Modulare Montage- und Prüfanlage
Robotik im Sechseck
Für die Produktion von Gangstellermodulen aus Hochleistungskunststoff wurde beim Automobilzulieferer FTE automotive eine hochkomplexe, modulare Automatisierungslinie realisiert. Die verkettete Anlage soll in der Endausbaustufe knapp eine Million Einheiten jährlich montieren. Den zentralen Part übernehmen dabei sechseckige Roboterzellen mit integrierten Funktionssatelliten.
Gangstellermodule kommen in Doppelkupplungsgetrieben zum Einsatz und sorgen dort für die Betätigung der Schaltgabeln. FTE Automotive, Zulieferer in den Bereichen Antriebsstrang und Bremssysteme für die Automobilindustrie, hat Gangstellermodule aus einem Polyamid-Hochleistungskunststoff entwickelt, der öl- und temperaturbeständig sowie deutlich leichter ist als ein vergleichbares Aluminiumpendant.
Hohe Fertigungstiefe
Die kompletten Module fertigt FTE im Werk in Fischbach in der nähe der Firmenzentrale in Ebern vom Spritzgießen des Gehäuses bis hin zur finalen Funktionsprüfung in hoher Fertigungstiefe. Mit der Aufzählung der Zukaufteile ist Edgar Steger, Technologiestratege bei FTE schnell fertig: „Lediglich die flexible Leiterplatte, Magnete und wenige Kleinteile beziehen wir extern. Alle weiteren Komponenten vom Kunststoffgehäuse über die Kolbenstangen bis hin zu allen Dichtungen fertigen wir an unseren Standorten selbst und montieren das komplette Produkt. Selbst die beiden Drehzahlsensoren werden in der nächsten Ausbaustufe in Eigenfertigung hergestellt. Diese Strategie verfolgen wir sowohl aus Qualitätsgründen als auch aus wirtschaftlichen Erwägungen.“ In der Montage der Module steckt jede Menge Know-how, seitens FTE, aber auch seitens des Sondermaschinenbauers M.A.I, der mit der Planung und Realisierung der Komplettanlage beauftragt war. Warum der Auftrag für die komplexe Montage- und Prüfanlage an diesen Anbieter ging, erklärt Steger: „M.A.I hat mit einem modularen Entwurf ein überzeugendes Anlagenkonzept präsentiert, das mit der Stückzahlentwicklung des Produktes mitwachsen kann. Außerdem verfügte das 220 Mann starke Unternehmen über gute Referenzen für den Bau einer solchen Anlage und sitzt geografisch nahe an unserem Werk – ein Aspekt, der sich während des Projektes als Vorteil herausgestellt hat.“
Vollautomatische Montagelinie
Die Anlage ist in einer Planungs- und Realisierungszeit von knapp anderthalb Jahren entstanden. Der heutige Blick in die Montagehalle mit der Vielzahl verketteter Roboterzellen ist beeindruckend sowie auch die Komplexität an Arbeits- und Prozessschritten, die in die Anlage integriert sind. „Der immense Montage- und Prüfaufwand erklärt sich erst bei genauerer Betrachtung“, betont Hermann Fischer, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing des Anlagenbauers M.A.I. „Insgesamt mussten wir über 50 Montageprozesse und mehr als 30 Funktionsprüfungen in die Anlage integrieren. Da in der letzten Ausbaustufe rund eine Million Gangsteller pro Jahr über die Anlage laufen werden, sind Engpass-Stationen in zweifacher Ausführung geplant, um die dann erforderlichen Taktzeiten zu erreichen.“ Der Rundgang durch die Anlage unterstreicht die Komplexität der Aufgabenstellung: Auftrag einer Dichtraupe mit Höhenvermessung über hochauflösenden Kameras, Montage-stationen für Feststoffdichtungen, für Kolbenführungselemente, Dichtungen und Deckel, für Kolben und Kolbendichtungen sowie für flexible Leiterplatten, Mess- und Dichtheitsprüfstationen, Ultraschallschweißstationen, fünf vollautomatische Laserdurchstrahl-Schweißanlagen, Teach- und Prüfstationen für Hall-Sensorik und vieles mehr lassen erahnen, wie viel Know-how und Expertise in der Anlage stecken.
