszunahme. Mehr Menschen brauchen schließlich mehr Lebensraum. Weitere Faktoren sind die fortschreitende Bodenerosion sowie die Ausbreitung von Steppen und Wüsten – überwiegend hervorgerufen durch völlig falsche Bodennutzung. Beides hat z.B. in China innerhalb von etwa elf Jahren aus einem relativ intakten Lebensraum eine neue Wüste gemacht, die so groß ist wie die Schweiz. Nicht zuletzt hinterlassen Umweltkatastrophen, wie etwa die Super-GAU von Tschernobyl und Fukushima, tausende Quadratkilometer kontaminiertes „Nicht-mehr-Nutzland“.
Auch in Deutschland schwinden landwirtschaftlich genutzte Flächen, mehrheitlich zugunsten von Bau- und Verkehrsland und der Gewinnung von alternativer Energie. Wobei – im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie Italien, Griechenland, Schweden oder Norwegen werden hierzulande laut Statistik immerhin noch 48 Prozent der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt, 16,7 Millionen Hektar, knapp zwölf Millionen davon als Ackerland. Und genau um die geht es.
Mehr Ertrag von weniger Fläche? Die Intensivierung der Landwirtschaft beschäftigt Landwirte, Agraringenieure und Wissenschaftler seit Jahrzehnten. Dabei ist ihnen offenbar wenig anderes eingefallen als noch mehr Dünger, noch mehr Pflanzenschutzmittel, noch mehr Insektizide. Halt, doch: gentechnisch verändertes Saatgut. Monsanto – pardon, die Bayer AG – lässt grüßen. Alles bäh, wie man mittlerweile weiß. Denn all die Chemikalien, die auf Feldern, Wiesen und Weiden verteilt werden, gelangen langsam aber sicher ins Grundwasser. Und von dort wiederum nehmen wir sie auf die eine oder andere Weise wieder zu uns.
Insofern ist es nur logisch, dass sich andere kluge Menschen Gedanken gemacht haben, wie man ohne chemische Keulen Ernteerträge steigern kann. Das Zauberwort heißt: Robotik. Roboter für die Landwirtschaft sehen völlig anders aus als die gewohnten Sechsachser, Scaras oder Deltas. Sie sind mobil, rumpeln also nach einem vorgegebenen Plan selbständig über Ackerfurchen und Grasnaben, begutachten mit Bildverarbeitungssystemen den Zustand des Erntegutes, die Ausbreitung von Unkräutern oder möglichen Schädlingsbefall und zeigen via Internet den Landwirten gezielt Handlungsbedarfe an. Fortgeschrittenere Roboter können sogar säen und jäten.
Im Internet sind viele Projekte nachzuverfolgen und es wäre schön, wenn sich der eine oder andere Roboterbauer daran beteiligen würde. Dabei kommt mir ein Ausspruch meiner Großmutter väterlicherseits in den Sinn. Ich war wohl vierzehn Jahre alt und wir haben über krisensichere Berufe für mich gesprochen, als sie sagte: „Gestorben wird immer, gegessen und getrunken aber auch. Und das sollte nie etwas Schlechtes sein.“ (mli)