Künstliche Intelligenz im Arbeitsschutz

Eine Medaille hat zwei Seiten

Die Anwendungsbereiche künstlicher Intelligenz in Unternehmen sind vielfältig. Der Einsatz von Cobots, Assistenz-Tablets in der Fließbandfertigung, Chatbots in Lagerhallen oder die Nutzung von Algorithmen in HR-Abteilungen sind nur wenige Beispiele für den Einsatz von KI bei der Arbeit. Nicht zuletzt deshalb beobachtet auch die European Agency for Health and Safety at Work (EU-OSHA) als eine von vielen Akteuren seit Jahren die Auswirkungen von KI auf die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.
Dr. Sven Lohse ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Associated Partner bei der Kanzlei Noerr. Er ist spezialisiert auf die Beratung unter anderem  zur Arbeitsschutz-Compliance.
Dr. Sven Lohse ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Associated Partner bei der Kanzlei Noerr. Er ist spezialisiert auf die Beratung unter anderem zur Arbeitsschutz-Compliance.Bild: Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB

In ihrem Ende 2018 unter dem Titel ‚Prognosen in Bezug auf neue und aufkommende Risiken im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Zusammenhang mit der Digitalisierung bis 2025‘ erschienenen Report befasst sich die EU-OSHA erstmals auch vertieft mit den Auswirkungen von KI auf den Arbeitsschutz. Hierbei wurden gleichermaßen Chancen und Risiken des Einsatzes von KI identifiziert. So können z.B. anstelle von Mitarbeitern intelligente Maschinen die Arbeit in Gefahrenbereichen verrichten und die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine (human-machine interfaces) kann Mitarbeiter bei körperlichen Arbeiten entlasten. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass ebendiese Zusammenarbeit auch zu einer stärkeren körperlichen und kognitiven Belastung führen kann. Zudem kann der Einsatz von KI das Arbeitstempo sowie den Überwachungsdruck (z.B. durch das Abrufen von Echtzeitdaten) und damit verbunden den Arbeitsstress in einer sich wandelnden Arbeitswelt erhöhen – auch durch Online-Arbeit und Homeoffice. Gerade dieser Wandel wurde durch die zum Zeitpunkt der oben genannten Veröffentlichung freilich noch nicht existente Corona-Pandemie beschleunigt. So verwundert es nicht, dass jüngere Studien eine Zunahme der psychischen Belastung (z.B. aufgrund einer Verschmelzung von Berufs- und Privatleben) durch die Arbeit im Homeoffice nahelegen.

In einem nunmehr im Januar 2023 veröffentlichten Report mit dem Titel ‚Intelligente digitale Überwachungssysteme für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit: Nutzen und Herausforderungen‘ kommt die EU-OSHA zu dem Ergebnis, dass durch KI-basierte Überwachungssysteme Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten verhindert und Gefährdungen besser erkannt sowie bewertet werden können. Mehr noch: KI kann z.B. dabei helfen, Unfallberichte zu analysieren, um Schutzmaßnahmen individuell auf bestehende Gefährdungen abzustimmen. Kurzum: KI-basierte Überwachungssysteme ermöglichen eine auf Betriebe und einzelne Arbeitsabläufe optimal zugeschnittene Arbeitsschutzkultur unter anderem durch eine verbesserte Gefährdungsbeurteilung. Allerdings benötigt die KI für ihre Entscheidungen eine fundierte Datengrundlage, denn auf einer unzureichenden Datenlage beruhende Entscheidungen der KI können im Einzelfall zu erheblichen Schäden bei Mitarbeitern führen. Daher werden Arbeitgeber in absehbarer Zeit ihre nach dem Arbeitsschutzgesetz bestehenden Pflichten zwar nicht auf eine KI als Arbeitsschutzbeauftragte delegieren können. Gleichwohl ist KI bereits heute Hilfsmittel zur Verbesserung des Arbeitsschutzes.

Sie ist und wird Subjekt des Arbeitsschutzes bleiben und gleichzeitig dabei helfen, den Arbeitsschutz zu verbessern. Was es aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht nicht bedarf, ist ein Arbeitsschutzrecht für KI. Denn die vorhandenen Instrumente des Arbeitsschutzgesetzes, insbesondere die Gefährdungsbeurteilung, reichen aus, um auf zukünftige Entwicklungen angemessen reagieren zu können.

Hochachtungsvoll

Dr. Sven Lohse

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