Automatisches Warentransportsystem für die Uniklinik Köln
Mobile Roboter im Krankenhaus
Permanent transportieren die 94 mobilen Roboter eines automatischen Warentransportsystems in der Uniklinik Köln hunderte Kilogramm schwere Behälter mit Nahrung, Sterilgut, Getränken und Müll. Rund 3.300 Mal täglich befördern sie diese über kilometerlange Strecken und über bis zu 20 Stockwerke. Bereits seit 2003 im Einsatz wird das flexible System laufend an Veränderungen des Krankenhauses angepasst und bleibt durch ständige Weiterentwicklungen fit für die Zukunft.
Mit rund 1.500 Betten ist die Uniklinik Köln das größte Krankenhaus des Rheinlandes. In beinahe 60 Kliniken und Instituten gewährleistet sie als Maximalversorger mit rund 10.700 Beschäftigten eine effiziente, interdisziplinäre medizinische Spitzenversorgung. Jährlich behandeln die Ärzte und Pfleger der Uniklinik Köln 310.000 Patientinnen und Patienten, davon knapp 63.000 stationär (2018). Angesichts solcher Dimensionen stellt die Patientenversorgung die Krankenhausbetreiber nicht nur medizinisch, sondern auch logistisch vor gewaltige Herausforderungen. Schließlich geht es nicht nur um die Essensversorgung, sondern auch um Müllentsorgung, Lager- und Apothekenware sowie den Transport von sensiblem Sterilgut. Die Anzahl der Transporte liegt bei rund 3.300 täglich.
900 aufgabenspezifische Rollcontainer
Drei Mal täglich gehen rund 1.500 im Cook&Chill-Verfahren zubereitete Patientenessen von der Zentralküche zu den Bettenstationen. Ebenso viele Tabletts mit benutztem Geschirr und Besteck müssen rechtzeitig zurück, um nach einem Reinigungsdurchlauf wieder zur Verfügung zu stehen. Zudem müssen Stationen und Laboratorien auch laufend mit Material aus dem Zentrallager versorgt werden. Hier fallen täglich bis zu 30t Müll an, die zum Recycling-Zentrum gebracht werden müssen, wo der Abfall getrennt, sortiert und verdichtet wird. Die Ärzteteams in den zahlreichen Operationssälen benötigen eine zuverlässige Versorgung mit sterilen Instrumenten. Diese kommen aus der Sterilisation im Versorgungshaus und müssen nach Gebrauch auch wieder dorthin zurück. Für den Transport stehen knapp 900 Rollcontainer mit einheitlichen Außenmaßen, aber aufgabenspezifisch unterschiedlichen Aufbauten zur Verfügung. Die Transporte erfolgen überwiegend in einem unterirdischen Tunnelsystem, das 65 der 80 Gebäude auf dem mehr als 24 Hektar großen Campus verbindet. Pro Fahrt kann ein Container dabei bis zu 4km zurücklegen.
Automatischer Warentransport
Bei manuellem Betrieb wären rund 100 Mitarbeiter ausschließlich damit beschäftigt, die Rollcontainer von Hand zu ihren Zielen zu bringen. Angesichts von bis zu 350kg Maximalgewicht eine kaum zumutbare, körperlich anstrengende Arbeit. Automatisiert wurde auch schon vor dem Einsatz von fahrerlosen Transportsystemen. Bis Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Container von einer Hängeförderanlage transportiert. Diese war jedoch wenig flexibel. Trat irgendwo ein Problem auf oder waren Wartungsarbeiten durchzuführen, stand die gesamte riesige Anlage still, untragbar in einer derart wichtigen Institution. Seit 2003 erledigen fahrerlose Transportfahrzeuge von DS Automotion den automatischen Warentransport (AWT). „Die AWT-Anlage stellt an 365 Tagen im Jahr den reibungslosen täglichen Ablauf sicher. Wie der Blutkreislauf im Körper ist sie eine betriebsnotwendige Einrichtung“, erklärt Siegfried Bultmann, Geschäftsführer der Firma Medfacilities Betrieb. Diese ist für Betrieb und Instandhaltung aller technischen Einrichtungen der Uniklinik Köln verantwortlich. „Die AWT-Anlage transportiert weit über 85 Prozent aller Materialien, die innerhalb des Krankenhauses benötigt werden, ein zuverlässiger Betrieb ist also unerlässlich“, ergänzt Bultmann. So befindet sich das Leitsystem DS-Navios aus Sicherheitsgründen auf einer über mehrere Standorte redundant ausgeführten Serveranlage. Selbst ein Brand in einem Serverraum kann also nicht zu einem Systemstillstand führen. Darüber hinaus sind alle Komponenten des Netzwerks mittels unterbrechungsfreier Stromversorgung (USV) abgesichert.
Großvolumige, mitwachsende Flotten
„Gemeinsam mit DS Automotion passen wir das System ständig an Erweiterungen und bauliche Veränderungen des Krankenhauses an“, erläutert Bultmann. „Zu diesen gehörten der Umzug der Zentralküche oder das 2019 neu errichtete Centrum für Integrierte Onkologie (CIO).“ Die Transportroboterflotte ist nach mehreren Erweiterungen der AWT-Anlage von ursprünglich 65 auf mittlerweile 94 Stück angewachsen, davon sind mindestens 80 permanent im Einsatz. Bei den Fahrzeugen handelt es sich um anlagenspezifisch entwickelte und hergestellte Unterfahr-FTS.
