Kolumne von Michael Lind

Kolumne von Michael Lind

Worte statt Taten

Am Ende hat es mit der Regierungsbildung ja doch noch geklappt. Dr. Angela Merkel ist zum vierten Male in Folge zur Bundeskanzlerin gewählt worden. Und zum vierten Male steht in den To-Do-Listen des Koalitionsvertrages und von Merkels Regierungsprogramm die Digitalisierung wieder ganz oben an. Beobachter fragen sich: Wozu? Deutschland hat die letzten zwölf, dreizehn Jahre auch ohne dieses neumodische Zeug gemeistert.

Michael Lind schreibt seit fast 30 Jahren für und über die nationale und internationale Roboter- und Automatisierungsbranche. Er war knapp zwei Jahrzehnte lang Chefredakteur (später auch Herausgeber) einer Zeitschrift zu diesen Themen. (Bild: Michael Lind)

Insider meinen jedoch, dass es die Kanzlerin in dieser Legislaturperiode wirklich ernst meinen könnte mit der Digitalisierung. Schuld daran ist Volker Kauder, der seit 2005 der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag vorsitzt, und die seitdem beim Thema Digitalisierung gewaltig bremst. Beide Schwesterparteien stehen ja für Konservatismus im besten Sinne. Da passt Digitalisierung offenbar nicht so richtig.

Über die Gründe zu spekulieren, wieso die CDU/CSU-Fraktionen sich seit 2005 dem Thema Digitalisierung verweigern, ziemt sich nicht. Fest stehen dürfte jedoch, dass die Fraktionsmitglieder mit einem Durchschnittsalter von etwa 50 Jahren keine Digital Natives waren beziehungsweise sind. Insofern kann man ihnen nicht vorwerfen, dass sie die Voraussetzungen für dieses Thema genauso wenig kennen wie seine Inhalte, Zusammenhänge, Ziele, Potenziale, Risiken und Grenzen. Wenn sie sich damit allerdings nicht befassen, dann darf man das Ignoranz nennen.

Fest steht ebenfalls, dass Digitalisierung Geld kostet. Geld, das insbesondere der zwischen 2009 und 2017 amtierende Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zugunsten seiner Idee von der Schwarzen Null partout nicht rausrücken wollte. Hat Schäuble niemand erklärt, dass eine funktionierende digitale Infrastruktur Grundvoraussetzung dafür ist, Investoren ins Land zu holen, die Arbeitsplätze schaffen und Steuern zahlen, die wiederum uns allen zugute kommen?

Anstelle von Geld und einer klaren Digitalisierungsstrategie gab es spätestens seit der Proklamation von Industrie 4.0 und dem ‚Internet der Dinge‘ Erkenntnisse wie etwa „Das Internet ist für uns alle Neuland“ (Angela Merkel auf einer Pressekonferenz mit dem damaligen US-Präsidenten Barak Obama 2013 in Berlin) oder leere Worthülsen wie „Daten sind der Rohstoff der Zukunft“(Angela Merkel auf dem Digitalisierungskongress der CDU 2015). Die Verkündung einer solchen Weisheit nutzt nichts, solange sich die Bundesregierung weigert, diesen Rohstoff auch zu fördern. So, und vor diesem Hintergrund kommt Volker Kauder aus der Deckung. Er hat am Jahresanfang einen Gastbeitrag für die „Welt“ geschrieben.

Darin stäubt Kauder verbal ein paar Aschepartikel auf die Häupter der Digitalisierungs-Verhinderer aus den eigenen Reihen, um sich nahezu ansatzlos zum brutalst möglichen Digitalisierer aufzuschwingen: „Die Digitalisierung ist für mich das Megathema der kommenden Jahre“. Aha, nach mehr als zwölf Jahren Untätigkeit auf allen Entscheidungsebenen. Seine Diagnose „Deutschland ist momentan kein Wirtschaftsstandort, an dem der digitale Fortschritt optimal gedeihen kann“ stimmt. Kauder fordert auch tatsächlich ein schnelles Internet. Das ist löblich, doch fordern kann man viel, versprechen aber auch. Vor drei Jahren hatte die Bundesregierung versichert, bis 2018 die Leitungen so weit ausbauen lassen, dass jeder Bundesbürger mit 50MBit/s ins Netz gehen kann. Wir schreiben das Jahr 2018 und beim Thema ’schnelles Internet‘ rangiert Deutschland mit 14,6MBit/s im weltweiten Vergleich auf Platz 25.

