Roboterarm unterstützt endoskopische Operationen

Roboterarm unterstützt endoskopische Operationen

Besserer Durchblick für den Chirurgen

Mit seinem Roboterarm Soloassist II will das Regensburger Unternehmen AktorMed den Chirurgen in Krankenhäusern die Arbeit mit Endoskopen erleichtern. Bei minimalinvasiven Eingriffen kann die OP-Kamera nun mithilfe von Spracherkennung geführt werden. Das ist eine deutliche Verbesserung für den Operateur, allerdings stellt die dahinterliegende Software vergleichbar hohe Anforderungen an die Hardware. Zum Einsatz kommt daher ein vollwertiger Embedded-Industrial-Computer.

Der Roboterarm Soloassist II von AktorMed im Einsatz: Mithilfe von Sprachsteuerung wird die OP-Kamera vom Chirurgen an die richtige Stelle geführt und liefert ihm ein perfektes Stand. (Bild: Aaronn Electronic GmbH)

Der Roboterarm Soloassist II von AktorMed im Einsatz: Mithilfe von Sprachsteuerung wird die OP-Kamera vom Chirurgen an die richtige Stelle geführt und liefert ihm ein perfektes Stand. (Bild: Aaronn Electronic GmbH)

Minimalinvasive Eingriffe werden auch als Schlüssellochchirurgie betitelt. Denn bei diesen Eingriffen werden über zwei winzige Schnitte die Instrumente und das Endoskop, eine Minikamera mit dem Durchmesser von 5 bis 10mm, zum Operationsgebiet geführt. Das Bild wird auf einem externen Monitor wiedergegeben und zeigt dem Chirurgen sein Operationsgebiet an. In der Klinik bedeutet das, dass bei vielen Eingriffen neben dem Chirurgen auch ein zweiter Arzt für die Führung der Kamera anwesend sein muss. Lediglich bei sehr einfachen Operationen reicht es aus, dass ein Arzt die Kamera selbst justiert.

Kontron Mini-ITX Embedded Motherboard E38 mit Langzeitverfügbarkeit (Bild: Aaronn Electronic GmbH)

Kontron Mini-ITX Embedded Motherboard E38 mit Langzeitverfügbarkeit (Bild: Aaronn Electronic GmbH)

Manuelle Endoskopführung

Immer noch wird bei einem Großteil der minimalinvasiven Eingriffe das Endoskop komplett per Hand geführt. In der Praxis hat das gravierende Nachteile: Hochauflösende Kameras produzieren Bilder in 4K- oder 8K-Qualität, sogar 3D-Aufnahmen sind mittlerweile möglich. Für viele Anwendungen fehlt dem Menschen jedoch die notwendige ruhige Hand, das bis zu 600g schwere Endoskop in unbequemen Positionen minutenlang ruhig zu halten. Kleinste Zitterbewegungen werden bei der vergrößerten Wiedergabe auf hochauflösenden Bildschirmen so verstärkt, dass sie ein präzises Arbeiten eher erschweren, denn erleichtern. Dazu kommt, dass Bewegungen des gesamten Körpers, z.B. um einem Kollegen den Zugang zum OP-Tisch zu erleichtern, trotz aller Bemühungen ebenfalls die Hand, die das Endoskop hält, in Bewegung versetzen. Zudem erschweren oft Verständigungsprobleme die effektive und präzise Arbeit mit dem Endoskop, wenn z.B. zwischen dem Chirurgen und seinem Kollegen an der Kamera nicht ganz klar ist, wie weit oder in welche Richtung die Kamera bewegt werden soll.

AktorMed setzt bei seinem Soloassist II auf einen bewährten Industrie PC von Kontron, dem Mini-ITX Motherboard E38. (Bild: Aaronn Electronic GmbH)

AktorMed setzt bei seinem Soloassist II auf einen Industrie-PC von Kontron, dem Mini-ITX Motherboard E38. (Bild: Aaronn Electronic GmbH)

Roboterarm hält ruhig

Der von AktorMed entwickelte Roboterarm Soloassist, der das Endoskop führt, brachte dabei schon eine wesentliche Erleichterung: Er kann mit drei Freiheitsgraden flexibel manuell geführt und in der richtigen Position fixiert werden. So konnte zumindest bei einer fixierten Position bereits mit einem absolut ruhigen Bild gearbeitet werden. Der Joystick vereinfachte zudem die Führung, sodass in manchen Fällen bereits auf einen zweiten, Endoskop-führenden Arzt verzichtet werden konnte.