Hochmodulares Anlagenkonzept
Um diese Komplexität beherrschbar innerhalb einer Anlage abbilden zu können, entwickelte M.A.I ein hochmodulares Anlagenkonzept, das auf sechseckigen Roboterzellen mit jeweils sechs integrierten Funktionssatelliten basiert. Herzstück jeder Zelle ist ein Stäubli-Roboter, um den sich die Satelliten in Form von Bearbeitungs- und Prüfstationen gruppieren. Die einzelnen Zellen der Anlage sind über Zu- und Abführbänder miteinander verkettet. Entscheidender Vorteil dieser Lösung: Die Anlage lässt sich jederzeit durch zusätzliche Roboterzellen für taktzeitkritische Prozesse erweitern und somit der Stückzahlentwicklung beim Zulieferer anpassen. In der letzten Ausbaustufe sollen es 13 Roboter sein, von Vierachsern bis zu diversen Sechsachsern, die das Aufgabenspektrum im Dreischichtbetrieb bewältigen. Eines ist allen Maschinen gemeinsam: ihre Herkunft. „Wir setzen in dieser Anlage ausschließlich Roboter von Stäubli ein, weil sie gut geeignet sind für anspruchsvolle Aufgabenstellungen unter Sauberraumbedingungen“, erklärt Fischer. „Aufgrund ihrer geschlossenen Struktur mit innenliegenden Medienführungen erfüllen sie bereits in Standardkonfiguration Reinraumanforderungen. Außerdem sind alle Roboter in ESD-Ausführung gegen elektrostatische Aufladung erhältlich – eine Option, die für den Einsatz hier bei FTE unerlässlich war.“
Kompakte Bauweise, große Reichweite
Obgleich M.A.I beispielsweise für die Bauteilhandhabung in den fünf integrierten Laserdurchstrahl-Schweißanlagen den kompakten Sechsachser TX60 einsetzt oder wie bei Roboterzelle drei einen großen, sehr schnellen Scara-Roboter vom Typ TS80 mit 800mm Reichweite, kommt das Stäubli-Modell TX90 in den meisten Roboterzellen zum Einsatz. Dieser Sechsachser bietet eine kompakte Bauweise und einen schlanken Vorderarm, verfügt aber dennoch über eine große Reichweite, sodass er die einzelnen Funktionssatelliten der Zellen problemlos erreichen kann. Auffallend beim Blick auf die Roboter sind deren durchweg komplexen Multifunktionsgreifer mit mehreren Greiferebenen. Diese komplexen Eigenentwicklungen favorisiert der Anlagenbauer weil sie schnelle, effiziente Abläufe erlauben. Die Roboter können so die vielen Prozesssatelliten einer Zelle schnell und effizient bedienen ohne Teile auf einer Zwischenablage ablegen zu müssen, was sich zu Lasten der Taktzeit auswirken würde.
Dokumentation und Rückverfolgbarkeit
Wie in der Automobilbranche üblich, spielt auch bei dieser Anlage die Qualitätssicherung und die Rückverfolgbarkeit über jeden Arbeitsschritt hinweg eine entscheidende Rolle. Dazu erhalten die Gangsteller zu Beginn ihrer Reise durch die Anlage einen Data-Matrix-Code, auf dem das Ergebnis jedes Bearbeitungsschrittes exakt dokumentiert wird. Über einen Scanner lässt sich an den Endprodukten jedes Ergebnis der knapp 200 Produktionssequenzen detailliert abrufen. Durch eine intelligente sowie prozesssichere Automation verlassen nur hundertprozentig geprüfte und zuverlässig kalibrierte Gangsteller die Anlage. Was Qualität, Taktzeit und Verfügbarkeit angeht, ist Edgar Steger mit der Anlage sehr zufrieden: „Eine Montage- und Prüflinie in dieser Komplexität auf die Beine zu stellen ist natürlich eine große Herausforderungen, die wir gemeinsam mit M.A.I bewältigt haben. Mit den gesammelten Erfahrungen wird uns auch der letzte Schritt, die Verdoppelung der Produktionskapazität mit der abschließenden Integration weiterer Roboterzellen planmäßig gelingen.“