In direktem Zusammenhang mit schnellem Internet und Blick auf Industrie 4.0 steht der Breitbandausbau – Stichwort ‚Glasfaser-Leitungen‘. Die Deutsche Telekom stäubt sich jedoch vehement gegen den Austausch ihrer alten Kupferkabel, mit denen sie Unternehmen und Haushalte mit Telefonie und Internet versorgt, gegen Glasfaser-Kabel, die sogar Daten im Gigabite-Bereich übertragen. Deutschland gehört im europäischen Ranking beim Thema Breitbandausbau nicht einmal zu den Top Ten. Die Tschechische Republik, Litauen und Rumänien sind deutlich besser.

Dass Kauders Worten Taten folgen, ist zweifelhaft. Der Innen-, Heimat-und-Bauminister Horst Seehofer hat nämlich Dorothee Bähr einen Posten als Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und als Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung verschafft. Sie war seit 2010 Vorsitzende des CSU-Netzrates, ein Jahr später Vorsitzende von CSUnet, einem Arbeitskreis für die Netzpolitik der CSU. Zum Thema Digitalisierung hat sie in dieser Zeit allerdings eher wenig Vorzeigbares beigetragen. Konkreter gesagt: nichts als Worte.

Lind-PR
www.robot-produktion.de

Das könnte Sie auch Interessieren

Bild: Pilz GmbH & Co. KG
Bild: Pilz GmbH & Co. KG
Zugang im sicheren Fokus

Zugang im sicheren Fokus

In Produktionsumgebungen geben trennende Schutzeinrichtungen dem Menschen das Signal, dass sich hinter der Schutztür ein hochsensibler Bereich befindet und daher Vorsicht geboten ist. Hier erhalten Mitarbeiter über ein HMI oder einen Schlüssel, z.B. von Pilz, Zugang zum Prozess hinter dem Schutzzaun. Aber was, wenn die Person dafür nicht qualifiziert bzw. autorisiert wäre und sich oder andere Menschen in Gefahr bringen würde?

Bild: ©Fröhlich Max (LVT)/Liebherr-Verzahntechnik GmbH
Bild: ©Fröhlich Max (LVT)/Liebherr-Verzahntechnik GmbH
Vorabsimulation per digitalem Zwilling

Vorabsimulation per digitalem Zwilling

Die virtuelle Inbetriebnahme einer Palettierzelle mit automatischer Beladung einer Wälzschälmaschine per Roboter von Liebherr-Verzahntechnik konnte die Projektdauer bei einem Getriebehersteller signifikant verkürzen. Die Vorabsimulation per digitalem Zwilling sparte bei der realen Inbetriebnahme Zeit und Kosten und sorgte für Planungssicherheit zum Produktionsstart.

Bild: TeDo Verlag GmbH
Bild: TeDo Verlag GmbH
Wenn das FTS mit dem Roboter…

Wenn das FTS mit dem Roboter…

Autonome mobile Roboter und kollaborierende Knickarmroboter sind zwei Evergreens im Robotik-Trendkarussell. Relativ neu ist allerdings die Möglichkeit beide Helferlein zu kombinieren. Der autonome mobile Roboter erweitert den Arbeitsbereich des Cobots oder auch eines größeren Roboters enorm und macht ihn mobil. Das bietet neue Möglichkeiten z.B. bei der Maschinenbe- und entladung, beim Werkstück- und Materialtransport oder in der Qualitätsinspektion.

Bild: Fronius International GmbH
Bild: Fronius International GmbH
Hohe Bauteilvielfalt

Hohe Bauteilvielfalt

Das österreichische Unternehmen Anton Paar fertigt Messgeräte für vielerlei Branchen. Da zunehmender
Fachkräftemangel und permanent steigende Stückzahlen intelligente Produktionslösungen erfordern, investierte das Unternehmen in eine Roboterschweißzelle von Fronius. Mit der Zelle ist es möglich, einen kompletten Schweißauftrag in einem Zug abzuwickeln, auch wenn eine Charge mehrere unterschiedliche Objekte umfasst.