Intelligent, wendig und ressourcenschonend
Die FTS in der Uniklinik Köln kontrollieren die Einhaltung des vom Leitsystem vorgegebenen Kurses per Magnetpunktnavigation selbst. Das geschieht durch gelegentliche Überprüfung anhand im Boden eingelassener Magnete. Aufgrund ihres Differenzialantriebes ist es ihnen jederzeit möglich, enge Kurven zu fahren oder auch im Stand zu wenden. Auch in Sachen Sicherheit gehen Hersteller und Betreiber keine Kompromisse ein. Die Sicherheits-Laserscanner der FTS gewährleisten ein zuverlässiges Anhalten vor Hindernissen und damit ein Höchstmaß an Personensicherheit. Aus Gründen der Ressourcenschonung heben die FTS die Rollcontainer zur Beförderung nicht an, sondern üben einen Anpressdruck von 50kg aus und gewährleisten so eine sichere Traktion. Dadurch kommen sie ohne massive Hebevorrichtung und mit geringerer Motorleistung aus. Das wirkt sich vorteilhaft auf die Reichweite der batteriebetriebenen Fahrzeuge aus. Die Fahrzeuge der ersten Generation schaffen mit ihren Blei/Gel-Akkus eine Fahrzeit von 5 bis 6h. Etwa ein Drittel aller Fahrzeuge wurde bereits durch solche einer neueren Generation ersetzt. Dabei wurden bei gleichbleibender Geometrie Mechanik, Elektronik sowie die Direktantriebe komplett überarbeitet und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Neu eingesetzte Lithium/Eisenphosphat-Akkus ermöglichen durchgehendes Fahren über die gesamte 20-stündige Betriebszeit.
Flexible AWT-Anlage
„Die meisten Transporte von Speisen, Lager- und Apothekenware, Sterilgut, Getränken und Müll erfolgen während der Regelbetriebszeit, die von 05:30 bis 22:00 Uhr dauert“, sagt Bernd Winklhöfer, Bereichsleiter AWT-Anlage bei Medfacilities Betrieb. „Dringende Sterilguttransporte finden jedoch auch außerhalb dieser Zeiten statt.“ Bestimmte Containertypen haben fixe Ziele, so fährt z.B. von der Bettenstation ein Müllcontainer immer zum Recycling-Zentrum oder ein Speisencontainer stets zur Küche. Die meisten Sendungen werden von den Mitarbeitern per Eingabe an einem der zahlreichen Aufgabeterminals individuell abgeschickt. Auch von diesen hier sogenannten Taufstationen gibt es mittlerweile zwei Generationen, deren neuere mit Touchscreen und QR-Code-Scanner für die Behälteridentifikation ausgestattet ist. Die Fahrten werden im Taxi-Modus abgewickelt: Das am nächsten befindliche freie FTS begibt sich zum Aufgabeort, um den Behälter abzuholen und zu seinem Ziel zu bringen. Dabei nutzen die Fahrzeuge nicht nur das unterirdische Gangsystem, in dem an Engstellen ein unsichtbar geregelter Begegnungsverkehr stattfindet. Etwa 15 Gebäude sind nicht an das Tunnelsystem angeschlossen. Deshalb bedienen die Roboter auch eine Ladezone, von der die Rollcontainer per LKW weiter transportiert werden. In acht Gebäuden stehen den FTS elf Lifte und zwei Hebebühnen zur Verfügung, die sie selbstständig anfordern, um die Ebene zu wechseln. So gelangen sie in die 20 Stockwerke des 100m hohen Bettenhauses oder zur Sterilisation in der zweiten Etage des Versorgungshauses. Sauberkeit und Hygiene sind in einem Krankenhaus das A und O. Deshalb bringen die FTS die Container nach jedem Transport in eine von vier Reinigungs- und Desinfektionsanlagen. Dort werden sie von einer Förderanlage automatisch übernommen, durch die Anlage gefördert und nach der Reinigung wieder bereitgestellt.
Langlebig und zukunftssicher
Die AWT-Verantwortlichen überwachen rund um die Uhr jede Fahrt am Leitstand. Während der Betriebszeit ist dieser im Zweischichtbetrieb besetzt. So können die Mitarbeiter auf jede Unregelmäßigkeit in der Anlage reagieren und z.B. per Fahrrad ausrücken, um im Fahrweg der FTS stehen gelassene Gegenstände zu entfernen. „Um den Betrieb der Uniklinik ohne spürbare Verzögerungen für Ärzte und Patienten aufrecht zu erhalten, muss die AWT-Anlage hohe Anforderungen an die Verfügbarkeit erfüllen“, erklärt Winklhöfer. „Die ausgereifte Anlage von DS Automotion, deren Wartung wir zur Gänze selbst in der Hand haben, hat diese im langjährigen Betrieb bisher stets zu unserer vollen Zufriedenheit erfüllt.“ Die Fahrzeuge überprüft Medfacilities Betrieb monatlich in einer eigenen Werkstätte. Dort erfolgen auch erforderliche Reparaturen wie der Austausch von Rädern oder – bei den Modellen der ersten Generation – Antriebsrieben. Auch die Akkumulatoren müssen gelegentlich erneuert werden. „Im Dialog mit DS Automotion finden laufend Weiterentwicklungen und Funktionserweiterungen statt“, schließt Bultmann. „Diese fließen in neue Produkte und in den Standard von DS Navios ein und sichern so auf lange Sicht die Zukunftsfähigkeit der AWT-Anlage.“