Zuverlässige Sprachsteuerung

Noch flexibler kann der Roboterarm eingesetzt werden, wenn er direkt auf die Sprachbefehle des Operateurs reagieren kann. Damit kann der operierende Chirurg die Kamera mit wenigen einfachen Befehlen in die benötigte Richtung lenken und hat beide Hände für den Eingriff frei. Im Gegensatz zum Joystick benötigt die Spracherkennung und -verarbeitung allerdings deutlich mehr Rechen- und Speicherleistung. Die Entwickler von AktorMed haben sich deshalb entschieden, auf einen Industrie-PC zu setzen, der diese Voraussetzung und zugleich die strengen Kriterien für Geräte im Operationssaal erfüllt. Neben den reinen technischen Merkmalen gaben auch noch weitere Gründe den Ausschlag, sich für Kontron zu entscheiden: Da Innovationszyklen in der Medizintechnik lang sind und Beschaffungsvorhaben mehrere Jahre dauern können, muss für die Komponenten des Soloassist eine Langzeitverfügbarkeit von mindesten sieben bis zehn Jahren gegeben sein, wie sie Kontron für seine industriellen Boards anbietet. Weiterhin bestand die Notwendigkeit, auf einen USB-Bus auf dem Board zugreifen zu können. Zudem überzeugten AktorMed das Engagement des Partners Aaronn, der gemeinsam mit Kontron alle Ansprüche in puncto Service und Support erfüllen konnte.

Motherboard als Herzstück

Bei dem eingesetzten Motherboard handelt es sich um das Kontron Mini-ITX Board E38 mit Intel-Atom-Prozessor der E3800-Serie, das über ausreichend Speicherplatz und zahlreiche Schnittstellen verfügt. Für das Betriebssystem steht ein boot-fähiger Flashspeicher bereit, Anwendungsdaten werden über eine SSD-Storage gespeichert. Bis Mitte 2019, nach drei Jahren im klinischen Einsatz, verzeichnet AktorMed keinen einzigen Ausfall eines Motherboards. Die hohe Ausfallsicherheit garantiert auch die Sicherheit für den Patienten: Der Roboterarm ist gegenüber unkontrollierten Bewegungen über Algorithmen abgesichert. Dadurch ist garantiert, dass das Endoskop den Patienten keinesfalls verletzt. Von Vorteil erweist sich für AktorMed auch die Erfahrung von Kontron mit anspruchsvollen Kunden auf der ganzen Welt. Da Zulassungen für Medizingeräte in der Regel komplex, langwierig und in allen Ländern unterschiedlich sind, kann AktorMed hier bereits auf viele notwendige Zertifizierungen, wie CE, und Bestätigungen sowie Prüfungen zur elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV), elektrischen Sicherheit und zu den funkspezifischen Anforderungen der US-amerikanischen Federal Communications Commission (FCC) zugreifen. Auch hier macht sich die Langzeitverfügbarkeit bezahlt, denn wenn sich an der einmal zugelassenen Komponente etwas ändert, wäre bei der nächsten Auslieferung eine aufwendige Re-Zertifizierung notwendig.

Weiterentwicklung mit KI

Die komplette Software für die Sprachsteuerung des Soloassist II läuft unter Windows 7 Embedded auf dem Kontron-Motherboard. Die Boards werden von Aaronn einbaufertig bei AktorMed angeliefert. Vorher werden sie mit Arbeitsspeicher, einem Lüfter und dem SSD-Speicher ergänzt, dann wird das Software-Image aufgespielt und es finden Funktionstests statt. AktorMed arbeitet daran, flächendeckend Kliniken auf der ganzen Welt von den Vorteilen des sprachgesteuerten Soloassist II zu überzeugen. In puncto Weiterentwicklungen des Roboterarms denkt das Unternehmen schon über Anwendungen mit künstlicher Intelligenz nach: Das Endoskop könnte das zu behandelnde Operationsgebiet, z.B. ein Organ, selbstständig finden und sich selbst positionieren. Denkbar ist auch, dass durch Machine Learning bestimmte Operationsverläufe gespeichert werden und der Roboterarm die entsprechende Neupositionierung des Endoskops selbst vornehmen kann.

Aaronn Electronic GmbH
www.aaronn.de

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